01.03.2016 | Originalien
Gesichtsverletzungen bei Polytrauma − Mit welchen Verletzungen ist zu rechnen?
Eine retrospektive Auswertung aus dem TraumaRegister DGU®
Erschienen in: Notfall + Rettungsmedizin | Ausgabe 2/2016
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Hintergrund
In der Akutphase der Behandlung polytraumatisierter Patienten steht die Stabilisierung der Vitalparameter im Zentrum der Notfallbehandlung. Die Verletzungen des Gesichtsschädels werden daher häufig erst später diagnostiziert. Jedoch steht der Gesichtsschädel eng benachbart zu neuronalen Strukturen und sensorischen Organen wie Auge, Nase und Ohr. Zudem drückt das Gesicht Emotionen aus und stellt wichtige Persönlichkeitsmerkmale dar. Aus diesen Gründen dürfen die Patienten nach der notfallmäßigen Versorgung je nach Verletzungsmuster ein klar strukturiertes, interdisziplinäre Versorgungskonzept erwarten, in das Neurochirurgen, HNO-Ärzte, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen sowie Ophthalmologen einbezogen sind. Ziel der vorliegenden Analyse war es daher, neben epidemiologischen Daten das Verletzungsmuster am Gesicht bei polytraumatisierten Patienten darzustellen.
Material und Methode
In der vorliegenden Arbeit wurden anhand des TraumaRegister DGU® (TR-DGU) 37.398 Datensätze über den Zeitraum von 2002 bis 2011 retrospektiv ausgewertet. Die Verletzungen im Gesicht wurden nach Augenverletzungen, Verletzungen knöcherner periorbitaler Strukturen, Nasenverletzung, Kieferverletzung, Mundverletzung, Ohrverletzungen und komplexen Gesichtsschädelverletzungen unterschieden. Zur Evaluierung prognostisch relevanter Parameter, die für das Vorliegen einer Gesichtsverletzung verantwortlich sein können, wurden Patienten mit und ohne Gesichtsverletzungen miteinander verglichen.
Ergebnisse
Die Inzidenz der Gesichtsverletzungen lag bei 25,4 % und betraf jeden 4. schwerverletzten Patienten. Komplexe Gesichtsschädelverletzungen traten mit 35 % am häufigsten auf. Weichteilverletzungen am Auge, Mund und Ohr waren mit unter 2 % eher seltene Verletzungen. Polytraumatisierte Patienten mit Gesichtsverletzungen verunfallten häufiger als Autofahrer, Fahrradfahrer sowie Fußgänger und erlitten relevante Schädel-Hirn-Verletzungen mit einem GCS < 8 Punkten.
Schlussfolgerungen
Aus funktionellen und ästhetischen Gründen sollten Gesichtsverletzungen bei polytraumatisierten Patienten ausgeschlossen werden, ohne die präklinische Behandlungszeit zu verlängern. Bei Verdacht auf eine Gesichtsverletzung ist es daher in der Schockraumbehandlung sinnvoll, qualifizierte Spezialisten hinzuzuziehen. In der Primärphase der Behandlung stehen jedoch die Stabilisierung der Vitalparameter und die Behandlung der Begleitverletzungen (SHT) im Vordergrund.
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