Ein theoretisches Modell ist von Bedeutung, um einen Erklärungsrahmen für Zusammenhänge und Hintergründe von Qualität zu liefern und Aussagen über die Wirksamkeit von Maßnahmen und Interventionen machen zu können (Hasseler
2015). Die bisher eher eindimensionale Herleitung und Beurteilung von Qualität (zumeist Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) vernachlässigt die systemischen Einflüsse auf die Performanz der an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen (z. B. die systemischen Einflüsse soziales Umfeld, ökonomische, sozialrechtliche, pflegefachliche sowie medizinisch-naturwissenschaftliche Faktoren). Mit der Einteilung in Struktur-, Prozess und Ergebnisqualität wird ein noch nicht belegter bzw. noch nicht ausreichend untersuchter Zusammenhang von Strukturfaktoren auf Prozessfaktoren und auf Ergebnisindikatoren angenommen (Wan et al.
2010; Rudert
2016). Donabedian (
2005) weist kritisch daraufhin, dass eine reine Fokussierung auf Ergebnisqualität zahlreichen Limitationen unterliegt, da bspw. die Ergebnisse nicht zwingend die Stärken und Schwächen der Prozesse darstellen. Des Weiteren ist noch nicht geklärt, welche Ergebnisindikatoren zur Darstellung einer Ergebnisqualität relevant sind bzw. in welchen Kontexten diese einen Erkenntnisgewinn darstellen. So liegt bspw. keine Evidenz über eindeutige Zusammenhänge zwischen Personalzusammensetzung und Qualität der Pflege in den Langzeitpflegeeinrichtungen vor (Spilsbury
2011). Ähnlich formuliert Eberlein-Gonska (
2011) ihre Kritik am traditionellen Verständnis von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität, da damit die handelnden Personen und ihre Absichten nicht berücksichtigt werden. In der Gesundheits- und Pflegeversorgung beteiligte Personen können aufgrund bestimmter Intentionen eine Maßnahme durchführen oder sie unterlassen. Diese spielen für die Intervention und das entstehende Ergebnis eine erhebliche Rolle. Sie beeinflussen die Qualität der Versorgung. Als weiteren kritischen Aspekt führt sie die fehlenden interaktiven und gesellschaftlichen Dimensionen auf, die im linearen Qualitätsverständnis fehlen. Sie konstatiert, dass das Menschenbild, Vorstellungen über Menschenwürde oder Gerechtigkeit den Qualitätsbegriff im Gesundheitswesen beeinflussen (Eberlein-Gonska
2011). DiGiorgio et al. (
2016) reflektieren, dass zu diesen drei Ebenen nicht belegt ist, welche Informationen zu inkludieren wären, um diese angemessen darzustellen. Spilsbury (
2011) merkt kritisch an, dass der Fokus auf überwiegend klinische Outcomes (Ergebnisindikatoren) meist nicht die Qualität widerspiegelt, wie sie von Bewohnern und Familien eingegrenzt wird. Seiner Meinung nach besteht die Gefahr darin, dass die bisherige Forschung und Ergebnisse in der Qualitätsforschung auf die Relevanzbezüge von Stakeholdern abzielt, sodass das Qualitätsverständnis der Zielgruppen nicht abgebildet wird.
Die pflegerische Versorgung wird damit mit der Einteilung in Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität auf eine Mittel-Zweck-Relation zur Erreichung festgelegter Ziele reduziert, die die weiteren beeinflussenden Faktoren nicht berücksichtigt. Dazu gehört bspw. die Integration von sozialen, psychosozialen Interaktionen, von gesetzlichen und makrostrukturellen Bedingungen, von unterschiedlichen Interessen diverser Stakeholder etc. (Rudert
2016). Als weitere die Performanz beeinflussende Faktoren sind aus der Literatur u. a. zu entnehmen: Trägerschaft, Patienten-Personalschlüssel, Qualifikation des Personals, Zufriedenheit des Personals, Fluktuation des Personals u. w. m. (Werner et al.
2013). Einem auf theoretischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Modell von Qualität in der Pflege ist die Möglichkeiten inhärent, diese Erkenntnisse einfließen zu lassen und Qualität eher als systemisches und weniger als lineares Modell zu verstehen.
