Die erzielten Ergebnisse bieten einen Überblick über Faktoren, die sich auf die Nachhaltigkeit der Implementierung des Expertenstandards
Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz auswirken, und leisten einen Beitrag zu verstehen, welche Faktoren relevant sind, um den Expertenstandard nachhaltig in der stationären Langzeitpflege zu implementieren. Aufgrund der vorhandenen Forschungslücke zum Thema Nachhaltigkeit von Expertenstandards liefert die hier dargestellte Untersuchung erste Erkenntnisse zur Verstetigung von Expertenstandards in der stationären Langzeitpflege und hilft zu verstehen, welche Aspekte Beachtung finden sollen, damit der thematisierte Expertenstandard zur Routine in den Einrichtungen wird. Die befragten Personen beschreiben eine Vielzahl von Faktoren, die Veränderungsprozesse beeinflussen und die auch in der Literatur zum Thema Dauerhaftigkeit komplexer Interventionen [
7,
9,
19,
20] sowie im Consolidated Framework for Implementation Research (CFIR, [
3]) zu finden sind. Gemeinsamkeiten liegen beispielsweise auf der Ebene der externen Kontextfaktoren und auf der Ebene der Einrichtung [
3]. Im CFIR werden als Einflussfaktoren einer erfolgreichen Implementierung auf Ebene der Einrichtung die Organisationskultur, die Netzwerkarbeit und eine niedrige Personalfluktuation sowie im Zusammenhang mit externen Kontextfaktoren der Einfluss von externen Regelungen und Vorgaben identifiziert. Ebenfalls wird im CFIR ausgeführt, dass die zu implementierende Intervention verschiedene Merkmale aufweisen muss, um erfolgreich umgesetzt zu werden [
3]. Merkmale wie die Komplexität, Anpassungsfähigkeit und Relevanz finden sich sowohl im CFIR als auch in der vorliegenden Arbeit. Außerdem lassen die Ergebnisse Analogien zu den Aussagen der Extended Normalization Process Theory [
12] erkennen. Demnach ist es entscheidend, dass Einrichtungen den beteiligten Akteur*innen Zugang zu Wissen ermöglichen und Informationen über die komplexe Intervention bereitstellen. Die kognitiven Ressourcen der Beteiligten sind entscheidend, damit der Übergang in die Routine gelingt. Die Einrichtung ist dafür zuständig, diese entsprechenden Ressourcen bereitzustellen [
12]. Die Theorie bestätigt die vorliegenden Ergebnisse außerdem in dem Punkt, dass den beteiligten Akteur*innen im sozialen System eine zentrale Rolle zukommt. Damit sich eine komplexe Intervention nachhaltig umsetzen lässt und zur Routine werden kann, müssen die Beteiligten ein gewisses Potenzial aufweisen. Sie sollten über ausreichend Motivation verfügen, die komplexe Intervention im Alltag anzuwenden und umzusetzen [
12]. Ein Faktor, den die Befragten als wesentlich für eine nachhaltige Implementierung sehen und der bisher nicht in der Literatur beschrieben ist, ist die Spezialisierung der Einrichtung auf das Krankheitsbild. Die Quintessenz ist, dass es förderlich ist, wenn Einrichtungen bereits vor der Implementierung mit der Implementierungsthematik vertraut sind und möglicherweise bereits ein einrichtungsbezogenes Konzept im Hinblick auf Menschen mit Demenz aufweisen. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist der Einbezug der Angehörigen in den Implementierungsprozess wie z. B. durch Informationsveranstaltungen und durch transparente Gestaltung der Veränderungsprozesse. Hilfreich sind außerdem das Angebot von Angehörigenberatungen, -begleitungen und -gesprächen sowie ein speziell für Angehörige angepasstes Schulungsangebot zum Thema Demenz. Dies scheint v. a. für die stationäre Langzeitpflege ein wichtiger Faktor zu sein, da die Angehörigen ein wesentlicher Bestandteil der gesamten Pflege- und Betreuungsorganisation sind. Darüber hinaus stellt die Prozessbegleitung einen zentralen Punkt dar. Alle teilnehmenden Einrichtungen profitierten von einer Begleitung durch das DNQP, externe Berater*innen oder hauseigene Stabsstellen. Die Forderung nach einer kontinuierlichen Begleitung der Projekteinrichtungen sowie einer Begleitung aller Pflegeeinrichtungen geht jedoch über die Aufgaben des DNQP bzw. der anderen Beteiligten hinaus. Da aber die Prozessbegleitung einen essenziellen Einflussfaktor der dauerhaften Etablierung des Expertenstandards darstellt, wäre es angebracht, bestehende externe Strukturen zu erweitern oder neue Strukturen zu schaffen. Ein Aspekt, der insbesondere in der Umsetzung des thematisierten Expertenstandards von Bedeutung zu sein scheint, ist die personenzentrierte Haltung der beteiligten Personen. Dies mag v. a. daran liegen, dass der Expertenstandard an sich ein Thema adressiert, das eine Haltungsentwicklung fordert und mit sich bringt. Es braucht also auch eine personenzentrierte Haltung bzw. einen Entwicklungsprozess ebendieser, um den Expertenstandard nachhaltig umzusetzen. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass der Fokus mehr auf zentrale und wesentliche Fragen gelegt werden soll, bei denen dann aber die Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht. Insgesamt bedarf das Thema der Nachhaltigkeit von Expertenstandards weiterer empirischer Untersuchungen, um das Phänomen umfassend zu verstehen.