Zusammenfassung
Hintergrund
Ziel der Arbeit
Material und Methoden
Ergebnisse und Schlussfolgerung
In der Schweiz nimmt der Mangel an rettungsdienstlichem Fachpersonal trotz steigender Ausbildungszahlen stetig zu. Umstände und Gründe dieses Fachkräftemangels wurden bislang nicht differenziert beschrieben.
Diese Lücke soll mit dem vorliegenden Beitrag geschlossen werden. Um ein besseres Verständnis der Einflussfaktoren in Bezug auf Berufsverbleib und -ausstieg im Rettungsdienst zu erlangen und um Handlungsfelder zur Reduktion des Fachkräftemangels zu identifizieren, werden verschiedene Faktoren mit Einfluss auf Berufsverbleib und -wechsel nach soziodemografischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildungsweg und sprachregionalen Besonderheiten erfasst und analysiert.
Erstmals wurden in einer anonymisierten Onlineumfrage mit 23 Items systematisch Daten zum Berufsverbleib von Diplomierten Rettungssanitäterinnen und -sanitätern in allen Landesteilen erhoben. Hierfür wurden die Diplomandinnen und Diplomanden der Abschlussjahre 2008–2023 aller Schweizer Höheren Fachschulen Rettungssanität in drei Landessprachen adressiert (n = 2394).
Bei einem Rücklauf von 61 % (n = 1453) und einer im Vergleich zur Grundgesamtheit repräsentativen Verteilung für Geschlecht und Sprache konnten mehrere potenzielle Ursachen von Berufsausstiegen analysiert werden. So sind fehlende Karrieremöglichkeiten und Unzufriedenheiten mit Arbeitszeit- bzw. Schichtdienstmodellen die häufigsten genannten Gründe dafür, den Beruf zu verlassen. Die unterschiedlichen Anschlusslösungen nach Ausstieg aus dem Rettungsdienst, beispielsweise ein Verbleib im Gesundheitswesen oder ein Branchenwechsel, zeigen verschiedene Handlungsoptionen für die Arbeitgeber auf.
Hinweise
Redaktion
A. Lechleuthner, Köln
S. Poloczek, Berlin
D. Häske, Tübingen
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Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Die Ausbildung zur Diplomierten Rettungssanitäterin bzw. zum Diplomierten Rettungssanitäter (RS) an einer Höheren Fachschule (HF) in der Schweiz erstreckt sich über drei Jahre und ist der Tertiärstufe B zuzuordnen. Ende 2023 waren in den Schweizer Rettungsdiensten 7 % der Stellen für Dipl. RS HF unbesetzt [3]. Bereits zu Jahresbeginn hatte sich die Swiss Paramedic Association besorgt über den zunehmenden Fachkräftemangel in den Rettungsdiensten geäußert [9]. Allerdings wird das Thema Berufsverbleib im Rettungsdienst (RD) seit bald 20 Jahren ohne die erforderliche Datenbasis diskutiert [10]. Bislang war auf nationaler Ebene beispielsweise nicht bekannt, wie viele RS im Beruf stehen, wie lange diese im Beruf verbleiben oder welche Gründe zur Berufsaufgabe führen.
Während für RS eine systematische, datengestützte Betrachtung fehlt, wurden für pflegerische Berufe im sogenannten Versorgungsbericht die Fachkräftesituation und der künftige Bedarf errechnet [6]. Aktuell erfolgt zudem der Aufbau eines Monitorings für Pflegepersonal, in dem unter anderem Bestand, Zufluss ausländischer Fachpersonen, Kündigungsabsichten, Fluktuationsrate und Arbeitszufriedenheit erfasst werden sollen. Aber auch im RD bedürfen die Personalbedarfsplanung sowie die Argumentation zu damit verbundenen politischen Forderungen valider Daten.
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Bislang existierten kaum belastbare Daten zum Berufsverbleib im Schweizer Rettungsdienst
Der Interverband für Rettungswesen (IVR) hat für das Jahr 2023 erstmals eine Kennzahlenerhebung bei allen Schweizer RD durchgeführt [3]. Parallel dazu haben die HF für Rettungssanität (im Folgenden kurz Schulen) Angaben zum Berufsverbleib bei ihren ehemaligen Studierenden erfragt.