3.2.1 Begriff Qualität in der Qualitätsdebatte in Pflege und Gesundheit
Die Herausforderungen des Begriffs »Qualität in der Pflege« liegen v. a. darin, dass er bislang nicht angemessen und so umfassend definiert ist, dass sich daraus unstrittige Indikatoren zur Messung der Qualität ableiten lassen. Spilsbury (
2011, S. 733) formuliert diese Situation wie folgt:»Quality is an elusive and dynamic concept. Questions about quality are essentially questions about values: difficulties arise in quality measurement because of the diverse range of views, values, expectations and preferences held by different stakeholders… In nursing homes, understanding quality is even more complex because of its confounded regulations, debates about what would be measured to assess quality, case mix, facility characteristics and method of measurement.«
Ähnlich kritisieren auch DiGiorgio et al. (
2016) und Blumenstock (
2011), dass es keine universelle Definition von Qualität in der Pflege gibt. Kajonius und Kazemi (
2016) betrachten den Begriff Qualität in Gesundheit und Pflege als schwer definierbar und führen dies zum Teil auf die Kontextabhängigkeit und Multidimensionalität zurück.
Eine konkrete Begriffseingrenzung ist jedoch für eine angemessene Messung, Prüfung und Berichterstattung von elementarer Bedeutung. Erst ein theoretisch ausdifferenziertes Modell erlaubt die Herstellung der Zusammenhänge, die Qualität und ihre Erbringung beeinflussen sowie die systematische Ableitung von Kennzeichen/Merkmalen, Kriterien und Indikatoren des zu untersuchenden Phänomens. Eine Messung und Untersuchung von Qualität mit Hilfe von Indikatoren, die nicht auf der Grundlage eines Modells hergeleitet und erklärt werden können, birgt das Problem, dass ggf. nur Ausschnitte von Qualität oder nicht relevante Bereiche von Qualität untersucht werden können. Des Weiteren ermöglichen diese Ergebnisse dann nicht, die Einflussfaktoren und Prozesse so zu beeinflussen, dass Qualität sinnvoll verbessert werden kann.
Die Gründe für eine fehlende Definition sind vielfältig. Einer könnte darin liegen, dass nicht geklärt ist, was Pflege bzw. pflegerische Versorgung ist und was unter pflegerischer Versorgung verstanden wird. Es wird relativ schwierig sein, die Qualität von etwas zu bestimmen, wenn dieser Gegenstand nicht abschließend definiert und eingegrenzt ist. Es bleibt die Frage, von was die Qualität aus welchen Gründen und wie untersucht werden soll. Ähnlich argumentieren auch Savitz et al. (2005) diese Problematik. Es bleibt unklar, wie Qualität definiert und über Indikatoren angemessen untersucht wird, innerhalb der Gesundheits- und Pflegeprofessionen wie auch bei den Anbietern. Als weiterer Grund kann die Problematik angeführt werden, dass Qualität in der pflegerischen Versorgung nicht direkt beobachtet werden kann. Sie ist als theoretisches Konstrukt zu betrachten, das »durch geeignete Indikatoren als messbare Größe weiter operationalisiert werden muss.« (Blumenstock
2011, S. 148)
Trotz dieser skizzierten Problematik versuchen diverse Institutionen und Autoren Qualität begrifflich einzugrenzen.
Das Institute of Medicine definiert Qualität der Versorgung als »the degree to which health services for individuals and populations increase the likelihood of desired health outcomes and are consistent with current professional knowledge:« (IOM
1990). An dieser Definition sind zwei Aspekte bedeutsam: Zum einen wird die Wahrscheinlichkeit des Erreichens bestimmter wünschenswerter Outcomes definiert. Es wird demnach in Rechnung gestellt, dass die Institutionen und Einrichtungen des Gesundheitswesens diese Outcomes aufgrund diverser Umstände nicht zu 100 % erreichen können. Zum anderen werden die wissenschaftlichen Kenntnisse der an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen zugrunde gelegt. Diese werden für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung als natürlich gegeben vorausgesetzt. Damit ist dieser Definition die Vorstellung inhärent, dass sich die Qualitätserbringung, aber auch die wünschenswerten Ergebnisse der Gesundheitsversorgung abhängig von den wissenschaftlichen Kenntnissen verändern können. Mitchell (2008) kritisiert am Verständnis des IOM von Qualität in der Gesundheitsversorgung, dass diese den Eindruck erweckt, dass Qualität durch eine Auflistung von Indikatoren entwickelt werden kann, ohne einen Bezug zu einem Rahmen oder zu einem Verständnis vorzuweisen. Aus ihrer Perspektive könnte mit diesem Verständnis angenommen werden, dass diese aufgelisteten Faktoren dann den Standard darstellen, der Qualität in der Versorgung angemessen umfasst. Darüber hinaus führt sie kritisch an, dass die meisten Indikatoren mit negativen Outcomes und unerwünschten Reaktionen behaftet seien, wie eben Vermeidung von Tod, Erkrankung, Behinderung und weiteres mehr. Es sei jedoch von Bedeutung, positive pflegesensitive Indikatoren zu verwenden, wie bspw. Erreichen einer angemessenen Selbstpflege, Wahrnehmung des Wohlbefindens, Symptommanagement. Eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung ist sicher, effektiv, patientenzentriert, rechtzeitig, effizient und gerecht.
