Zusammenfassung der Hauptergebnisse
Die Mehrheit der Befragten gab an, KFU in Anspruch genommen zu haben, und befürwortete eine Teilnahme der KFU bis ans Lebensende. Ein Viertel gab an, dass andere gesundheitliche Probleme im höheren Alter wichtiger sind als die Teilnahme an KFU, und vermutete, eher an einer anderen Erkrankung zu versterben. Die meisten wollten mit ihren Ärzten über die (Nicht-)Teilnahme an KFU sprechen und waren überzeugt, dass diese den Nutzen einer Teilnahme einschätzen können. Motive für die Teilnahme von KFU im Alter waren Regelmäßigkeit, Pflichterfüllung und Angst, die eng mit der Erwartung einhergingen, dass durch das frühzeitige Erkennen von Krebserkrankungen Hilfe und letztlich eine Lebensverlängerung möglich ist. Gründe, nicht an KFU teilzunehmen, waren mangelndes Interesse, fehlende Notwendigkeit oder ebenfalls Angst. Nachteile der (Nicht-)Teilnahme wurden wenig thematisiert.
Bedeutung der Ergebnisse und Vergleich mit der Literatur
Entgegen der sinkenden Inanspruchnahme von KFU im Alter gab die Mehrheit der Interviewten an, an KFU teilzunehmen [
15]. Wie in der amerikanischen Studie befürworteten die meisten, eine lebenslange Fortführung von KFU, und es bestand bei ihnen wenig Zweifel an dem Nutzen und dem lebensverlängernden Effekt [
11]. Dies entspricht aber nicht der gegenwärtigen Evidenz der meisten KFU [
1]. Im Gegensatz zu gleichaltrigen Amerikanern erachteten nur wenige der Befragten andere gesundheitliche Probleme als wichtiger oder sahen KFU von über 69-Jährigen als Zeit- und Geldverschwendung an [
11]. Eine regelmäßige und gewohnte frühere Teilnahme an KFU und die Vergewisserung bzw. Beruhigung, „nicht krebskrank zu sein“, wurden ebenfalls von den Befragten bestätigt und als wichtige Motive für die Teilnahme angegeben [
14]. Anders als bei amerikanischen Senioren spielten bei den Befragten Motive wie Pflichterfüllung gegenüber dem sozialen Umfeld und der eigenen Person wichtigere Rollen als die Empfehlung der Teilnahme durch den betreuenden Arzt [
14]. Hinter den Motiven, KFU im höheren Alter durchzuführen, steht bei mehreren Interviewpartnern die Erwartung, durch rechtzeitiges Erkennen von Krebserkrankungen erfolgreicher behandelt zu werden und somit länger zu leben.
Auch von den meisten der interviewten Menschen wird ein Nutzen der KFU bei über 70-jährigen Pflegeheimbewohnern gesehen. Das durchschnittliche Eintrittsalter in Pflegeheimen beträgt 81 Jahre; die Aufenthaltsdauer 30 bis 40 Monate [
19]. Die Lebenserwartung von 5 bis 10 Jahren, die angenommen wird, um von KFU profitieren zu können, ist bei den meisten Pflegeheimbewohnern [
1,
14,
18] nicht gegeben. Über die Hälfte der Befragten lehnte die Aussage, dass bei total Pflegebedürftigen oder Demenzerkrankten keine KFU mehr durchgeführt werden sollten, ab. Krebserkrankungen spielen als Todesursache nur eine untergeordnete Rolle; es gaben 10 % der Befragten an, an Krebs zu versterben. Für diese Einschätzung spielen Überlegungen zum Nutzen oder möglichen unnötigen Behandlungen vermutlich keine Rolle. Da die meisten Teilnehmer vom Nutzen der KFU überzeugt waren, stellt die Aufhebung der KFU eine ungerechtfertigte Unterlassung für die Befragten dar. Die TN nannten kaum Nachteile von KFU wie z. B. Überdiagnosen oder unnötige v. a. psychische Belastungen [
1,
18]. Die nNT sahen dagegen oft keine Notwendigkeit für KFU aufgrund ihres guten gesundheitlichen Zustands, zeigten vorab wenig Interesse für die Thematik oder sahen keinen Anlass, einen Arzt zu kontaktieren. Nachteile der Nichtteilnahme wurden von ihnen nicht genannt. Gesunde über 69-Jährige mit einer langen Lebenserwartung könnten am ehesten von einer KFU profitieren [
1].
Es lässt sich vermuten, dass die Entscheidungen für oder gegen eine Teilnahme an KFU von den meisten wenig hinterfragt und auf Basis unzureichender Informationen über krebsspezifische Mortalitätsraten, Risiken und Konsequenzen von KFU getroffen wurden. Dass die Entscheidung zur KFU nicht auf einer informierten Entscheidungsfindung beruht, bestätigen auch andere Untersuchungen [
12,
18]. Die Mehrheit der Befragten möchte mit ihrem betreuenden Arzt über die (Nicht-)Teilnahme sprechen und zeigt, im Gegensatz zu ihren amerikanischen Altersgenossen, hohes Vertrauen in Ärzte und deren Fähigkeit, den Nutzen einer KFU abzuschätzen [
11]. Es wird vorgeschlagen, dass zur Abwägung des Nutzen und der Risiken von KFU neben dem aktuellen Gesundheitszustand, Komorbiditäten und krebsspezifischen Mortalitätsraten die Lebenserwartung des Einzelnen sowie die persönlichen Präferenzen einbezogen werden [
1]. Die letztlich nur unsicher abzuschätzende Lebenserwartung darf thematisiert werden.
Die endgültige Entscheidung möchten die meisten Interviewpartner, wie auch ihre ausländischen Altersgenossen, selber treffen [
14]. Eine informierte Entscheidungsfindung ist jedoch nur möglich, wenn ausreichend über Risiken und Nutzen von KFU aufgeklärt wird [
12,
16,
18]. Evidenzbasierte Informationsbroschüren können das Wissen über Krebserkrankungen und KFU verbessern und fördern eine informierte Entscheidungsfindung für eine (Nicht-)Teilnahme [
16]. Wichtig ist Aufklärung darüber, dass eine Einstellung der KFU nicht auf ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen hindeutet, sondern als Resultat einer Abwägung des individuellen Nutzens zu verstehen ist [
16].
Schlussfolgerungen
Angesichts des unsicheren Nutzens der KFU bei Älteren sollte die Entscheidung für oder gegen eine KFU auf Basis objektiver Information sowie angelehnt an den individuellen Gesundheitszustand und die Gesundheitsziele des Patienten getroffen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass ältere Menschen wenig über Vor- und Nachteile nachgedacht haben oder über diese informiert worden sind. Sie haben aber ein Interesse an Aufklärung und einer autonomen Entscheidung. Sie sind bereit, über Themen, wie z. B. ihre Lebenserwartung zu sprechen. Mögliche Kriterien für eine Beendigung von KFU sollten in Leitlinienempfehlungen explizit ausgeführt werden. Studien zur Kommunikation von Vor- und Nachteilen der KFU bei Älteren existieren bislang nicht und sind notwendig.