Feindseligkeiten unter Pflegenden Sie sind ein häufiges Phänomen. Durch Feindseligkeit wird die Zusammenarbeit erschwert, die Unzufriedenheit im Berufsalltag wächst und die Arbeitsmoral lässt nach. Die Arbeitsleistung verringert sich. Oft leidet auch das Privatleben unter dieser Situation.
Feindseligkeiten unter Kollegen werden überwiegend als Schikane bezeichnet. Dabei ist ein andauerndes schikanöses Verhalten gemeint, das auf die Erniedrigung und Abwertung durch Kollegen anderen Kollegen gegenüber abzielt. Es werden sowohl verbale Übergriffe als auch nonverbale Zeichen und rücksichtslose Handlungen beschrieben. Ziel dieser Angriffe ist es, das Selbstvertrauen und die Selbstachtung der Zielpersonen zu unterminieren, dadurch Kontrolle auszuüben und die eigene Person hervorzuheben. Die Abwertung kann sich auf persönliche und fachliche Eigenschaften der Zielpersonen beziehen. Feindseligkeiten werden sowohl offen als auch verdeckt durchgeführt. Seltener werden die Zielpersonen direkt angegangen, jedoch werden häufig uneindeutige Situationen hergestellt. Feindseligkeiten durchziehen meist die gesamte Pflegegruppe. Zumeist werden sie von einem Teil des Teams getragen, und gegen einzelne oder mehrere Kollegen ausgetragen. Dabei kommt es zu häufigem Stimmungswechsel sowohl in der ausführenden Gruppe als auch bei den Zielpersonen.
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Mangelnde Reflexion
Aus der feindseligen Grundstimmung heraus entwickelt sich eine Form von „normalem“ schikanösen Verhalten innerhalb der Gruppe und zwischen einzelnen Kollegen. Beklagt sich eine einzelne Person über die unterschwellige aggressive Stimmung oder auch darüber, dass über fachliches Fehlverhalten nicht offen gesprochen wird, werden diese Anmerkungen bagatellisiert und der Person eine Überempfindlichkeit unterstellt. Oft wird auch achselzuckend darauf hingewiesen, dass es sich um „Weiberwirtschaft“ handelt. Dass die männlichen Kollegen dieselben Verhaltensweisen zeigen, wird entweder ausgeblendet oder als Anpassungsverhalten bewertet. Neuen Mitarbeitenden, die das schikanöse Verhalten infrage stellen, wird oft geraten abzuwarten, bis sie selbst merken, dass es hier „nicht anders geht und man von Unfähigkeit umzingelt ist“. Damit verliert sich die Bereitschaft, gegen dieses Klima in der Gruppe aufzubegehren. Außer Acht gelassen wird, wieviel Energie und Arbeitsfähigkeit durch die permanenten Reibereien verloren gehen, und dass auch hierin ein wesentlicher Grund für Erschöpfung, Erkrankung und letztendlich auch für Arbeitsplatzwechsel liegt. Pflegepersonen, die sich nicht beteiligen, werden isoliert und durchaus auch gemobbt. Wenn es ihnen möglich ist, kündigen sie.
Feindseligkeiten in Gruppen führen zu massivem Stress. Das kann zu frühzeitiger Erschöpfung führen.
Beispiel 1: Monika und Erika gehen nach der Übergabe zusammen los, um den Bewohnern und Bewohnerinnen nach dem Mittagsschlaf aus dem Bett zu helfen. Schon bei der ersten Bewohnerin schlägt Monika die Bettdecke zurück und sagt zu Erika: „Schau Dir doch mal an, wie die im Bett liegt. Da siehst Du doch gleich, wer Frühdienst hatte. Manche Kollegen sind ja für alles zu doof.“
Dieses Beispiel zeigt ein häufiges Problem. Grundsätzlich ist es in Ordnung, die Arbeit von Kollegen zu kritisieren. Jedoch muss das offen kommuniziert werden, um die unterschiedlichen Vorstellungen in einen Konsens zu überführen. Das Verhalten hier ist destruktiv und fördert die Feindseligkeit.
Beispiel 2: Jonas bringt die Bewohnerin von ihrem Stuhl zur Toilette. Dabei wirkt er hektisch, was die Bewohnerin mit „bitte nicht so schnell“ kommentiert. Jonas entgegnet darauf, dass es heute alles schneller gehen müsse, weil nur drei Leute im Frühdienst sind. Dabei bemerkt er noch, dass eine davon zu nichts zu gebrauchen wäre und die andere „mit dem Hintern umwirft, was sie gerade mit den Händen aufgehoben hat.“ Am Nachmittag kommt die Tochter der Bewohnerin und beschwert sich, dass heute Morgen ja wohl nichts richtig gelaufen sei wegen des unfähigen Personals und dass ihre Mutter schlecht versorgt worden wäre. Darauf bemerkt eine Pflegeperson, dass sie nicht für den Frühdienst zuständig sei.