In der DIN ISO 900/8401 wird Qualität folgendermaßen eingegrenzt:
»Qualität ist die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Dienstleistung, die sich auf deren Eignung zur Erfüllung festgelegter Ziele oder vorgegebener Erfordernisse bezieht.« (DIN ISO 9004/8402).
Benes und Groh (
2011) beschreiben Qualität als eine nicht-physikalische Größe, deren Werte messbar sind, da es sich bei diesem Begriff um eine Vielzahl von Merkmalen und Eigenschaften handelt. Qualität wird demzufolge als eine Ansammlung von Merkmalen bezeichnet, mit deren Hilfe sie beschrieben und definiert werden könne. Qualität sei demnach nicht absolut und beziehe sich auf Erfordernisse und/oder auf vorgegebene Forderungen. Die Summe einzelner Forderungen ergeben Qualität. Übertragen auf die Pflege wird Qualität (Pflegequalität) als »Grad der Übereinstimmung zwischen Ergebnis und zuvor formuliertem Pflegeziel« (Donabedian
1966) dargestellt. Die Joint Commission definiert in ähnlicher Form Pflegequalität als »Grad, zu dem die Pflege die gewünschten Ziele erreicht und die unerwünschten Resultate unter Berücksichtigung des aktuellen Kenntnisstandes reduziert«. Kämmer (1998) fasst darüber hinaus verschiedene Definitionen zusammen, wonach Qualität der Grad der Übereinstimmung von Kundenerwartungen und der geleisteten Pflege unter Berücksichtigung des anerkannten, fachlichen Standards der Pflege sei. Nach Brandenburg (
1998) ist Pflegequalität zu verstehen als ein Ergebnis eines interprofessionellen Aushandlungsprozesses zwischen Patienten, Pflegenden, Ärzten und anderen therapeutischen Gruppen hinsichtlich der objektiven und subjektiven Kriterien der Förderung und Aufrechterhaltung der Selbstständigkeit und Gesundheit des Patienten. Dabei werden handwerklich-technische, kommunikative, organisatorische, kontextuelle und institutionelle Aspekte der Pflege als konstitutiv für den Qualitätsbegriff angesehen.
Neben produktbezogenen Qualitätsdefinitionen liegen auch kundenbezogene vor. So formulieren Seghezzi et al. (
2007, S. 34), dass Qualität »die Einheit einer Beschaffenheit sei, gemessen an den Bedürfnissen der relevanten Kundengruppen.« Campbell et al. (2000) verstehen in diesem Sinne darunter, dass Qualität davon abhängig ist, ob Individuen die Gesundheitsstrukturen und Prozesse der Versorgung in Anspruch nehmen können, die sie benötigen, und ob diese Gesundheitsversorgung effektiv ist. Ein kunden- oder individuenorientierter Qualitätsbegriff liegt vor, wenn bei der Qualität von Produkten oder Dienstleistungen von Unternehmen oder Organisationen die Kundenwünsche (Bedürfnisse und Erwartungen) bzw. der Grad der Erfüllung der Kundenwünsche in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt wird. Ein kundenbezogener Qualitätsbegriff betrachtet überwiegend die Merkmale des Produktes, die subjektiv von der Zielgruppe »Kunde« wahrgenommen werden (Henkel
2008). Geraedts et al. (
2011) fordern, dass es bei der Definition der Anforderungen an die Qualität darauf ankomme, die Anforderungen der verschiedenen Kundengruppen gleichberechtigt zu integrieren. Qualität ist demnach kein absoluter Wert, sondern vielfach in Beziehung zu Erwartungen und Wünschen zu verstehen (Stolle
2012).
