Das Forschungsprojekt „HOBBIT“ der Europäischen Union (EU) hat Prototypen von assistiven Robotern zur Unterstützung eines sicheren und selbstständigen Lebens entwickelt und bei älteren Personen in der häuslichen Umgebung Hause getestet.
Ziel der Arbeit
Im Projekt „personAAL“ wurde untersucht, ob verschiedene Verhaltensweisen eines solchen Roboterprototyps („Persönlichkeiten“) bei ansonsten gleicher Funktion (Überbringen einer Nachricht) von Testpersonen (TP) als unterschiedliche „Persönlichkeiten“ wahrgenommen werden.
Material und Methoden
Der Roboter wurde mit 2 Verhaltensweisen ausgestattet: einmal introvertiert (rein funktionsorientiert, nüchtern sachlich) und das andere Mal extrovertiert (lebendig, angereichert) und 13 Testpersonen (großteils älteren Personen bzw. Experten und Expertinnen aus dem Pflegebereich) vorgeführt.
Ergebnisse
Zwölf der 13 TP nahmen den Unterschied im Verhalten wahr. Eine TP präferierte den introvertierten Roboter, 9 den extrovertierten, und 3 hatten keine Präferenz oder machten diese von der konkreten Situation abhängig. Die Auswertung ergab bei den Teilfragen „Anthropomorphismus“ und „Belebtheit“ sowie in der Gesamtbewertung signifikante Wahrnehmungsunterschiede. Bemerkenswert ist, dass für die Teilfragen „Sympathie“ und „Sicherheit“ keine signifikanten Unterschiede festgestellt wurden. Es gab keinerlei signifikante Korrelation zwischen dem bevorzugten Verhalten des Roboters und der Selbsteinschätzung der TP als intro- oder extrovertiert.
Schlussfolgerung
Aus dem Ergebnis kann vermutet werden, dass die Akzeptanz eines Roboters nicht rein von der nüchternen Funktion, die natürlich Voraussetzung ist, abhängt. Daher wird es sinnvoll sein, für eine höhere Akzeptanz verschiedene Verhaltensweisen zur Wahl zu stellen.
Ziel der Konzeptstudie „personAAL“ war es zu untersuchen, ob verschiedene Verhaltensweisen eines assistiven Roboters („Persönlichkeiten“), einmal introvertiert bzw. rein funktionsorientiert (nüchtern, sachlich) und das andere Mal extrovertiert bzw. lebendig (angereichert), bei ansonsten gleicher Funktion (Überbringen einer Nachricht) von Testpersonen (TP) als unterschiedliche „Persönlichkeiten“ wahrgenommen werden. Es wird vermutet, dass die Akzeptanz verbessert werden kann, wenn die Nutzer und Nutzerinnen die individuell bevorzugte Persönlichkeit wählen können.
Assistive Roboter
Mensch-Roboter-Interaktion oder „human-robot interaction“ (HRI) ist ein junges Forschungsgebiet [3, 5], das zunehmend auch im „Ambient/active assisted living“(AAL)-Bereich an Bedeutung gewinnt [10]. Assistive Roboter, die die Selbstständigkeit und Sicherheit älterer Menschen unterstützen sollen, sind trotz umfassender Visionen in der Praxis meist noch sehr teuer sowie hinsichtlich Funktionalität, Robustheit und Alltagstauglichkeit deutlich eingeschränkt [19]. Ungeachtet dessen kommt der menschengerechten Ausgestaltung der Benutzerschnittstelle eine große Bedeutung für die Anwenderakzeptanz zu [12, 14].
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In der Literatur finden sich Berichte über einige Roboter, die bereits durch Nutzer getestet wurden und dem derzeit üblichen Modell eines assistiven Roboters mit zumindest teilweise menschlichem Erscheinungsbild entsprechen. Praktisch alle Tests fanden bisher in kontrollierter Umgebung [10, 20, 22, 23] und nicht über längere Zeit in der häuslichen Umgebung der Nutzer statt; hier ist das unlängst abgeschlossene HOBBIT-Projekt [MetraLabs GmbH, Ilmenau, 6, 7] eine Ausnahme. Bisherige Roboter waren hauptsächlich Forschungsprototypen und sehr teuer. Die Preise der Roboter mit Greifarmen wie Care-O-Bot [Fraunhofer-Gesellschaft, Stuttgart, 8] liegen jenseits der 100.000 € Grenze. Der derzeit wohl günstigste Roboter „Pepper“ (Aldebaran Robotics SAS, Paris, [9]) soll mittlerweile für ca. 2000 € plus einer monatlichen Gebühr von ca. 200 € über einen Zeitraum von 3 Jahren erhältlich sein, besitzt starke Ausdrucksfähigkeit, beschränkt sich jedoch nur auf Kommunikation.