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Jonas hätte sich für sein drängendes Verhalten entschuldigen und den Sachverhalt erläutern können. Stattdessen rechtfertigt er sich, indem er die Kolleginnen diskreditiert. Das ist absolut unangemessen und allen Personen gegenüber feindselig. Wenn die Arbeitsleistung der Kolleginnen nicht seinen Vorstellungen entspricht, kann er das mit den beiden besprechen, bei der Leitungsperson thematisieren und einer Lösung zuführen. Auf keinen Fall darf die Bewohnerin in dieser Form damit konfrontiert werden. Die Problematik geht in diesem Beispiel über die konkrete Situation hinaus. Sie wird in den Spätdienst getragen und führt auch hier zu frustrierendem Erleben. Die Kolleginnen vom Spätdienst fühlen sich durch die Angehörige in die Verantwortung genommen, die sie berechtigt, aber wenig souverän ablehnen.
Beispiel 3: Auf der Hand- und Armchirurgie kommt eine Pflegekraft zum Verbandwechsel in das Zimmer der drei Patienten. Sie ist heute Aushilfe und arbeitet normalerweise auf einer internen Station. Schon beim ersten Handverband fällt auf, dass ihr die Erfahrung hierzu fehlt. Die Verbände der Patienten lösen sich innerhalb des Vormittags. Darauf legt die Pflegekraft die Verbände neu an und erklärt dabei ihre Situation. Einer der Patienten sagt, dass doch der Pfleger, der sonst Verbände mache, im Dienst sei und fragt, warum der das nicht übernehme. Die Vertretungskraft berichtet, dass der Pfleger das abgelehnt hätte, weil es auf der Station üblich wäre, dass die jeweilige Pflegeperson für alle Aufgaben in dem zugewiesenen Bereich zuständig wäre. Am Nachmittag hatten sich die Verbände wieder gelöst und wurden von dem jetzt anwesenden Stationsleiter erneuert. Auf die Situation angesprochen bemerkt dieser, dass er auch nicht wisse, wie manche zu ihrem Examen gekommen wären, wenn sie nicht mal die einfachsten Aufgaben ausführen könnten. Das habe er der Kollegin auch zu verstehen gegeben. Im Übrigen sollten die Patienten das doch der Pflegedienstleitung mitteilen, damit die endlich begreift, dass es sinnlos ist, Personal von anderen Stationen zu schicken.
Das dritte Beispiel stellt sich wesentlich komplexer dar. Die Mitarbeiterin wird mehr oder weniger bewusst bloßgestellt. Konstruktiver Umgang hätte bedeutet, die Fähigkeiten der fachfremden Pflegeperson zu sehen und diese entsprechend einzusetzen sowie die spezifische Fachkompetenz durch den anderen Kollegen einzuholen. Das ist ein Planungs- und letzten Endes ein Stationsleitungsversagen, was jedoch nicht reflektiert wird, sondern sich in Feindseligkeit der Kollegin und der Pflegedienstleitung gegenüber zeigt. Auch hier wurden die Patienten in die Feinseligkeit einbezogen, um sich selbst als Opfer der Situation darzustellen.
Arbeitsrechtliche Aspekte
Arbeitnehmer sind zu einem respektvollen Umgang mit Kollegen und Leitungspersonen verpflichtet. Sozial übliche, insbesondere fachliche Kritik ist zulässig. Feindseligkeiten, wie herablassende Bemerkungen, Beleidigungen und Unwahrheiten sowie illoyales Verhalten den Kollegen, den Leitungspersonen oder dem Unternehmen gegenüber, sind unzulässig. Sie stellen eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dar. Darauf darf seitens des Arbeitgebers mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen reagiert werden. Das Feedback des Arbeitgebers hängt von der Schwere des despektierlichen Verhaltens ab. Üblicherweise wird durch die fachliche Leitung zunächst eine mündliche Ermahnung ausgesprochen, um auf das Fehlverhalten hinzuweisen und zu verdeutlichen, dass solches Verhalten unerwünscht ist. Wiederholt sich entsprechendes Benehmen, kann eine Abmahnung erteilt und bei Nichtunterlassen die Kündigung ausgesprochen werden. Da Feindseligkeiten am Arbeitsplatz in der Regel jedoch nicht nur von einer konkreten Person ausgehen, sondern das ganze Team durchdringen, können auch andere Maßnahmen, wie Auflösen des Kollektivs und Versetzungen in andere Bereiche erfolgen.
Feindseligkeiten führen zu Stress, der sich nachweislich negativ auf die Arbeitsleistung auswirkt. Die permanenten Auseinandersetzungen mit Schikanen bindet Energie und Konzentration. Das kann zu frühzeitiger Erschöpfung führen.
Ein wesentliches Problem im Umgang mit Feindseligkeit besteht darin, dass schikanöses Verhalten ein kollektives Phänomen darstellt und von den ausführenden Personen als normal angesehen wird. Häufig wird das Verhalten durch äußere Umstände begründet und damit gerechtfertigt.
In den meisten Fällen werden die Zielpersonen als Ursache des Problems angesehen. Eine sachliche Situationsanalyse findet nicht statt und ist oft auch nicht erwünscht.
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Um die Gesamtsituation zu verbessern, braucht es Leitungspersonen mit entsprechender Lenkungskompetenz, um konstruktiv einzuwirken und eine Teambildung voranzubringen.
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