Er ist Intensivkrankenpfleger und Medfluencer. In der letzten Zeit hat er mit Beiträgen über Kolleg*innen, die während der Arbeitszeit live streamen und dabei auch sensible Patientendaten preisgeben, für Aufsehen gesorgt.
Kevin Hartwig kritisiert Kolleg*innen, die während der Arbeitszeit live streamen und dabei auch sensible Patientendaten preisgeben.
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Herr Hartwig, was ist Ihre Motivation, Datenschutzverstöße im Gesundheitswesen zum Thema Ihrer Videos zu machen?
Hartwig: Durch meine Tätigkeit als Medfluencer wurden mir diese Livestreams aus Pflegeeinrichtungen angezeigt. Zunächst war ich schockiert, dass Kolleg*innen - meistens Pflegekräfte - sensible Patientendaten preisgeben, ohne über rechtliche Konsequenzen oder Berufspflichten nachzudenken. Diese Livestreams werden auf TikTok täglich geteilt. Dabei werden Patient*innen beleidigt, Livestreams am Patientenbett gedreht, wobei Patient*innen sogar zu hören waren, Namen und Adressen veröffentlicht. Da einige Kliniken, in denen diese Pflegekräfte nachweislich arbeiten bzw. gearbeitet haben, mir nicht antworteten und diese Fälle nicht ernst nahmen, entschied ich mich in regelmäßigen Abständen auf diese Missstände aufmerksam zu machen.
Welche Gefahren sehen Sie, wenn Pflegekräfte auf Plattformen wie TikTok oder YouTube Inhalte aus ihrem Arbeitsumfeld posten?
Hartwig: Grundsätzlich finde ich es gut, über den Beruf der Pflegefachfrau bzw. des Pflegefachmanns in den sozialen Medien aufzuklären und Bewerber*innen für die Ausbildung zu gewinnen. Livestreams auf der Arbeit bergen aber die Gefahr, dass personenbezogene Daten aus der Situation heraus im Stream zu sehen sind. So passiert es, dass konkrete Patientendaten für eine große Zuschauerschaft veröffentlicht werden. Dazu kommt, dass Pflegekräfte, die Inhalte auf Social Media teilen, dies oft der Patientenversorgung vorziehen.
Warum veröffentlichen Kolleg*innen solche Informationen?
Hartwig: Ich denke, dass die meisten Pflegekräfte Patientendaten nicht absichtlich veröffentlichen. Hier spielt u.a. die Medien- aber auch die Sozialkompetenz eine große Rolle, besonders in unserer digitalisierten Welt. Pflegekräfte, die während der Arbeitszeit live streamen, ist meist nicht bewusst, wie viele Menschen Zugriff auf diese Inhalte haben. Die Plattform TikTok ist bewusst so konstruiert, dass die Ersteller solcher Videos/Livestreams schnell den Eindruck bekommen, mit ihren Inhalten „berühmt“ zu werden. Teilweise steckt auch ein monetäres Interesse dahinter, da man mit Livestreams Geld verdienen kann.
Wie reagieren Pflegeeinrichtungen auf Ihre Aufklärungsvideos?
Hartwig: Dadurch, dass ich in meinen Videos konkrete Angaben mache, nehmen die meisten Kliniken diese Beschwerden ernst. Es gab durch meine Veröffentlichungen Abmahnungen und Kündigungen, die ich als alternativlos ansehe. Durch meine Reichweite kann ich einen öffentlichkeitwirksamen Druck aufbauen, weshalb die Kliniken bemüht sind, alles vollumfänglich aufzuklären. Jedoch gibt es einige Klinikverbände, die auf diese Vorwürfe nicht reagiert haben.
Welche Risiken sind mit der Aufdeckung von Datenschutzverstößen verbunden?
Hartwig: Bei der Bearbeitung des Materials, welches datenschutzrechtlich relevant ist und auf meinem Kanal veröffentlicht werden soll, müssen sowohl die Community als auch ich mich selbstverständlich an den Datenschutz halten und Namen, Stimmen oder andere Daten zensieren, die Aufschluss über Patient*innen geben. Wichtig ist, dass die Community diese Inhalte nicht unzensiert weiter teilt, um sich nicht selbst strafbar zu machen.
Welchen Rat haben Sie für Pflegende, die auf sozialen Medien aktiv sein möchten, um Datenschutzprobleme zu vermeiden?
Hartwig: Ich setze mich für Datenschutzschulungen an Kliniken und in Pflegeheimen ein. Patientendaten sind ein hohes Gut, private Details über Patient*innen dürfen nicht preisgegeben werden. Grundsätzlich gilt, dass es eine Drehgenehmigung der Klinik und eine Erlaubnis des Arbeitgebers braucht, um überhaupt in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers filmen zu dürfen. Auch wenn eine solche Erlaubnis vorliegt, darf man selbstverständlich keine Patientendaten veröffentlichen. Achten Sie darauf, keinen direkten Bezug zu genauen Fällen herzustellen, denn schon die kleinsten Informationen über eine Person können Rückschlüsse zulassen. Wenn Sie als Pflegekraft Content erstellen, verhalten Sie sich immer professionell. Pflegekräfte sollten sich nicht entmutigen lassen, Pflege- und/oder Medizin-Content zu teilen. Besonders durch Social Media können wir als Content Creator eine Menge erreichen und für unseren schönen Beruf werben.
Das Interview führte Joana Rohr.