Abgesehen vom meist hohen Preis und der oft noch dürftigen Alltagsfunktion lässt auch die generelle Akzeptanz von Robotern noch zu wünschen übrig [19]. Bisherige Forschungsergebnisse liefern kein eindeutiges Bild. Bekannt ist der Effekt des von Mori [15] eingeführten „uncanny valley“, dem Phänomen, dass unterschiedlich lebendig bzw. menschenähnlich erscheinende Gegenstände unterschiedliche Akzeptanzen mit nicht stetig linearem Zusammenhang erfahren. Neben der oft bewusst menschenähnlichen Gestaltung der äußeren Form eines Roboters betrifft dies auch seine Verhaltensweisen und Bewegungen. Ein potenzieller Konflikt ergibt sich, wenn sich die Verhaltensweisen der Roboter streng auf die funktionellen Erfordernisse beschränken und sich trotz ihrer oft menschenähnlichen äußeren Gestaltung weniger wie ein aktives, autonomes assistives System als wie ein übliches passives Werkzeug verhalten, dessen Einsatz rein von der Nutzerin/dem Nutzer gesteuert wird.
Methoden
Ein erster Ansatz für das Angebot an alternativen Verhaltensweisen wurde im Projekt HOBBIT gemacht; hier wurden mithilfe verschiedener Ausgaben (Text und Sprache [14]) unterschiedliche Persönlichkeiten ausgedrückt [18]. Einen wesentlichen Aspekt stellen auch Annäherungsdistanzen und Geschwindigkeiten dar [2], sowie ob, wann, wo und wie der Roboter etwas sagt [4, 21]. Der von den TP wahrgenommene Unterschied verschiedener Ausdrucksweisen wurde im Projekt personAAL untersucht. Dazu wurde ein „Roboterpersönlichkeitsmodell“ (RPM) entworfen, das bei vorhandener Roboterbasis verfügbare Parameter (Geschwindigkeit, Annäherungsdistanz, Stimme, Sprechgeschwindigkeit etc.) verwendet und kombiniert, um unterschiedliche Roboterpersönlichkeiten bei ansonsten gleicher Funktionalität auszudrücken ([16, 18]; hier muss angemerkt werden, dass die Gleichsetzung von Verhalten mit Persönlichkeit natürlich eine grobe Vereinfachung darstellt).
Studiendesign
Ein früher Prototyp aus dem Hobbit-Projekt [6, 7] wurde mit einer neuen Verkleidung versehen. Notwendige Parameter wurden aufgrund von Beispielen ähnlicher Studien aus der Literatur [4, 21] für eine Modellierung zusammengefasst und für Script-basierte (also programmtechnisch vordefinierte, fixe) Abläufe optimiert. Der eingesetzte Roboter (Abb. 1) besteht aus einer robotischen Basis, die die Mobilität bereitstellt, einem Touchscreen zur Anzeige von Texten, zur Ausgabe von Sprache und Tönen sowie einem beweglichen Kopf, der Emotionen in Form eines Gesichts zeigt [14]. Die groben Abmessungen des verwendeten Roboters waren wie folgt: Höhe 130 cm, Breite: 43 cm, Länge: 51 cm. Die Höhe der waagrechten Fläche (auf der die Mikrofon-Lautsprecher-Kombination lag) oberhalb des Antriebssystems beträgt 47 cm. Der Touchscreen war in einer Höhe von 76 cm (Mitte des Bildschirms) mit einem Aufstellwinkel aus der Waagrechten von 60 Grad angebracht.
Abb. 1
a Roboter Irene mit „introvertiertem“ Verhalten, b Roboter Eva mit „extrovertiertem“ Verhalten
×
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Die Basisversion des Roboters wurde so konfiguriert, dass auch bespielhafte Funktionen eines „smart room“ über den Roboter vermittelt werden konnten (hier die Funktion „telefonieren“ und „Musik spielen“, [13]). Diese Funktionen hat der Roboter mit dem eher extrovertierten Verhalten (Roboter Eva) den Endnutzern in der letzten Phase des Tests aktiv angeboten.
Da nur eine Roboterplattform zur Verfügung stand, wurde diese für beide Verhaltensweisen verwendet (Abb. 1). Die modellierten Unterschiede sind in Tab. 1 einander gegenübergestellt. Zusätzlich zum unterschiedlichen Verhalten erhielt der Roboter ein weiteres Unterscheidungsmerkmal: eine blaue Krawatte in der introvertierten Rolle (Roboter Irene), und ein rotes Mascherl in der extrovertierten Rolle (Roboter Eva). Unverändert bleibende Verhaltensweisen sind u. a.:
Beide Roboter fahren langsam, wenn sie nah am Nutzer sind (und schneller, wenn sie weiter weg sind).