Diese Umfrage wurde vom Schweizer Institut für Rettungsmedizin (SIRMED) initiiert. Sie wird von allen sieben Schulen getragen und von der Swiss Paramedic Association, dem IVR und dem Forum Berufsbildung Rettungswesen (FBBRW) unterstützt.
Zielsetzung
Die Berufsverbleibstudie bei ehemaligen Studierenden Rettungssanität HF soll Informationen über deren Berufsverweildauer im RD, über Gründe für einen etwaigen Berufsausstieg und über die Art der Tätigkeit nach einem solchen Ausstieg generieren.
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Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Faktoren mit Einfluss auf Berufsverbleib und -ausstieg besser zu verstehen, für die beteiligten Akteure Handlungsfelder zur Erhöhung der Berufsverweildauer zu identifizieren und mittelfristig deren Wirkungen zu bewerten. Da keine passenden Erhebungsinstrumente zum Thema identifiziert werden konnten, wurde ein eigener Fragenkatalog entwickelt.
Dieser personenbezogene Fragebogen ergänzt eine bestehende jährliche Kennzahlenerhebung des IVR. Beide Erhebungen bezwecken, relevante Arbeitsmarktindikatoren wie die Arbeitslosenquote, die Quote offener Stellen, die Zuwanderungsquote, das Beschäftigungswachstum, den demografischen Ersatzbedarf und die Qualifikationsanforderungen zu erfassen [8]. Der folgende Beitrag zeigt detailliert die personenbezogenen Daten auf. Ein Gesamtbericht, der die hier berichteten Erkenntnisse in Relation zu den Kennzahlen des Schweizer Rettungswesens setzt, ist unter anderem auf der Website des IVR verfügbar [3].
Untersuchungsmethoden
Zur Erhebung der fehlenden Parameter wurde ein Set aus 23 offenen und geschlossenen Fragen erstellt, von den beteiligten Schulen validiert und von den unterstützenden Institutionen geprüft. Die so in mehreren Runden entstandenen Fragen wurden mit Studierenden des Studiengangs Rettungssanität HF getestet.
Zwischen Mitte Oktober und Mitte November 2023 erfolgte eine anonymisierte Onlineumfrage. Der Versand des Umfragelinks an ehemalige Studierende (n = 2394) erfolgte durch die Schulen in allen drei Landessprachen. Nach initialem Versand und flankierender Information über soziale Medien erfolgte eine Erinnerung 2 Wochen vor Befragungsende. Die Teilnahme war freiwillig und wurde nicht vergütet. Der Umfrageverteiler umfasste Dipl. RS HF ab Abschlussjahr 2008. Die Erhebung erfolgte mittels Findmind, St. Gallen, Schweiz, über einen Server in der Schweiz. Das Jahr 2008 wurde als Startdatum gewählt, da dies die verlässlichste Datenbasis versprach:
Im Jahr 2008 waren alle heutigen Schulen bereits aktiv.
Seit 2008 liegen durchgängig nationale Abschlusszahlen des Bundesamts für Statistik vor, die als verlässlicher Vergleichsmaßstab für den Rücklauf dienen1.
Da die Beteiligungsbereitschaft mit dem Abstand zur Ausbildung sinken kann, wurde auf weiter zurückliegende Jahrgänge verzichtet [5].
Datenauswertung
Vor Beginn der statistischen Auswertung wurden alle Angaben plausibilisiert und Freitextantworten, wo eindeutig möglich, recodiert und bestehenden Kategorien zugeordnet. Die statistische Auswertung der Ergebnisse erfolgte mit Python und verschiedenen Applikationen für die grafische Darstellung. Die Statistik erfolgte deskriptiv und gruppenvergleichend mit Blick auf Geschlecht, Sprache und Bildungshintergrund. Die mehrheitlich kategorialen Daten wurden nach Häufigkeit ausgezählt und nach den drei genannten Gruppen unterschieden. Das Signifikanzniveau wurde mittels Chi2-Test berechnet; folgende Definitionen wurden angewendet: p ≤ 0,05 (signifikant), p ≤ 0,01 (sehr signifikant) und p ≤ 0,001 (hochsignifikant).
