Hintergrund
Methodik
Inhaltsanalytische Vorstudie
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maximal 400 Wörter,
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Erhaltung für den Text wichtiger persönlicher Beispiele,
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weitgehende Kürzung ohne Veränderung der Kernaussagen und Argumentation.
Rekrutierung
Stichprobe
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Staatsangehörigkeit: 94 % deutsch, 6 % andere,
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Wohnsituation: 79 % eigene Wohnung, 12 % Seniorenresidenz/Pflegeheim, 9 % Sonstiges,
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Personen im Haushalt: 25 % allein lebend, 69 % zwei Personen, 6 % mehr als 2 Personen,
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höchster Bildungsabschluss: 13 % Volks‑/Hauptschule, 18 % mittlere Reife/Realschule, 8 % (Fach)Abitur, 28 % (Fach)Hochschulabschluss, 33 % Berufsausbildung.
Gruppe 1 (n = 309; in %) | Gruppe 2 (n = 303; in %) | Gruppe 3 (n = 298; in %) | |
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60–70 Jahre | 46,0 | 48,5 | 45,3 |
71–85 Jahre | 43,4 | 42,9 | 47,7 |
86+ Jahre | 10,6 | 8,6 | 7,0 |
Erhebungsinstrument
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Skala: emotionale Reaktion (Tab. 3); Cronbachs α = 0,891,
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Skala: Texteinschätzung (Tab. 4); Cronbachs α = 0,832,
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Skala: Verhältnis zwischen Alt und Jung (Tab. 5); Cronbachs α = 0,855,
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Skala: Altersselbstbild vorher (Tab. 6); Cronbachs α = 0,803,
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Skala: Altersfremdbild vorher (Tab. 6); Cronbachs α = 0,843,
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Skala: Altersselbstbild nachher (Tab. 6); Cronbachs α = 0,901,
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Skala: Altersfremdbild nachher (Tab. 6); Cronbachs α = 0,824.
Datenanalyse
Ergebnisse
Frame-Identifikation
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Frame 1 („Alter als Niedergang“) modelliert Alter als umfassendes Problem und Leidensschicksal. Hierzu wird ein Lebensabschnitt großer Hilflosigkeit und Fremdbestimmung illustriert, v. a. am Beispiel von in Pflegeheimen untergebrachten älteren Menschen. Diese können nicht gegen Unrecht, das ihnen widerfährt, angehen, sondern sind vielfach Ausgelieferte entwürdigender Alltagssituationen. Eng damit verknüpft ist die Darstellung von ausgeprägter Einsamkeit im Alter.
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Frame 2 („Alter als [Über]Macht“) inszeniert Alter als Machtfaktor, der das Gemeinwesen politisch, ökonomisch und institutionell neu ordnet. Senioren treten als organisierte politische Gruppe auf und vertreten ihre Interessen zusehends offensiv. Insofern lassen sich Ältere als dominante Einfluss- und Wirkgröße begreifen, der in Politik und Alltag aufgrund der schieren demografischen Entwicklung immer mehr Macht zufällt. Mit Ansprüchen an mehr Wohlstand bedrohen sie dabei die jüngere Generation.
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Frame 3 („Alter als neuer Aufbruch“) schreibt Alter ein äußerst positives Image zu. Es erscheint als späte Freiheit mit glücklichen, erfüllten und wohlhabenden Senioren. Im Vordergrund steht, wie sich die Werbe‑, Elektronik- oder Gesundheitsindustrie auf vermögende und selbstbestimmte „best ager“ umorientiert. Ebenfalls werden die geistige Fitness, Lebensfreude und physische Vitalität älterer Menschen gezeigt. Indem die „jungen Alten“ das Konsumverhalten und den Lebensstil ihrer Kinder und Enkelkinder imitieren, heben sie traditionelle Altersvorstellungen auf.
Frame | 1: Alter als Niedergang | 2: Alter als (Über)Macht | 3: Alter als neuer Aufbruch |
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Thematischer Kontext | Pflege, Sozialpolitik, Krankheit/Sterben, Euthanasie | Renten- und Sozialpolitik, demografischer Wandel, Alters- und Seniorenlobbys, politische Parteien, Generationengerechtigkeit bzw. -konflikte | Gesundheit und Fitness, Konsum/Lifestyle, Arbeitsmarkt, Elektronik/Technik/Medien, freiwilliges Engagement, (Weiter)Bildung, Familie und Partnerschaft |
Rolle älterer Menschen | Passiv | Aktiv | Aktiv |
Verhältnis Alt zu Jung | Abhängigkeitsverhältnis | Spannungsreiches oder konfliktäres Verhältnis | Harmonisches bis neutrales Verhältnis |
Bewertungstendenz im Hinblick auf Alter | Negativ | Negativ | Positiv |
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Frame 1: Wedemeyer G (2002) Wo auch die Würde stirbt. Stern, Nr. 31, S. 46–52,
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Frame 2: Reich F (2009) Die graue Macht. Stern, Nr. 28, S. 58–66,
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Frame 3: Gerbert F (2007) Golden oldies. Generation happy end. Focus, Nr. 51, S. 108–113.