Es ist erkennbar, dass in den pflegebezogenen Definitionen von Qualität ein produkt- sowie subjektbezogenes Verständnis offenbar wird, das inhaltlich angemessen gefüllt werden muss. Darüber hinaus lässt sich aus den pflegebezogenen Definitionen ebenso ein Zusammenhang von Kennzeichen, Kriterien und Indikatoren über die Zuordnung der verwendeten Begrifflichkeiten ableiten.
Aus dieser kurz skizzierten Debatte kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass für die Messung und Beurteilung von Qualität in der pflegerischen Versorgung ein systematisches Verständnis von Qualität erforderlich ist, das die soziale, räumliche, materielle, gesellschaftliche und institutionelle Umwelt einbezieht. Ein systematisches bzw. theoretisches Qualitätsverständnis hat das Potenzial, die Mehrdimensionalität pflegerischer Prozesse und daraus resultierender Performanz der pflegerischen Versorgung zu verdeutlichen.
3.2.2 Begriffe Kennzeichen – Kriterien – Indikatoren
Die in Abschn.
3.2.1 kurz skizzierte Debatte zu Definitionen von Qualität in der Pflege zeigt, dass diese einen abstrakten Rahmen bilden, der inhaltlich gefüllt werden muss. Aus den aufgeführten Definitionen lässt sich ableiten, dass diese zunächst Kennzeichen/Merkmale des Phänomens Pflege fokussieren, die bestimmte Ziele (Kriterien) erfüllen müssen. Diese Zielerfüllungen werden über sinnvolle Indikatoren gemessen. Tab.
3.1 stellt diesen Zusammenhang übersichtlich dar:
Tab. 3.1
Begriffe/Quellen. Kennzeichen/Merkmale. Kriterien. Indikatoren
| Beschaffenheit | Bedürfnisse | - |
| Pflege- [tätigkeiten] | zuvor formulierte Pflegeziele | Grad |
Joint Commission | Pflege- [tätigkeiten] | Gewünschte Ziele | Grad |
Kämmer (1998) | Geleistete Pflege | Erwartungen | Grad |
Mit anderen Worten: Die inhaltliche Darstellung von Qualitätsvorstellungen erfolgt demgemäß über
Kennzeichen/Merkmale. Die Kennzeichen/Merkmale beschreiben einen Gegenstand und können in der Definition von Qualitätsvorstellungen in eine Hierarchisierung bzw. Taxonomie überführt werden. D. h., es liegen Kennzeichen/Merkmale innerhalb einer auf theoretischen und wissenschaftlichen Grundlagen hergeleiteten Kennzeichen/Merkmalsbeschreibung vor, die den Bereich bzw. den Gegenstand prägnanter darstellen als andere, die eher randständig den Gegenstand/Bereich beschreiben. Darüber hinaus ist Qualität nichts Absolutes, da es sich beim Begriff Qualität um eine Vielzahl von Kennzeichen/Merkmalen und Eigenschaften handelt, die einem ständigen Wechsel unterworfen sind. Die Kennzeichen/Merkmale und Eigenschaften beziehen sich auf gegebene Erfordernisse und/oder auf vorgegebene Forderungen. Erst in der Summe einzelner Forderungen ergibt sich folglich Qualität (Benes und Groh
2011). Auf der Suche nach geeigneten Kennzeichen/Merkmalen wird es somit keine abschließenden Auflistungen geben können. Auch ist nicht jedes Kennzeichen/Merkmal für die Prüfung und Berichterstattung von Qualität geeignet, da nicht alle in geeigneter Weise die Performanz der Einrichtungen der Langzeitpflege darstellen. Für die Beurteilung von Qualitätskennzeichen/Merkmalen ist es erforderlich, Anforderungen, Erfordernisse oder Erwartungen festzulegen (Hasseler und Fünfstück
2015).
Kriterien sind als Eigenschaften zu verstehen, deren Erfüllung als Voraussetzung einer qualitativ hochwertigen Versorgung im Gesundheitswesen erwartet wird (Geraedts et al.
