Diskussion der Ergebnisse
Demenzen unterschiedlicher Ätiologie zeichnen sich durch progrediente Einschränkungen neurokognitiver Funktionen aus. Weder die inkludierten systematischen Reviews [
3,
8,
16,
19,
22] noch die Metaanalyse [
7] liefern konsistente, statistisch robuste Ergebnisse für die positive, verbessernde Wirkung museumsbasierter Angebote auf die neurokognitiven Funktionen von Menschen mit leichter oder moderater Demenz. Übereinstimmend mit den Aussagen aller Autorenteams zu methodischer und inhaltlicher Heterogenität der ihren Übersichtsarbeiten zugrunde liegenden Studien lassen sich diese Ergebnisse vor unterschiedlichen Hintergründen diskutieren:
Die beforschten Angebote für MmD und ihre primären Betreuungspersonen sind, soweit eruierbar, Gruppenprogramme, die von Forschungsgruppen für bzw. zusammen mit Kunst- und Kulturinstitutionen entworfen und geplant wurden und sind daher in Inhalt, Aufbau und Schwerpunkt nicht vergleichbar. Gleiches gilt für die eingesetzten Mess- und Evaluierungsinstrumente. Das macht eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse und infolge eine Übertragbarkeit auf die Population der MmD auf Basis der aktuellen Studienlage weitgehend unmöglich. Die schwach signifikanten Effekte der Metaanalyse hinsichtlich kognitiver Funktionen beziehen sich nicht ausschließlich auf den inhaltlichen Angebotsschwerpunkt „Museum und bildende Kunst“ und können somit nur als „positiver Richtwert“, nicht aber als belastbare Aussage zur verbessernden Wirkung von museumsbasierten Angeboten interpretiert werden.
Durch die bekannte Progredienz und Individualität der neurokognitiven Symptomatik einer Demenz stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß von einer verbessernden Wirkung von museumsbasierten Angeboten ausgegangen werden bzw. wie diese mit den derzeit zur Verfügung stehenden (Gold‑)Standards gemessen werden kann [
20].
Ähnlich gelagert sind die Ergebnisse zur Wirkung museumsbasierter Angebote auf psychosoziale Aspekte. Die beschriebenen Verbesserungen neuropsychiatrischer Symptome, ebenso wie verbesserte kommunikative Fähigkeiten, höherer Beteiligungsgrad, Selbstwert und Wohlbefinden sind nur begrenzt statistisch belastbar; auch hier liefert die Metaanalyse statistisch signifikante Überblickswerte ausschließlich über das gesamte Spektrum der kulturbasierten Angebote.
Vergleichbar mit den Studien zur Verbesserung kognitiver Funktionen kommt auch bei der Messung psychosozialer und kommunikativer Fähigkeiten sowie für Wohlbefinden und Lebensqualität eine erhebliche Bandbreite von Instrumenten zum Einsatz. Konzepte wie Lebensqualität und Wohlbefinden werden unterschiedlich operationalisiert, was die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zusätzlich erschwert.
Die positiven Ergebnisse für die intradyadische Kommunikation und für primäre Betreuungspersonen stammen großteils aus qualitativen Studien und weisen darauf hin, dass Aktivitäten, die von beiden Teilen der Betreuungsdyade geschätzt werden, als positiv empfunden werden. Die Ergebnisse zu möglichen wirksamen Kontextfaktoren lassen schließen, dass extern angeleitete (Gruppen‑)Aktivitäten mit hohem Kommunikationsanteil in einem neutralen, positiv konnotierten Kontext als Ressource im Betreuungsalltag gelten können. Diese, wenngleich statistisch nichttragfähigen, Aussagen unterstützen die Forderung der WHO nach unterstützenden Umwelten für MmD und ihre primären Betreuungspersonen [
21].
Um museumsbasierte Aktivitäten für MmD und ihre primären Betreuungspersonen im Rahmen von Social Prescribing und Public-Health-Programmen zugänglich zu machen, ist es grundlegend, ihre Wirkung besser zu belegen.
Ausgehend von museumsbasierten Angeboten als „komplexe Intervention“ [
5] erscheint eine Verlagerung der Forschungsmethodik auf Mixed-Methods-Designs mit einer Kombination von Pre-post- und Follow-up-Tests mit qualitativen Daten sinnvoll. Aufgrund der Heterogenität der Studiendesigns, insbesondere von Follow-up-Studien, können von bisherigen Studien keine validen Aussagen zur Nachhaltigkeit von museumsbasierten Angeboten abgeleitet werden [
3,
16,
23]. Voraussetzung für die Vergleichbarkeit von zukünftigen Forschungsvorhaben sind veränderungssensible, theoriebasierte Messinstrumente und -methoden, die den Ansprüchen kunstbezogener Interventionsangebote gerecht werden und mit bereits bestehenden „Goldstandards“ der neurokognitiven und psychosozialen Diagnostik kompatibel sind [
3,
22]. Dergleichen sind derzeit noch nicht verfügbar und müssen mit Blick auf eine entsprechende Operationalisierung von kognitiven und psychosozialen Parametern und vergleichbarere Studiendesigns erst entwickelt werden [
3,
8].
Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass interessenbezogene und räumlich vorbestimmte Angebote in Museen nur für einen Teil der Zielgruppe „Menschen mit Demenz und ihre primären Betreuungspersonen“ relevant sind. Mit Blick auf die Ergebnisse der Metaanalyse [
7] hinsichtlich der potenziell besseren Wirksamkeit von kulturbezogenen Angeboten bei „jüngeren Alten“ sollten auch demografische Daten wie Bildungshintergrund, Wohnlage und räumliche Anbindung sowie Alter erhoben und in die Ergebnisauswertung einbezogen werden [
3,
16,
22,
23]. Mit Blick auf kostengünstige, gemeindenahe Unterstützungsangebote ist auch das Einbeziehen von Betreuungsdyaden mit Menschen mit fortgeschrittener Demenz notwendig [
22].
Damit ergeben sich für die Planung und Implementierung von museumsbasierten Angeboten zusätzliche Implikationen. Die in die systematischen Reviews inkludierten Studien beforschten Angebote, die von Forschenden und/oder Museumsbetrieben für die Zielgruppe entwickelt wurden. Damit muss von einer Limitierung der Zugänglichkeit auf Personen, die sich speziell für diese Programme interessierten, ausgegangen werden. Als notwendig für die zukünftige Entwicklung von zielgruppenorientierten, demenzgerechten museumsbasierten Programmen erachten die Autorenteams [
3,
16] die aktive Beteiligung der Zielgruppe an der Forschung im Rahmen von Patient Public Involvement and Engagement und entsprechen damit sowohl den Forderungen von Alzheimer Europe [
12] als auch der nationalen Demenzstrategie [
11]. Sollen museumsbasierte Programme von MmD und ihren primären Betreuungspersonen als öffentliche Ressource [
23], insbesondere im Rahmen des Social Prescribing [
18], genutzt werden, kann die Verknüpfung von Mixed-Methods-Designs mit dem Ansatz des Patient Public Involvement and Engagement [
15] einen zusätzlichen Vorteil für die Nutzbarkeit und Zugänglichkeit museumsbasierter Angebote für Menschen mit Demenz und ihre primären Betreuungspersonen bieten [
15,
16].