23.01.2025 | Themenschwerpunkt
Ageismus „in den Köpfen“ als Risikofaktor für Suizidalität im Alter
Erschienen in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie | Ausgabe 1/2025
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Der Beitrag analysiert Suizidalität im Alter systematisch aus der Perspektive von traditionellen altersbezogenen Vorstellungen, Bewertungen und Erwartungen. Die Zusammenschau empirischer Evidenz aus unterschiedlichen Forschungsbereichen liefert vorläufige Hinweise darauf, dass Ageismus „in den Köpfen“ den Lebenswillen im Alter reduziert und ein Suizidrisiko für das Individuum darstellt. Dieser Effekt wird hervorgerufen durch ein kulturell tief verankertes gesellschaftliches Altersklima, wonach das Leben im Alter tendenziell als Phase des Defizits und der fehlenden Produktivität betrachtet und wonach von älteren Menschen tendenziell sozialer Rückzug und Nicht-zur-Last-Fallen erwartet werden. Sofern Gesundheitsakteur:innen nicht ausreichend gerontologisch qualifiziert sind, lassen sie sich in ihrer Tätigkeit durch diesen „age bias“ leiten; dieser drückt sich im schlimmsten Fall in Ignoranz und Passivität gegenüber suizidalen Krisen älterer Menschen aus. Ein relevanter Risikofaktor ist, dass sich im Alter der von Individuen über ihren Lebenslauf hinweg verinnerlichte Ageismus gegen sich selbst richtet. Die Analyse untermauert ein kontextualistisches Verständnis von Suizidalität jenseits einer weit verbreiteten, übersimplizistischen Auffassung als verständliche Reaktion auf „das Alter“ oder einer verengten psychiatrischen Bewertung als „Altersdepression“. Gleichzeitig werden ageistische Tendenzen im öffentlichen Diskurs hinterfragt, wonach es sich bei Suizidalität im Alter um ein angesichts des Schreckens des Alters begründetes, rationales und auch für die soziale Umwelt weniger gravierendes Phänomen handelt. Auch wird die Rhetorik des assistierten Suizids als Akt der Selbstbestimmung und Selbstbescheidung zugunsten der Gesellschaft hinterfragt.
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