2002). Nach Donabedian (
1980) sind »Kriterien […] zählbar und messbar und dienen der Evaluation der Qualität«. Für die Kriterien wird eine Anforderung bzw. Zielvorgabe festgelegt, die in der Qualitätsprüfung erfüllt werden soll. An dieser Vorgabe gilt die Orientierung, ob das Kriterium mit »ja, erfüllt«, »nein, nicht erfüllt« oder ggf. »teilweise erfüllt« beurteilt werden kann. Um das Kriterium anhand einer Messung beurteilen zu können, muss ein Maß und ein Messinstrument vorliegen. Nur über ein Maß kann das Kriterium differenziert eingeschätzt werden. Die Maßeinheiten, die die Angabe eines erreichten Grades bzw. Niveaus ermöglichen, sind die Indikatoren, die zu jedem Kriterium notwendig sind und wie die Merkmale und Kriterien theoriefundiert und möglichst evidenzbasiert ermittelt werden müssen.
Kennzeichen/Merkmale von Qualität in der Pflege werden demgemäß auf der Grundlage von Kriterien beurteilt. Auch bei den Kriterien ist eine Mehrdimensionalität zu konstatieren, da die Anforderungen durch die »verschiedenen interessierten Parteien« sehr heterogen ausfallen können. Im Bereich der Langzeitpflege sind als Interessengruppen u. a. die Leistungsempfänger, die Pflege(fach)kräfte, das Einrichtungsmanagement, Träger, Behörden u. w. m. zu nehmen. Für die Bestimmung, ob ein Kriterium erfüllt, nicht erfüllt oder nur teilweise erfüllt wurde, müssen wiederum ein Maß und ein Messinstrument vorliegen, da nur über ein Maß das Kriterium differenziert eingeschätzt werden kann. Dafür sind theoriefundierte und evidenzbasierte Indikatoren erforderlich, die den zu erreichenden Grad bzw. das zu erreichende Niveau als Maßeinheiten angeben.
Qualitätsindikatoren sind in aller Regel quantitative Messungen und Ergebnisse, die die professionelle pflegerische Versorgung darstellen. Sie unterstützen ein Monitoring in der pflegerischen Versorgung und eine Evaluation in Bereichen, die für die Maßnahmen in der Pflege relevant sind (Nakrem et al. 2009). Prinzipiell sollten Indikatoren im Zusammenhang mit Qualitätsprüfungen und Qualitätsberichterstattung eine Bewertung der Performanz von gesundheits- bzw. pflegebezogenen Prozessen und Ergebnissen ermöglichen (Mainz
2003). Sie messen die Ergebnisqualität in der pflegerischen Versorgung. Sie sind Maße, deren Ausprägungen zwischen guter und schlechter Qualität von Strukturen, Prozessen und Ergebnissen in Gesundheit und Pflege unterscheiden (Geraedts et al.
2002). Somit bestimmen Qualitätsindikatoren die Qualitätslevel oder Schwellen, die zwischen guter und schlechter Qualität unterscheiden (Dyck
2005; Geraedts et al.
2002). Sie sind demzufolge »Messinstrumente und Hilfsgrößen, die den direkt nicht fassbaren Qualitätsbegriff abbilden« (Blumenstock 2011:155). Indikatoren basieren auf Standards, Leitlinien und systematischen Erkenntnissen in der Pflege oder Gesundheitsversorgung. Sie sollten auf der besten zur Verfügung stehenden Evidenz basieren und sich aus der akademischen Literatur ableiten (ebd. 2011) oder – wenn systematische Literatur fehlt – auf der Basis von Expertenpaneln bestimmt werden (Mainz
2003). Da Qualität in der Pflege ein multidimensionales Konstrukt ist, werden multiple Indikatoren für jeden relevanten Bereich der Versorgung benötigt, die Einsichten in die einzelnen Domänen von Qualität geben und umfassend Qualität in der Pflege messen (Arling et al.
2005; Rubin et al.
2001).
Es bleibt aber festzuhalten: Können aufgrund fehlender Referenzwerte und wissenschaftlich-systematischer Erkenntnisse keine Soll-Werte formuliert werden, so ist die Entwicklung eines Indikators nicht möglich. In diesem Falle bleibt die Qualitätsbeurteilung auf der Ebene der Kriterien (Hasseler und Fünfstück
2012).