Das Moralverständnis und die Einstellungen von Pflegenden werden von Pflegeempfängerinnen und Pflegeempfängern intensiver als die messbaren Qualitätsmerkmale der Pflege reflektiert, da insbesondere die Soft Skills dadurch mitbestimmt werden. Das Maß an Freundlichkeit, Sympathie, Empathie und Komfort wird von den Empfänger/-innen von Pflege weitaus differenzierter erfasst (Sinclair et al.
2017) als die korrekte Qualität in der Umsetzung pflegerischer Interventionen. »Korrektheit« wird vor allem über den möglichst hohen Komfort bzw. die Schmerzarmut einer Intervention und die wahrgenommene Teamarbeit definiert (Attree
2001; Beattie et al.
2014; Gillespie et al.
2017).
Der ethische Aspekt von Qualität aus der Sicht der Empfänger/-innen stellt sich besonders in Situationen heraus, in denen Pflege als unzureichend oder unpassend beschrieben wird: Hier ist es vor allem die als Patientenrecht geltende Achtung der Würde (WHO
1994), die von Pflegeempfängerinnen und -empfängern und deren Vertreter/-innen vermisst wird (Chochinov
2013). Würde impliziert Wertschätzung und Gerechtigkeit, Mitbestimmung und Komfort in körperlichen, psychischen und spirituellen Bedürfnissen. Dem weit auslegbaren Konstrukt (Jacobson
2007) liegt einerseits eine Basiserwartung, ein gesellschaftliches Grundverständnis und andererseits ein Recht und ein nicht von außen reduzierbares, ein »unverletzliches« Gut zugrunde (Bielefeldt
2004, S. 23f.). Würde gilt als fundamental, sie kann einem Menschen nicht genommen werden (ebda.). Sie als Qualitätsmerkmal zu definieren, stellt die Selbstverständlichkeit der Achtung von Würde im pflegerischen Alltag infrage und räumt deren Missachtung ein. Im Kontext des Umgangs von Menschen miteinander wird Würde als die einzigartige Bestimmung des Seins einer Person definiert, eine Anerkennung der Einzigartigkeit, ein »Sehen« des Menschen (Chochinov
2013). Unter diesem Paradigma wird die Qualität der Pflege aus ethischer Perspektive unter den derzeitigen Bedingungen des Arbeitens im Krankenhaus, in der ambulanten Pflege oder in Einrichtungen der Seniorenpflege vor allem von Pflegenden selbst kritisch betrachtet (Chochinov
2013; Heijkenskjöld et al.
2010; Stievano et al.
2013). Der Zusammenhang zwischen pflegesensitiven Outcomes und Pflegeverhältniszahlen ist vielfach hergestellt (Aiken et al.
2014; Schreyögg und Milstein
2016). Bei der aktuell als hoch empfundenen Arbeitsdichte durch steigende Zahlen von Pflegebedürftigen und komplexen Anforderungen (Isfort
2018) sehen die Pflegenden den Anspruch an die nötige emotionale Zuwendung und emphatische Pflege nicht als erfüllt, zumal viele der von ihnen geleisteten unsichtbaren Tätigkeiten nicht wertgeschätzt werden (Sasso et al.
2017). Amiri et al. (
2016) verdeutlichen dabei einen Zusammenhang von moralischen Konflikten Pflegender und schlechter Pflegequalität, was wiederum zu einer Verschärfung der Arbeitssituation führen kann (Schürmann und Gather
2018).