01.04.2014 | Editorial
Psychotraumatologie im Alter
Erschienen in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie | Ausgabe 3/2014
Einloggen, um Zugang zu erhaltenAuszug
Während des zweiten Weltkriegs und der frühen Nachkriegszeit waren unzählige Menschen, besonders in der Zivilbevölkerung, einer Vielzahl von traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt. Für Menschen, die diese Zeit als Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erlebt haben, traten diese traumatischen Ereignisse in entscheidenden Phasen der psychischen Entwicklung auf. In Deutschland summierte sich die Zahl der Betroffenen von Luftangriffen, Flucht und Vertreibung, Verlust von Eltern im Krieg und sogar der Rekrutierung von Jugendlichen zum Wehrdienst zu einem hohen Anteil an der Gesamtbevölkerung. Bei der Volkszählung in der Bundesrepublik Deutschland 1950 waren von knapp 19 Mio. Menschen unter 25 Jahren etwa 3,3 Mio. Vertriebene und etwa 1,25 Mio. Menschen hatten ihren Vater durch den Krieg verloren. Davon waren 250.000 Vollwaisen [1, 6]. Unzählige weitere hatten die Schrecken der Luftangriffe auf deutsche Großstädte oder Artilleriebeschuss erlebt. Die meisten Angehörigen dieser Generation haben bislang kaum erforschte Bewältigungsstrategien gefunden, die ihnen ein Leben mit zwischenmenschlichen Beziehungen in guter sozialer und beruflicher Integration und ohne relevante psychiatrische Morbidität ermöglicht haben. Heute sind diese Menschen in einem Alter, in dem sie durch körperliche Erkrankungen, altersbedingte Verluste an Funktionalität, Rollenwechsel und alterstypische Erkrankungen des Gehirns vor neue Herausforderungen gestellt werden. In geriatrischen und gerontopsychiatrischen Kliniken und Einrichtungen der Altenhilfe fällt in den letzten Jahren immer häufiger auf, dass diese lange verschwiegenen traumatischen Erfahrungen aus der Kindheit und Jugend in belastender Weise zum Vorschein kommen: Sie werden von Patienten entweder direkt thematisiert oder sie sind Gegenstand von Halluzinationen oder wahnhaften Verkennungen bei demenziellen und deliranten Syndromen. Häufig entsteht erheblicher subjektiver Leidensdruck. …Anzeige