Die fünf Systeme des menschlichen Langzeitgedächtnisses haben jeweils spezifische neurofunktionelle Grundlagen und sind unterschiedlich anfällig für anatomische und neurochemische Schädigungen des Gehirns. Die behavioralen und neurofunktionellen Charakteristika des episodisch-autobiographischen Gedächtnisses ermöglichen das Erinnern persönlicher Erlebnisse im Kontext der individuellen Lebensgeschichte eines Menschen. Das Kapitel fokussiert Prozesse des Lernens, der Gedächtnisbildung und die wichtigsten Gehirnstrukturen, die im Zusammenhang mit dem episodisch-autobiographischen Gedächtnis relevant sind. Das episodisch-autobiographische Gedächtnis basiert vorwiegend auf der Interaktion zwischen Gehirnregionen innerhalb eines komplexen fronto-temporalen neuronalen Netzwerks. Es erlaubt uns, eine Zeitreise in unsere persönliche Vergangenheit zu unternehmen und unsere Lebensgeschichte stets neu von einer aktuellen Situation aus zu rekonstruieren. Diese Form des Gedächtnisses hat daher auch eine besonders große Relevanz für die Entwicklung und Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen und Selbstkonzepten eines Individuums über die gesamte Lebensspanne hinweg. Kinder im Alter zwischen 3 und 4 Jahren können episodisch-autobiographische Erinnerungen abrufen. Sie zeigen jedoch eine stärkere Suggestibilität als ältere Kinder und Erwachsene und verwechseln nicht selten Orte, Menschen und Ereignisse. Die Kapazität des episodischen Gedächtnisses verstärkt sich deutlich bei Kindern bis zum Alter von 11 Jahren. Die Abrufgeschwindigkeit und -strategien entwickeln sich jedoch weiter bis in das frühe Erwachsenenalter. Im höheren Alter gesunder Menschen nimmt das episodisch-autobiographische Gedächtnis für rezente Ereignisse ab, bleibt jedoch in der Regel weitreichend unbeeinträchtigt für Kindheitserlebnisse. Es werden zudem Beeinträchtigungen episodischer Gedächtnisfunktionen bei Patienten mit Schädigungen bestimmter Strukturen des Gehirns diskutiert. Für eine erfolgreiche Behandlung beeinträchtigter Gedächtnisfunktionen bildet die neuronale Plastizität des Gehirns die ausschlaggebende Basis. Der Befund, dass Umweltbedingungen Konsequenzen für den Aufbau und die Funktion des Nervensystems haben, ist auch von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit therapeutischer Interventionen bei Personen mit Gedächtnisstörungen und anderen kognitiven Beeinträchtigungen infolge neurologischer oder psychiatrischer Erkrankungen. Dies ist auch insbesondere im Zusammenhang mit dem Auftreten von Posttraumatischen Belastungsstörungen und den damit typischerweise einhergehenden Gedächtnisdefiziten nach emotional belastenden Ereignissen von großer Bedeutung. Die neuronale Plastizität bildet insofern die Grundlage für die Wirksamkeit des Trainings von Gedächtnisleistungen. Wie jede andere Umwelterfahrung formt und re-modelliert das Gedächtnistraining funktionelle Systeme des Gehirns und ermöglicht durch die zielgerichtete Intervention eine Verbesserung von Gedächtnisleistungen. Sogar bei Patienten mit schwerwiegenden Gedächtnisdefiziten aufgrund neuroanatomischer Läsionen können andere intakte Gehirnstrukturen durch ein gezieltes Training viele Gedächtnisfunktionen übernehmen.