Die Amerikanerin Cory Lord ist in einer mobilen Hausarztpraxis angestellt, die Ärzte und Advanced Practice Nurses zur medizinischen Betreuung in Pflegeheime und betreute Wohnanlagen in und um Lakeland/Florida schickt. Sandra Bensch sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Werdegang.
Dr. Cory Lord, Primary Care Nurse Practitioner in Lakeland/Florida © privat.
Dr. Lord, ich habe Sie heute bei Ihren Terminen mit Bewohnerinnen und Bewohnern und bei Gesprächen mit Pflegenden begleitet. Beeindruckend! Beschreiben Sie doch mal Ihren Werdegang!
Lord: Oh, der hat einige Bausteine! Ich arbeite heute als Advanced Practice Registered Nurse (APRN) in Lakeland/Florida (USA). Begonnen hat meine Berufskarriere mit 20 Jahren. Damals ließ ich mich zur Pflegeassistentin ausbilden. Dann kamen ein Bachelor und ein Master of Nursing (BSN, MSN) hinzu. Fünfzehn Jahre später saß ich wieder auf der Schulbank und schloss ein Studium als Doctor of Nursing Practice (DNP) ab. Ich bin bei der American Academy of Nurse Practitioners als Nurse Practitioner für Erwachsene zertifiziert. Und mein Spezialgebiet ist die Betreuung und Versorgung älterer Menschen.
Was meinen Sie damit?
Lord: In den USA wohnen ältere Erwachsene, die gesund bleiben, sicher leben wollen und dennoch etwas Unterstützung und Dienstleistungen benötigen, in betreuten Wohnanlagen. In Florida gibt es kein Fachpersonal in den Wohnanlagen, medizinische Dienstleistungen müssen von außen erbracht werden. Medizinisch betreut werden die Bewohner*innen durch Ärzt*innen und Advanced Practice Nurses von außerhalb. Mit meiner Arbeit trage ich dazu bei, die Zahl an Krankenhauseinweisungen zu reduzieren. Das senkt die Kosten im Gesundheitswesen sowie die Morbidität und Mortalität der älteren Bevölkerung.
Das klingt komplex und sehr verantwortungsvoll.
Lord: Als Primary Care Nurse Practitioner ist es meine Aufgabe, Gesundheitsprobleme zu diagnostizieren, geeignete Medikamente, diagnostische Tests und Therapien anzuordnen sowie präventive Maßnahmen zu veranlassen. Dafür arbeite ich eng mit dem Arzt zusammen, in dessen Hausarztpraxis ich angestellt bin. Gemeinsam wollen wir den Behandlungsprozess bei Patientinnen und Patienten mit komplexen Gesundheitsproblemen bestmöglich optimieren.
Und was machen Sie genau?
Lord: An einem typischen Tag sehe ich zwischen 20 und 22 Patientinnen und Patienten. Dabei werde ich von meiner Assistentin, einer Licensed Practical Nurse, begleitet. Sie dokumentiert Zustand, Prozesse und Anordnungen - alles in ein Tablet. Wir bieten den Familien der Bewohnerinnen und Bewohner einen Zugang zu den elektronischen Daten an. Das ermöglicht ihnen, sich an der Gesundheitsversorgung ihrer Angehörigen zu beteiligen.
Gerade haben wir das Poster zu Ihrer Doktorarbeit über Sturzprävention betrachtet. Warum haben Sie sich dieses Thema ausgesucht?
Lord: Während meiner Studienzeit zum Doctor of Nursing Practice entwickelte ich ein großes Interesse an der Sturzprävention. Weil ich die damit verbundene Morbidität und Mortalität bei älteren Menschen reduzieren wollte, habe ich ein Programm für Menschen, die im Pflegeheim wohnen, entwickelt. Struktur im Tagesablauf und regelmäßige Mobilisation sind wichtig. In der betreuten Wohnanlage, in der wir heute sind, lag vergangenen Oktober die Sturzrate bei 0%, vorher bei circa 3,3%. Das gelingt nur, wenn neues Personal in Sturzprävention geschult wird und mit dem bestehenden Personal gleichzieht.
Was empfehlen Sie der deutschen Langzeitpflege?
Lord: In den USA arbeiten Advanced Practice Nurses autonom und erbringen eine hochwertige Versorgung für ältere Menschen. Und das wird wertgeschätzt. Laut einer Umfrage der Gallup-Organisation (2023) ist die professionelle Pflege in den USA der ehrlichste und ethischste Beruf und das zum 22. Mal in Folge. Ich hoffe, Sie haben eine vergleichbare Umfrage in Deutschland und nutzen das Ranking als Argument, um eine Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau für ältere pflegebedürftige Menschen anzubieten. Ich wünsche der professionellen Pflege in Deutschland, dass sich die Pflegeausbildung stärker akademsiert, um ähnliche Ziele zu erreichen.
Das Interview führte Prof. Dr. Sandra Bensch.