01.10.2012 | Originalarbeit
Geriatrietypische Multimorbidität im Spiegel von Routinedaten – Teil 2
Ambulante und stationäre Diagnosen bei geriatrisch versorgten und pflegebedürftigen Versicherten
Erschienen in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie | Ausgabe 7/2012
Einloggen, um Zugang zu erhaltenZusammenfassung
Hintergrund
Die demographiebedingt immer bedeutsamer werdende Versichertengruppe mit Multimorbidität im höheren Lebensalter stellt uns vor große gesellschaftliche, medizinische und pflegerische Herausforderungen. In unterschiedlichen Zusammenhängen kann die Identifikation von Versicherten mit geriatrietypischen Merkmalskomplexen (GtMK) Ansätze für neue Versorgungsangebote und Qualitätssicherungsmaßnahmen bieten.
Material und Methoden
In Teil 2 des Beitrags wird die versichertenbezogene Übereinstimmung von GtMK mit einer geriatrietypischen Multimorbidität (GtMM) anhand von GKV-Routinedaten aus unterschiedlichen Versorgungssektoren in Abhängigkeit von der Inanspruchnahme geriatrischer Krankenhausbehandlung und dem Vorliegen von Pflegebedürftigkeit nach SGB XI untersucht. Für AOK-Versicherte (Alter ≥ 60 Jahre, mindestens eine stationäre Behandlung in einem Krankenhaus mit geriatrischer Fachabteilung) wurde versichertenbezogen die Häufigkeit von GtMK und GtMM in stationären und ambulanten Diagnosedaten des Jahres 2008 ermittelt und der Grad an Übereinstimmung der Diagnosestellungen in den beiden Versorgungssektoren bestimmt. Die GtMM wurde dabei als Vorliegen von mindestens zwei GtMK definiert.
Ergebnisse
Auf der Grundlage ambulanter und stationärer Diagnosen der 240.502 eingeschlossenen AOK-Versicherten variierten die Anteile der 15 geprüften GtMK in ambulanten und stationären Diagnosen deutlich. In einzelnen GtMK überwogen Anteile in ambulanten (z. B. Schmerz, Seh-/Hörstörung) und in stationären Diagnosen (z. B. Flüssigkeits-/Elektrolythaushaltsstörung, Fehl-/Mangelernährung, Inkontinenz) deutlich. Nur selten wurden geringe Unterschiede zwischen den Anteilen einzelner GtMK in den Diagnosen der beiden Versorgungssektoren beobachtet. Dies begrenzt die sektorenübergreifende Übereinstimmung im Sinne eines gemeinsamen Vorliegens oder Nichtvorliegens eines GtMK in ambulanten und stationären Diagnosen erheblich. Der Schwerpunkt der Übereinstimmungen lag auf Nichtkodierungen der einzelnen GtMK weder in ambulanten noch in stationären Diagnosen. Geriatrisch versorgte sowie Versicherte mit Pflegestufe (PS) gemäß SGB XI wiesen regelhaft höhere Anteile an den einzelnen GtMK sowohl in stationären als auch ambulanten Diagnosen gegenüber nichtgeriatrisch versorgten bzw. Versicherten ohne PS auf. Hinsichtlich des Vorliegens von GtMM in ambulanten oder stationären Diagnosen zeigten sich sowohl bei geriatrisch Versorgten wie auch bei Versicherten mit PS Anteile von rund 90%, die deutlich über den GtMM-Anteilen bei nichtgeriatrisch Versorgten und Versicherten ohne PS lagen.
Schlussfolgerungen
Die Einbeziehung ambulanter neben stationären Diagnosedaten bietet umfassendere Identifikationsmöglichkeiten von Versicherten mit GtMM. Die beiden Versorgungssektoren tragen merkmals- und versichertenbezogen in sehr unterschiedlichem Umfang zur Identifikation einzelner GtMK und damit auch GtMM bei. Zudem zeigen sich deutliche merkmalsbezogene Überschneidungen von Versicherten mit Inanspruchnahme geriatrischer Versorgungsleistungen und Versicherten mit PS. Diese Überschneidungen könnten Ansatzpunkte für vereinfachte Identifikationsmöglichkeiten eines Teils von Versicherten mit geriatrietypischen Merkmalskasuistiken eröffnen.
Anzeige