Ergebnisse
Verteiler und Rücklauf
Der Rücklauf lag bei 1453 von 2394 angeschriebenen Adressaten und somit bei etwa 61 %. Ein Anteil von 95 % aller Teilnehmenden (1377 Personen) hat die Fragen vollständig beantwortet. Der Rücklauf pro Schule lag zwischen 43 und 69 % und pro Jahrgang zwischen 35 und 69 %. Der Rücklauf nach Geschlecht entspricht mit 45 % Frauenanteil etwa dem angeschriebenen Verteiler (47 %). Aufgrund der kleinen Gesamtzahl der italienischsprachigen Teilnehmenden (102 Personen bzw. 4 %) werden diese für die Auswertung unter der Überschrift „lateinische Sprachen“ mit den französischsprachigen Teilnehmenden zusammengeführt.
Aufgrund dieser Rücklaufcharakteristiken kann die Erhebung als repräsentativ angesehen werden. Da nicht alle Teilnehmenden auf alle Fragen geantwortet haben, kann die Fallzahl (n) pro Frage leicht variieren, was jeweils ausgewiesen wird.
Demografische Merkmale und Bildungshintergrund
Das arithmetische Altersmittel der Befragten beträgt 37 Jahre, der Median 35 Jahre mit einer Streuung zwischen 22 und 66 Jahren (n = 1432). Frauen sind durchschnittlich 2 Jahre jünger als Männer. Das eher geringe Alter ist damit zu begründen, dass die Befragung die Zielgruppe der Diplomjahrgänge 2008 und jünger umfasste.
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55 % der Befragten (n = 1429) sind Männer, 45 % Frauen, wobei der Männeranteil bei den deutschsprachigen Teilnehmenden signifikant niedriger liegt (50 %) als bei den Angehörigen einer lateinischen Sprache (69 %).
Die Vorbildung, das heißt der höchste Bildungsabschluss der Befragten bei Eintritt in die RS-Ausbildung, unterscheidet sich stark je nach Sprache der Befragten (n = 1420). So verfügt die große Mehrheit der deutschsprachigen Befragten über einen berufsorientierten Abschluss auf der Sekundarstufe 2 oder der berufsorientierten Tertiärstufe, während die Befragten der lateinischen Sprachen häufiger allgemeinbildende Vorbildungen als höchsten Abschluss angeben. Diese deutlichen Unterschiede (p < 0,001) sind typisch für das sprachregional geprägte Bildungssystem der Schweiz [7].
Aktuelle Tätigkeit
Von jenen 91 %, die im Beruf tätig geblieben sind, werden verschiedene berufliche Rollen angegeben: 90 % sind überwiegend ausfahrend im RD (inklusive Luftrettung) tätig, 13 % in der Führung, 7 % in der Ausbildung, 3 % in einer Sanitätsnotrufzentrale (SNZ), und 1 % wurde die Kategorie „Planung, Qualitätsmanagement, Administration“ zugeordnet (durch Mehrfachantworten ergibt die Summe einen Wert über 100 %).
Personen, die überwiegend in einer SNZ tätig sind, sind im Durchschnitt 4 Jahre älter als solche, die überwiegend ausfahrend im RD tätig sind. Personen in Ausbildungsrollen sind 3 und solche in der Führung 4 Jahre älter als solche im RD. Der Vergleich in Bezug auf die Berufsjahre nach Diplom zeigt, dass Personen in der SNZ 5 Jahre und Personen in der Ausbildung sowie in der Führung 3 Jahre länger im Beruf sind als solche im RD.
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Bei den Frauen ist ein signifikant höherer Anteil ausfahrend im RD tätig als bei den Männern. Hingegen sind mehr Männer als Frauen in der Führung tätig (p < 0,001). Hinsichtlich Vorbildung oder Sprache bestehen diesbezüglich keine signifikanten Unterschiede.
Unterbrechungen sowie Reduktions- und Ausstiegsabsichten der aktuell im Rettungsdienst Tätigen
Insgesamt haben 10 % der Befragten ihre Tätigkeit im RD oder in der SNZ nach Ausbildungsabschluss mindestens einmal unterbrochen (n = 1250), davon 37 % länger als ein Jahr. Am häufigsten geschah dies im Zusammenhang mit einer Nichterwerbstätigkeit inklusive Elternzeit (37 %), gefolgt von Reisen (34 %) sowie Aus‑, Fort- und Weiterbildung (23 %). Gesundheitliche Gründe wurden von 15 % angegeben.