Beide Roboter verwenden die gleiche synthetische Stimme („Katrin“ von Loquendo/Nuance).
Beide Roboter haben das gleiche Erscheinungsbild (bis auf das Mascherl bzw. die stilisierte Krawatte).
Beide Roboter erfüllen die gleichen Funktionen: Überbringen einer Nachricht/Erinnerung.
Beide Roboter fügen sich technischen Randbedingungen, z. B. schauen sie beide mit dem Gesicht nach unten, während sie fahren (um der neben dem oberen Monitor eingebauten Tiefenkamera ein für die Navigation und Hinderniserkennung geeignetes Sichtfeld zu gewähren).
Tab. 1
Parameter des „Roboterpersönlichkeitsmodells“ (RPM) im Vergleich
Roboterverhalten
Roboter Irene
(Ruhig, „introvertiert“)
Roboter Eva
(Quirlig, „extrovertiert“)
Roboter spricht
Langsamer, mit niedrigerer Grundfrequenz, leiser
Schneller, mit höherer Grundfrequenz, lauter
Satzbau
Kurze Sätze
Längere Sätze
Lippenbewegung (am oberen Bildschirm)
Nein
Ja
Blickrichtung beim Sprechen
Gesenkter Blick
Schaut Nutzer direkt an
Beginn des Sprechens
Spricht erst, nachdem er angekommen ist
Beginnt teilweise noch im Fahren mit dem Sprechen
Mimik
Immer gleiches, starres Gesicht (kein Blinzeln, keine Emotionen)
Blinzelt ab und zu, zeigt Lächeln
In Ruheposition
Schaut nach unten, steht still (keine Bewegung)
Zeigt Körper- und Kopfbewegung
Ankündigung des Verhaltens
Nein
Ja (dass er wegfahren wird, dass er angekommen ist etc.)
Proaktivität
Wartet, bis Nutzer ihn anschaut
Spricht proaktiv Inhalte an, macht Vorschläge
Ansprache
Ansprechen per Sie
Ansprechen per Du/Vornamen
Bewegungsgeschwindigkeit, Interaktionsdistanz
Fährt langsamer und hält größere Interaktionsdistanz ein
Fährt schneller und verwendet geringere Interaktionsdistanz
Rekrutierung der Testpersonen
Die Rekrutierung der TP (ältere Menschen und Experten aus dem Pflegebereich) erfolgte über bestehende Kontakte der Forschungsgruppe. Die TP erhielten eine Vorabinformation über Inhalt und Zielsetzung der Studie sowie den groben Ablauf des Tests. „Informed-consent“-Formulare und -Prozess wurden unter Supervision einer Ethikexpertin, basierend auf den vorhandenen Materialien aus Vorprojekten, an die Gegebenheiten der Konzeptstudie angepasst.
Datenerhebung/Testdurchführung
Die TP wurden als Hauptaufgabe gebeten, vorgelegte Bücher zu bewerten. Währenddessen wurden ihnen vom Roboter Nachrichten überbracht. Dazu bewegte sich der Roboter jeweils aus der Ruhe- in die Interaktionsposition (Abb. 2). Der Ablauf erfolgte nach einem vorgegebenen Plan. Ein für die TP nichtsichtbarer Techniker im Nebenraum führte die einzelnen Phasen der Interaktion und die Steuerung bzw. Supervision des teilautonom-agierenden Roboters durch („Wizard-of-Oz“-Methode).
Abb. 2
Roboter und Testperson aus der Vogelperspektive. a Interaktionsdistanz, b
Roboter in Ruheposition
×
Sicherheit
Zur Gewährleistung der Sicherheit standen mechanische Kontaktsensoren am Roboter (vorn und hinten) sowie ein Näherungssensor (Tiefenkamera vorn) zur Verfügung. Beide funktionierten sehr verlässlich. Des Weiteren war eine Notstopptaste an der mobilen Fernsteuerung des Roboters vorhanden.
Der Hauptteil der Bewertung erfolgte für jede vorgeführte Roboterpersönlichkeit mithilfe des „Godspeed“-Fragebogens [1], der als validierte Methode zur Beurteilung von HRI anhand von 5 Schlüsselkonzepten gilt. Ziel war die Evaluierung der Einstellung der Anwender/-innen jeweils nach der Interaktion mit dem Roboter in einer der verwendeten Persönlichkeitsformen. In weiterer Folge wurde ausgewertet, inwiefern überhaupt signifikante Unterschiede je nach RPM gefunden werden können, und ob ein Zusammenhang mit dem persönlichen Nutzerprofil besteht.
