Im klinischen Alltag sind die Chirurgin und der Chirurg immer wieder mit der Situation konfrontiert, Patienten mit kleineren oder größeren Hernien der vorderen Bauchdecke beraten zu müssen. Wie gefährlich ist die Hernie? Wann ist der richtige Moment, die Hernie zu operieren? Welche Operationstechnik ist bei dem individuellen Patienten empfohlen? Soll ein minimalinvasives Verfahren gewählt werden oder eine morphologische und funktionelle Bauchdeckenrekonstruktion erfolgen? Wie hoch ist das Risiko für Komplikationen ohne Operation und mit Operation? Wie wahrscheinlich ist ein Rezidiv nach der Operation? Wird sich durch die Operation die Lebensqualität verbessern? Um diese und noch andere Fragen im Alltag beantworten zu können und um in Zukunft mehr über ventrale und inzisionale Hernien zu lernen, ist eine Klassifikation nötig, welche die Vielseitigkeit des Hernienerscheinungsbilds und das Risikoprofil des Patienten zu einer prognostisch aussagefähigen Gesamtschau führt. Dass Hernienklassifikationen nur langsam Einzug in den klinischen Alltag finden, hat wahrscheinlich einerseits mit der relativen Harmlosigkeit der Herniendiagnose und andererseits mit dem Vertrauen des Operateurs auf seine intraoperative Fähigkeit, jeden Befund zufriedenstellend reparieren zu können, zu tun. In diesem Kapitel wird auf die Bedeutung einer Klassifizierung eingegangen, und die vorhandenen Klassifikationen werden zum Vergleich einander gegenübergestellt.