Nach ihren Zukunftsplänen gefragt, halten es knapp drei Viertel der Befragten (74 % von n = 1247) für sehr oder eher unwahrscheinlich, das aktuelle Arbeitspensum im kommenden Jahr um mehr als 20 % zu reduzieren. Für rund ein Viertel ist dies sehr oder eher wahrscheinlich. Dabei bestehen keine signifikanten Unterschiede nach Geschlecht, Sprache oder Bildungshintergrund.
Jeder Vierte hält eine Arbeitspensenreduktion um mehr als 20 % im kommenden Jahr für wahrscheinlich
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Fast 80 % der Befragten (n = 1247) halten es für sehr oder eher unwahrscheinlich, dass sie in den nächsten 5 Jahren aus dem RD aussteigen wollen, rund 20 % halten dies für sehr oder eher wahrscheinlich. Auch hier unterscheiden sich die Angaben nicht nach Geschlecht, Sprache oder Bildungshintergrund.
Anders sieht diese Einschätzung für einen Ausstieg in 10 Jahren aus: Nur noch gut die Hälfte (57 %) der Befragten (n = 1247) schätzt einen Ausstieg als (eher) unwahrscheinlich ein, knapp die Hälfte hält dies für (eher) wahrscheinlich. Statistisch signifikante Unterschiede nach Geschlecht, Sprache und Vorbildung sind nicht erkennbar.
Nach den wichtigsten Gründen für die geplanten Austritte gefragt (Angaben von n = 532, Mehrfachantworten möglich), stehen an erster Stelle fehlende Karrieremöglichkeiten (16 %), gefolgt von Arbeitszeit/Schichtdienst (15 %) und Lohn (11 %), Letzteres bei Männern signifikant häufiger als bei Frauen (13 % vs. 9 %) und häufiger bei deutschsprachigen Befragten als bei Angehörigen einer lateinischen Sprache (13 % vs. 8 %).
Physische und psychische Arbeitsbelastung werden von 8 % bzw. 7 % angeführt. Dabei geben Frauen physische Belastung signifikant häufiger an als Männer (p < 0,01). Hinsichtlich psychischer Belastung ergeben sich keine signifikanten Unterschiede.
Nach einem geplanten Ausstieg würden 8 % der Befragten (n = 530) reisen. Deutlich mehr würden sich innerhalb des Gesundheitswesens beruflich verändern (32 %) oder das Gesundheitswesen verlassen (27 %). Rund ein Drittel ist sich noch nicht sicher, was er oder sie nach einem geplanten Ausstieg tun würde.
Allerdings gibt es bei den geplanten Austritten aus dem Beruf nur wenige Rückkehrabsichten: Nur 13 % der dazu Befragten (n = 617) geben an, wieder zurückkehren zu wollen, darunter mehr Frauen als Männer. Ein Drittel (34 %) der Befragten möchte nach einem möglichen Austritt nicht wieder in den Beruf zurückkehren. Über die Hälfte (53 %) gibt an, in Bezug auf eine mögliche Rückkehr unentschieden zu sein.
Tätigkeit außerhalb des Rettungsdiensts
Von besonderem Interesse für diese Untersuchung sind die 136 aus dem Beruf tatsächlich ausgestiegenen Personen (9 % von n = 1389). Von diesen sind die meisten (95 %) zwischen 30 und 54 Jahre alt. Deren durchschnittlicher Austrittszeitpunkt lag 7 Jahre nach Diplomexamen.
Nach 10 Jahren sind gut drei Viertel (77 %) der Ausstiege vollzogen. Dies unterscheidet sich jedoch nach Geschlecht: Unter den Frauen sind 50 % der Ausstiege nach 4,8 Jahren erfolgt, bei den Männern erst nach 6,4 Jahren. 50 % der Ausgetretenen haben den Beruf bis zum 42. Lebensjahr verlassen.
Hauptgründe für den realisierten Berufsaustritt (n = 136) waren – ähnlich wie bei den beabsichtigten Austritten – die fehlenden Karrieremöglichkeiten (16 %), gefolgt von einem gewünschten Berufswechsel (16 %) sowie Arbeitszeiten/Schichtdienst (12 %). Die Löhne spielten bei 8 % und physische oder psychische Belastungen bei rund 5 % der Befragten eine Rolle als Ausstiegsgrund. In Abb. 1 sind die Gründe der beabsichtigten und realisierten Ausstiege einander gegenübergestellt.