Die beiden Modelle wurden 13 TP im AAL Living Lab des Instituts vorgeführt (großenteils älteren Personen bzw. Experten und Expertinnen aus dem Pflegebereich, Alter zwischen 25 und 73 Jahre, Mittelwert 48 Jahre, 4 Frauen und 9 Männer, [17]).
Ergebnisse
Im Abschlussinterview (also nach erfolgter Interaktion mit beiden Roboterpersönlichkeiten) gaben 12 von 13 TP an, Unterschiede im Verhalten der beiden Roboter bemerkt zu haben. Auf die Frage, welcher der beiden assistiven Roboter bevorzugt wird, gab eine TP an, den introvertierten Roboter zu präferieren. Neun TP präferierten den extrovertierten, und 3 TP hatten keine Präferenz oder machten diese von der konkreten Situation abhängig. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen TP. Befragt nach ihrer Selbsteinschätzung gaben 6 TP an, sich als eher introvertiert einzuschätzen, 7 TP bezeichneten sich als eher extrovertiert.
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Das extrovertierte Verhalten wurde also von der deutlichen Mehrheit bevorzugt (9 von 13 TP, [16]). Die Auswertung der Antworten ergab, dass bei den Teilfragen „Anthropomorphismus“ (p = 0,07) und „Belebtheit“ (p = 0,04) sowie in der Gesamtbewertung (p = 0,02) signifikante Wahrnehmungsunterschiede bestehen. Bemerkenswert ist, dass für die Teilfrage „Sympathie“ (p = 0,66) keine signifikanten Unterschiede festgestellt wurden; ebenso wurde die Teilfrage „Sicherheit“ für die beiden Persönlichkeiten praktisch identisch bewertet. Es konnte keinerlei signifikante Korrelation zwischen dem bevorzugtem Verhalten des Roboters und der Selbsteinschätzung der TP als intro- oder extrovertiert festgestellt werden. In der Literatur finden sich dazu sowohl Hinweise auf eine bevorzugte Übereinstimmung [21] als auch Hinweise auf eine bevorzugte Komplementarität [11] zwischen der Persönlichkeit der TP und der „Persönlichkeit“ des Roboters.
Schlussfolgerungen
Diese erste Studie konnte zeigen, dass bei assistiven Robotern ein von Nutzern eindeutig unterschiedlich bewertetes Verhalten auf dieselbe grundlegende Funktion aufgesetzt werden kann. Die noch geringe Zahl der TP und die natürlich nichtvollständige Ausschöpfung des Spielraums an Modellierungsmöglichkeiten lässt weitere Untersuchungen an einer größeren Nutzergruppe sinnvoll erscheinen.
Da signifikante Unterschiede in der Wahrnehmung und Bevorzugung der Persönlichkeit durch die TP gefunden werden konnten, wichtige Einschätzungen wie „Sympathie“ und „Sicherheit“ dabei jedoch nicht beeinflusst wurden, kann allgemein vermutet werden, dass mit dem Anbieten von Alternativen in der Gestaltung der Roboterpersönlichkeit gezielt Vorteile bezüglich der individuellen Akzeptanz genutzt werden können, ohne jedoch die funktionelle Ebene einbeziehen zu müssen.
Fazit für die Praxis
Bei gleicher Funktion wird verschiedenes Verhalten des Roboters von den Nutzern und Nutzerinnen wahrgenommen und unterschiedlich bevorzugt.
Beim Design assistiver Roboter sollte daher neben dem Fokus auf die Funktion auch Augenmerk auf die Ausgestaltung der Roboterpersönlichkeit gelegt werden.
Das Zur-Verfügung-Stellen einer Auswahl verschiedener Verhaltensweisen scheint Potenzial für höhere Akzeptanz zu bieten.
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Förderung
Das HOBBIT Projekt wurde im 7. Rahmenprogramm unter Grant n° 288146 von der EU gefördert. Die Konzeptstudie personAAL wurde vom BMVIT unter der Projektnummer 846235 im „benefit“-Programm der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) teilgefördert.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
P. Mayer und P. Panek geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Von allen freiwillig am Test beteiligten Personen liegt eine Einverständniserklärung nach ausführlicher Information und Testbeschreibung vor. Die Datenerhebung und Auswertung erfolgten im Einklang mit nationalen Gesetzen und der Helsinki-Deklaration.
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