Befragungsergebnisse
Der Text … | 1: Alter als Niedergang (n = 309; in %) | 2: Alter als (Über)Macht (n = 303; in %) | 3: Alter als neuer Aufbruch (n = 298; in %) |
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ärgert mich | 38,3 | 50,5 | 27,5 |
bedrückt mich | 73,9 | 39,6 | 26,2 |
bringt mich zum Schmunzeln | 1,3 | 40,3 | 57,3 |
erregt mein Mitleid | 82,5 | 18,8 | 8,0 |
erstaunt mich | 23,9 | 48,2 | 34,3 |
macht mir Angst | 66,3 | 25,4 | 16,8 |
macht mir Mut | 16,8 | 15,8 | 70,1 |
schockiert mich | 69,9 | 27,7 | 9,4 |
stimmt mich fröhlich | 3,2 | 5,9 | 61,1 |
weckt Schuldgefühle in mir | 14,6 | 11,2 | 34,3 |
löst keine Gefühle bei mir aus | 25,9 | 54,1 | 31,9 |
Der Text ist … | 1: Alter als Niedergang (n = 309; in %) | 2: Alter als (Über)Macht (n = 303; in %) | 3: Alter als neuer Aufbruch (n = 298; in %) |
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anschaulich | 82,8 | 51,8 | 85,9 |
ausgewogen | 50,7 | 24,8 | 64,8 |
glaubwürdig | 75,2 | 40,3 | 68,5 |
interessant | 65,4 | 58,1 | 88,3 |
provokant | 37,7 | 84,2 | 41,9 |
sachlich | 64,8 | 27,7 | 61,4 |
übertrieben | 38,2 | 70,0 | 46,7 |
überzeugend | 73,5 | 31,7 | 69,6 |
Ältere Menschen … | 1: Alter als Niedergang (n = 309) | 2: Alter als (Über)Macht (n = 303) | 3: Alter als neuer Aufbruch (n = 298) |
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kümmern sich zu wenig um die Zukunft der Jüngeren | 2,8 | 3,3 | 2,8 |
bekommen vom Staat mehr, als ihnen zusteht | 3,1 | 3,8 | 3,2 |
werden mit ihren Bedürfnissen von den Jüngeren vernachlässigt | 2,7 | 2,1 | 2,8 |
haben das aufgebaut, wovon die Jüngeren heute zehren | 2,4 | 1,7 | 2,5 |
Älterwerden/Alter bedeutet (für mich) … | 1: Alter als Niedergang (n = 309) | 2: Alter als (Über)Macht (n = 303) | 3: Alter als neuer Aufbruch (n = 298) | |||||
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immer mehr Angst haben | Selbstbild vorher/nachher | 3,0/3,3* Standardabw. = 0,979 Standardfehler = 0,056 T = −5,75 df = 308 Sig. (2-seitig) = 0,000 Cohen’s d = 0,33 | 2,9/2,9 Standardabw. = 0,276 Standardfehler = 0,016 T = −0,208 df = 302 Sig. (2-seitig) = 0,835 Cohen’s d = 0,03 | 2,7/2,4* Standardabw. = 0,909 Standardfehler = 0,053 T = 4,97; df = 297 Sig. (2-seitig) = 0,000 Cohen’s d = 0,29 | ||||
Fremdbild vorher/nachher | 2,3/1,8* Standardabw. = 0,705 Standardfehler = 0,04 T = 12,02 df = 308 Sig. (2-seitig) = 0,000 Cohen’s d = 0,68 | 2,5/2,5 Standardabw. = 0,191 Standardfehler = 0,011 T = −0,301 df = 302 Sig. (2-seitig) = 0,764 Cohen’s d = 0,01 | 2,2/2,9* Standardabw. = 0,839 Standardfehler = 0,049 T = −14,37; df = 297 Sig. (2-seitig) = 0,000 Cohen’s d = 0,83 | |||||
leben weiterhin selbst bestimmen | Selbstbild vorher/nachher | 1,8/1,5* Standardabw. = 0,824 Standardfehler = 0,047 T = 6,14 df = 308 Sig. (2-seitig) = 0,000 Cohen’s d = 0,35 | 1,7/1,7 Standardabw. = 0,181 Standardfehler = 0,01 T = −1,26 df = 302 Sig. (2-seitig) = 0,206 Cohen’s d = 0,05 | 1,6/1,9* Standardabw. = 0,711 Standardfehler = 0,041 T = −7,65; df = 297 Sig. (2-seitig) = 0,000 Cohen’s d = 0,45 | ||||
Fremdbild vorher/nachher | 2,3/2,8 * Standardabw. = 0,573 Standardfehler = 0,033 T = −14,79 df = 308 Sig. (2-seitig) = 0,000 Cohen’s d = 0,86 | 2,2/2,2 Standardabw. = 0,73 Standardfehler = 0,042 T = −0,236 df = 302 Sig. (2-seitig) = 0,814 Cohen’s d = 0,01 | 2,3/1,8 * Standardabw. = 0,906 Standardfehler = 0,052 T = 8,57; df = 297 Sig. (2-seitig) = 0,000 Cohen’s d = 0,5 | |||||