Abb. 1
Beabsichtigte (rot) und realisierte (blau) Ausstiegsgründe
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Nach vollzogenem Berufsausstieg (n = 136) geben 44 % der Befragten an, im Gesundheitswesen verblieben zu sein. In der lateinischen Schweiz verließen mehr Personen das Gesundheitswesen als in der Deutschschweiz (p = 0,002). Prospektiv geben nur 32 % an, nach einem Ausstieg noch im Gesundheitswesen arbeiten zu wollen.
Als Zielbranche geben 40 % jener mit vollzogenem Berufsausstieg (n = 76) den Dienstleistungsbereich an, gefolgt von öffentlicher Verwaltung (16 %), Sozialwesen (15 %) sowie Erziehung/Unterricht (11 %). Die am häufigsten genannten Berufe derer, die im Gesundheitswesen geblieben sind, sind Dipl.-Pflegeberufe mit und ohne Nachdiplomstudium (NDS; n = 61).
Einige Personen, die zum Zeitpunkt der Befragung nicht im RD arbeiteten, äußern Rückkehrabsichten. Allerdings ist rund die Hälfte der dazu befragten Personen (n = 77) in diesem Punkt unsicher. Ein gutes Drittel (37 %) plant, innerhalb des nächsten Jahres zurückzukehren, und 15 % möchten dies innerhalb von 5 Jahren tun.
Diskussion
Diese Analyse hat gezeigt, dass die RD-Ausstiegs-Rate der befragten ehemaligen Studierenden seit dem Jahr 2008 bei 9 % liegt. Die Rate ist im Vergleich zu den geschätzten Ausstiegen in der Diplom-Pflege (43 %, [4]) über alle Jahrgänge sehr niedrig. Der niedrige Wert ist damit zu erklären, dass eine junge Population von ehemaligen Studierenden seit dem Abschlussjahr 2008 befragt wurde. Die RD-Ausstiegs-Raten über die gesamte Erwerbsspanne konnten mit den vorhandenen Daten nicht berechnet werden – dazu wären weiter zurückliegende Jahrgänge erforderlich, auf die mangels verlässlicher Daten verzichtet wurde.
Trotzdem liefern die Ergebnisse neue Erkenntnisse zu den Rahmenbedingungen und Motivationen für einen Berufsausstieg von Dipl. RS HF. Die am häufigsten genannten Gründe sowohl für beabsichtigte als auch für realisierte Berufsausstiege sind fehlende Karrieremöglichkeiten und Arbeitszeit/Schichtdienst. Dass über die Hälfte derer, die wegen ungünstiger Arbeitszeiten den Beruf verlassen haben, im Gesundheitswesen geblieben ist, kann darauf hinweisen, dass andere Bereiche innerhalb der Branche diesen Bedürfnissen besser Rechnung tragen. Dass jedoch nur rund ein Drittel derer, die wegen fehlender Karrieremöglichkeiten den Beruf verlassen haben, im Gesundheitswesen geblieben ist, wirft Fragen nach attraktiven Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der Branche auf. Dass über die Hälfte der Ausstiegswilligen hinsichtlich des weiteren beruflichen Wegs bzw. der Rückkehrabsichten unsicher ist, könnte außerdem auf ein erhebliches Potenzial an Personen hinweisen, die mit besseren Karrieremöglichkeiten oder flexibleren Arbeitszeiten im Beruf gehalten bzw. in den Beruf zurückgeholt werden könnten.
Dass Personen, die in SNZ, in der Führung oder in der Ausbildung arbeiten, im Durchschnitt älter sind und länger im Beruf stehen als diejenigen, die ausfahrend im RD arbeiten, deutet auf mögliche Karrierepfade hin, die näher untersucht werden sollten, auch um Alternativen zur physisch anstrengenden Arbeit im RD anzubieten. Dass Frauen den Beruf früher verlassen als Männer, sollte unter anderem auch vor dem Hintergrund sich verschiebender Geschlechterverhältnisse berücksichtigt werden. Im Jahr 2017 lag der Frauenanteil im RD noch bei 30 % [2]. Er ist bei den Diplomjahrgängen schweizweit von 34 % im Jahr 2009 kontinuierlich auf zuletzt 60 % im Jahr 2023 angestiegen2. Umso wichtiger sind Maßnahmen, um Rettungssanitäterinnen in ihrem Beruf zu halten.
