In diesem Kapitel widmen wir uns nun der Frage, wie die derzeitige Organisationsstruktur in stationären Langzeiteinrichtungen aussieht und versuchen dies mit der notwendigen Theorie zu untermauern. Im Rahmen einer ausführlichen Organisationsanalyse der österreichischen stationären Langzeiteinrichtungen, versuche ich, Zusammenhänge und Problemfelder bezogen auf die Anwendung nichtmedikamentöser Therapieformen zu verdeutlichen. So werden zu jeder MIBUK-Kompetenz die für die Organisationsanalyse relevanten Subsysteme analysiert.
Bereits bei der Analyse des Systems Milieu werden zahlreiche Aspekte, die einer nichtmedikamentösen Therapieform entgegenwirken, deutlich gemacht. So zeigt sich, dass dort, wo eine sehr ausgeprägte Orientierung an Zahlen vorherrscht, weitere wichtige Unternehmensaspekte wie Qualität der Leistungen sowie Kundenorientierung vernachlässigt werden. Dies wiederum führt zu Frustration in der Pflege, da die Orientierung an Zahlen, welche aus der Vergangenheit in die Zukunft transportiert werden, den eigentlichen Pflegeaufwand nicht darstellen können. Dies führt zu hohem Zeitdruck, welcher in der Arbeit mit nichtmedikamentösen Therapieformen mehr als kontraproduktiv ist. Ein ständiges Abwägen und priorisieren von Leistungen, die gemacht, und andere, die man vielleicht unterlassen kann haben schwerwiegende Folgen. Dieses Abwägen belastet Pflegende und führt nicht selten zu Frustration bis hin zum Burnout. Verstärkt wird dieses Phänomen durch eine lineare Organisationsform, welche oft einhergeht mit starren Vorgaben, die wenig Raum für individuelle Entscheidungen ermöglichen. Die Kommunikation von oben nach unten ist durch kurze Wege gekennzeichnet, jedoch von unten nach oben sind die Wege lang und die Führungsspitze wird häufig als weit weg von der Realität erlebt. Veränderung erscheint schwer oder gar nicht möglich, was wiederum für Hilflosigkeit sorgt. Damit wird ein lineares Denken gefördert, Querdenken ist eher nicht gefragt, was wiederum ein Indiz für ein strenges und starres System ist, das wenig Raum für kreative Lösungen lässt. Selbstverständlich ist dies nicht immer und überall der Fall, doch fördert das System diese Entwicklungen. Leider fehlt es auch an einheitlichen Qualitätsmaßstäben für Österreich, was kaum einen Vergleich unterschiedlicher personeller Ausstattung und der daraus abzuleitenden Qualität der Leistung zulässt. Vieles liegt im Graubereich, die Unterschiede sind enorm.
Letztendlich wird die personelle Ausstattung, wie von zahlreichen Experten bestätigt, nicht ausreichen und sie ist je nach Bundesländer sehr unterschiedlich. Fehlendes einheitliches Vorgehen und fehlende einheitliche Qualitätsstandards lassen viele Fragen offen. Dies alles hat natürlich auch Auswirkungen auf die Interaktion, die Art und Weise, wie Beziehungen geführt und gelebt werden. Womit wir zum Pflegeverständnis kommen, welches durch Zeitdruck und fehlende Qualitätsstandards durchaus nicht dem entspricht was unser MIBUK Konzept für Pflegekräfte erwartet. Dass dies Auswirkungen auf das Team und auch den Teamentwicklungsprozess hat, liegt auf der Hand. Letztlich wird im Rahmen der Biografie die Personalentwicklung Fort- und Weiterbildung, bezogen auf nichtmedikamentöse Therapieformen, kritisch hinterfragt. Auch hier lassen sich deutliche Defizite ausmachen. Zusammengefasst sei festgehalten, dass ein tiefgreifender Wandel im Bereich der stationären Langzeitpflege dringend erforderlich ist, fehlt es doch hier bereits an vielen Grundlagen, um nichtmedikamentöse Therapieformen bei BPSD angemessen und evidenzbasiert umzusetzen. Dass dies auch auf die Berufszufriedenheit und damit auf das Recruiting Einfluss nimmt, konnte in der Analyse deutlich gezeigt werden.
Sehr schön konnte auch die Wechselwirkung der unterschiedlichen Kompetenzen deutlich gemacht werden. Im Rahmen der theoriegeleiteten Analyse werden die Themen mit evidenzbasierter Literatur verglichen und Argumente für den notwendigen Veränderungsprozess aufgezeigt. Die theoriegeleitete Analyse zeigt uns jene Erkenntnisse auf, die notwendig sind, um im Rahmen eines kreativen Prozesses das System stationäre Langzeitpflege völlig neu zu denken. Zusammenfassend und pointiert sind tief greifende Reformen in den stationären Einrichtungen durchaus sinnvoll und sollten ein einheitliches Verständnis von Pflege, Betreuung und Therapie von BPSD beinhalten. Die unterschiedlichen Personalschlüssel zeigen massive Unterschiede und müsste dieser längst vereinheitlicht und aufgestockt werden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und multiprofessionelle Teams sind kaum vorhanden und könnten die Pflege deutlich entlasten. Die derzeitigen Rahmenbedingungen sind äußerst unterschiedlich und so unterschiedlich sind auch die Bedingungen zur Implementierung nichtmedikamentöser Therapieformen.