Das Impftempo in Deutschland kann mit den drastisch steigenden Corona-Inzidenzen nicht Schritt halten. Noch immer warten Tausende von Hochbetagten und Risikopatienten auf eine Boosterimpfung. Niedergelassene Ärzte stoßen an ihre Grenzen. Jetzt schlagen Pflegeverbände vor, dass auch Pflegefachpersonen eigenständig Impfungen durchführen.
Pflegefachpersonen führen in vielen Ländern eigenständig Impfkampagnen durch. In Deutschland werden diese Kompetenzen noch nicht genutzt.
„Um die 4. Welle aufzuhalten, muss es gelingen, die Impfungen gegen das Corona-Virus insbesondere für Hochbetagte sowie für Menschen mit Vorerkrankungen zu beschleunigen“, machte DPR-Präsidentin Christine Vogler am Donnerstag angesichts der Infektionszahlen deutlich.
Der sinnvolle Einsatz von Pflegefachpersonen mit ihren hohen Kompetenzen sei ein entscheidender Hebel zur Pandemie-Bekämpfung. „Er muss sofort genutzt werden!“ forderte Vogler.
Die DPR-Präsidentin schlägt vor, dass Pflegefachpersonen u.a. Pflegebedürftige impfen, die in Heimen oder durch ambulante Pflegedienste versorgt werden. International sei es in vielen Ländern üblich, dass Pflegefachpersonen eigenständig Impfkampagnen durchführen. Und auch in Deutschland seien Pflegefachpersonen dafür qualifiziert. „Sie haben gelernt, Injektionen zu verabreichen, haben ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Patient*innen und Pflegebedürftigen und kennen deren gesundheitliche Situation. Sie können sie zur Impfung aufklären und diese durchführen“, so Vogler. Bei Bedarf und auf Wunsch könnten Ärztinnen oder Ärzte hinzugezogen werden.
Im Rahmen der verstärkten Impfkampagne müssten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um das Gesundheitssystem vor weiterer Überlastung zu schützen. Vogler: „Wenn es der Politik mit der Beschleunigung der Impfungen ernst ist, dann liegt im Einsatz der Pflegefachpersonen die Lösung, die den entscheidenden Punkt ausmachen kann.“
Pragmatische Lösungen gefragt
Auch DBfK-Präsidentin Christel Bienstein machte am Freitag deutlich, dass jetzt pragmatische Lösungen notwendig sind und alle Ressourcen genutzt werden müssen.
„Die Pflegefachpersonen aus den ambulanten Pflegediensten könnten eigenständig die Menschen mit Pflegebedarf und deren Angehörige impfen", erläuterte Bienstein. Das wäre eine enorme Entlastung für diese Menschen, die dann eben nicht in eine Praxis kommen müssen, und es würde die Booster-Kampagne "effektiv voranbringen". Auch in den Pflegeheimen könnte man dies so regeln.
Bislang ist Pflegenden eine Impfung nur gestattet, wenn Ärzt*innen diese verordnet haben und anwesend sind. Die Möglichkeit, dass Pflegefachpersonen unter bestimmten Bedingungen eigenständig impfen dürfen, müsse politisch geschaffen werden, so Bienstein. Dazu gehöre aber auch, dass diese Leistung entsprechend abgerechnet werden könne.
Wieler: Jeder und jede wird zum Impfen gebraucht
Erst am Mittwoch hatte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, in einer dramatischen Lageeinschätzung betont, wie entscheidend es ist, jetzt das Impftempo deutlich zu erhöhen: „Ich sag das jetzt mal ganz klar: Es muss jetzt Schluss sein, dass irgendwer irgendwelchen anderen Berufsgruppen aufgrund von irgendwelchen Umständen nicht gestattet zu impfen. Wir sind in einer Notlage“, betonte Wieler. Man brauche jetzt jede und jeden zum Impfen: „Jeder Mann und Maus, der impfen kann, soll jetzt gefälligst impfen. Sonst kriegen wir diese Krise nicht in den Griff.“
Das Gesundheitsministerium strebt an, dass bis Jahresende allein 20 bis 25 Millionen Bürgerinnen und Bürger Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus erhalten. In der gegenwärtigen Phase seien Boosterimpfungen ein entscheidender Faktor, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Dazu kommen noch Erst- und Zweitimpfungen. (ne)
Aktualisiert am 19.11.21