Interessantere Karrieremöglichkeiten und Arbeitszeitmodelle könnten die Berufsverweildauer erhöhen
Verschiedene Studien zeigen, dass neben der Erhöhung der Berufsverweildauer auch die Steigerung der Arbeitspensen ein wirksames Instrument zur Fachkräftesicherung sein kann [1, 6]. In dieser Erhebung gab ein Viertel der Befragten an, innerhalb des nächsten Jahres das Arbeitspensum um mindestens 20 % reduzieren zu wollen. Bei 318 Personen wäre das ein Verlust von 64 Vollzeitstellen („full time equivalents“ [FTE]), wenn alle diese Absicht im genannten Umfang von mindestens 20 % realisieren würden; 31 FTE wären es, wenn es diejenigen täten, die die Absicht als „sehr wahrscheinlich“ deklariert haben. Umso wichtiger sind flexible Arbeitszeitmodelle, die individuellen Arbeitszeitwünschen entgegenkommen [1]. Geplante Pensenerhöhungen wurden in dieser Studie nicht erhoben. Im Hinblick auf das aktuell durchschnittliche Arbeitspensum von 79 % [3] könnte ergänzend geprüft werden, welche Potenziale für höhere Arbeitspensen vorhanden sind. Eine durchschnittliche Pensenerhöhung um 5 % würde bei schweizweit 3014 RS [3] 151 FTE entsprechen und den aktuell bestehenden Fachkräftebedarf annähernd decken [3]. Hier spielen die individuellen Gründe für die Teilzeitpensen eine entscheidende Rolle, die in dieser Studie jedoch nicht erhoben wurden.
Limitationen und offene Fragen
Die Ergebnisse der hier vorgestellten Berufsverbleibstudie sind Limitationen unterworfen, die es bei der Bewertung und Interpretation der Daten zu berücksichtigen gilt:
Sogenannte Transportsanitäterinnen und Transportsanitäter (Assistenzpersonal im RD) wurden in dieser Untersuchung nicht adressiert. Von einer Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf diese Berufsgruppe sollte nicht ohne weitere Erhebungen ausgegangen werden.
Die Befragung reicht nur so weit zurück, wie es die Kontaktdaten der Schulen ermöglichen, mindestens bis zum Diplomjahr 2008. Mitarbeitende, die länger im Beruf sind, wurden nicht erfasst. Dies führt zu einer maximalen Tätigkeitsdauer von 2008 bis 2023.
Zugewanderte Fachkräfte aus dem Ausland wurden nicht berücksichtigt. Der wichtigste Rekrutierungsraum für das Schweizer Rettungswesen ist derzeit Deutschland, obwohl viele RD über abnehmende Bewerberzahlen aus Deutschland berichten (aktuell werden rund 20 Anerkennungsgesuche pro Jahr gestellt).
Die Studie leistet einen Beitrag zur Verbesserung der bisher lückenhaften Datenlage zum Berufsverbleib im RD3. Trotzdem bleiben verschiedene Fragen offen. Künftig wiederholte Befragungen sollen mit einem erweiterten Fragenumfang weitere Informationen über die Faktoren mit Einfluss auf den Berufsverbleib identifizieren. Dazu wird erforderlich sein, Daten zum Berufsausstieg über einen längeren Zeitraum und mit differenzierteren Informationen, etwa über individuelle Arbeitsmotivation, Arbeitszufriedenheit, Berufswege und Perspektiven, zu generieren.
Fazit
Fehlende Karrieremöglichkeiten, Arbeitszeiten/Schichtdienst und Löhne sind vor physischen und psychischen Belastungen die Haupursachen für den Berufsausstieg von Diplomierten Rettungssanitäterinnen und -sanitätern HF.
Ein Viertel der Befragten hält eine Reduktion des Arbeitspensums im kommenden Jahr um mehr als 20 % für wahrscheinlich.
Einige Berufsaussteiger verlassen zwar das Rettungswesen, verbleiben aber im Gesundheitswesen.
Über die Hälfte der Ausstiegswilligen ist hinsichtlich einer möglichen Rückkehr in den Rettungsdienst unsicher.
Arbeitgeber können in Kenntnis der wichtigsten Ausstiegsgründe Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und damit auf den Berufsverbleib nehmen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
H. Regener und I. Trede geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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