nur noch für sich selbst interessieren | Selbstbild vorher/nachher | 3,5/3,6 Standardabw. = 0,731 Standardfehler = 0,042 T = −1,56 df = 308 Sig. (2-seitig) = 0,121 Cohen’s d = 0,08 | 3,6/3,5 Standardabw. = 0,412 Standardfehler = 0,024 T = 2,23 df = 302 Sig. (2-seitig) = 0,026 Cohen’s d = 0,12 | 3,2/3,2 Standardabw. = 0,839 Standardfehler = 0,049 T = −0,345; df = 297 Sig. (2-seitig) = 0,73 Cohen’s d = 0,02 | ||||
Fremdbild vorher/nachher | 2,7/2,4 * Standardabw. = 0,638 Standardfehler = 0,036 T = 8,38 df = 308 Sig. (2-seitig) = 0,000 Cohen’s d = 0,47 | 3,1/2,6 * Standardabw. = 0,712 Standardfehler = 0,041 T = 11,13 df = 302 Sig. (2-seitig) = 0,000 Cohen’s d = 0,63 | 2,6/2,9 * Standardabw. = 0,908 Standardfehler = 0,053 T = −6,06; df = 297 Sig. (2-seitig) = 0,000 Cohen’s d = 0,35 |
Diskussion
Limitationen
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Es handelte sich um textuelle Frames.
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Die Studie hat keine „natürlich“ auftretenden Altersdarstellungen rezipieren lassen.
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Die gemessenen Veränderungen des Altersfremdbilds und -selbstbilds sind kurzfristige Effekte. Es stellt sich die Frage, wie sich mediale Altersdarstellungen im längerfristigen Rezeptionsprozess unter Alltagsbedingungen auswirken.
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Die Veränderung von Altesfremdbild und -selbstbild wurde an einer sehr kleinen Zahl von Indikatoren gemessen.
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Zur Messung der Veränderung von Altersfremdbild und -selbstbild wurden Mittelwertvergleiche auf Gruppenebene durchgeführt und keine Vorher-nachher-Messungen auf Individualebene.
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Es wurde nicht gemessen, wie beeinflussbar ein Altersfremdbild bzw. -selbstbild relativ zu subjektiv bestehenden Voreinstellungen in Bezug auf Alter(n) ist.
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Im Vorfeld hat keine Power-Analyse zur Bestimmung eines angemessenen Stichprobenumfangs stattgefunden. Aufgrund dessen kann es sein, dass die Stichprobe zu groß geraten ist und die gemessenen Effekte überschätzt werden.
Ausblick
Fazit für die Praxis
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In Zeiten demografischer Veränderungen, zurückgehender Generationenkontakte und der gesellschaftlichen Mediatisierung haben mediale Altersbilder großen Einfluss auf individuelle Altersvorstellungen und den Altersdiskurs.
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Bislang liegen nahezu keine empirischen Befunde darüber vor, welche (einstellungsverändernden) Effekte medienvermittelte (Re)Präsentationen des Alters haben können. Denkbar sind unterschiedliche Wirkungspotenziale, die das Altersfremdbild und -selbstbild beeinflussen.
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Die Ergebnisse zeigen, dass sich mediale Altersdarstellungen nicht so auswirken, wie sie inhaltlich beschaffen sind, sondern sogar gegenteilige Effekte haben können, wenn sie etwa für soziale Vergleichsprozesse genutzt werden.
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Eine genauere Erforschung medienvermittelter Altersdarstellungen erscheint angesichts ihrer komplexen Wirkmechanismen angeraten. Besonders gilt dies mit Blick auf die Interaktion von Altersfremdbild und -selbstbild.