Der Erwerb der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin mit einem Einsatzpraktikum von 50 begleiteten Einsätzen ist bei den meisten Landesärztekammern Mindestvoraussetzung für die Notarztqualifizierung. Auch strukturierte Simulationen in NaSim25-Kursformaten werden als Ersatz für 25 dieser Einsätze anerkannt.
Methoden
Die Arbeit vergleicht die in Praktika begleiteten mit in Kursen simulierten Notarzteinsätzen sowie die (Selbst‑)Einschätzung und den Wissenszuwachs der Teilnehmenden vor und nach Kursteilnahme. Mittels Prä-post-Befragung an insgesamt 5 Kursstandorten wurden Vergleichskriterien der gesammelten und simulierten Einsätze, die Selbsteinschätzung (Likert-Skala 1–6) sowie exemplarisch das Fachwissen (Punktescore) der Teilnehmenden erfasst. Primäre Zielparameter waren Schweregrad des Notfalls (NACA-Score), investierter Zeitaufwand (Minuten) sowie beobachtete oder durchgeführte notfallmedizinische Fertigkeit (Art & Anzahl).
Ergebnisse
Insgesamt konnten 141 zugeordnete Prä- und Postfragebögen in die Studie einbezogen werden. Vor der Kursteilnahme wurden im Mittel bereits 23 Einsätze mit einem Zeitaufwand von 3,2 h (SD ± 2,4) pro Einsatz an einem Notarztstandort begleitet. 15,6 % der gesammelten Einsätze wurden mit einem NACA-Score ≥4 bewertet, und (invasive) Maßnahmen wurden häufiger beobachtet als selbst durchgeführt. In der (Selbst‑)Einschätzung zeigte sich eine signifikante Zunahme: Teilnehmende fühlten sich besser auf die Notarzttätigkeit vorbereitet und schätzen Simulation als Ersatz für das Einsatzpraktikum höher ein.
Schlussfolgerung
Simulierte Notarzteinsätze sind zeiteffizienter als im Einsatzpraktikum begleitete Einsätze. Die Selbsteinschätzung der zukünftigen Notärzt*innen konnte positiv bestärkt und das Wissen gesteigert werden. Simulation sollte das Einsatzpraktikum nicht vollständig ersetzen.
In der Online-Version dieses Artikels (https://doi.org/10.1007/s10049-024-01371-w) finden Sie die ergänzenden Fragebogeninhalte der Einschätzungsfragen, des Einsatzspektrums sowie die Wissensfragen. Bitte scannen Sie den QR-Code.
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Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Hintergrund
Die notärztliche Ausbildung wird auf Basis der Vorgaben der Musterweiterbildungsordnung (MWBO; [1]) verantwortlich durch die Landesärztekammern im Rahmen der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin geregelt [2]. Außerhalb der Qualifizierungsanforderungen besteht keine bundeseinheitliche Regelung bzgl. notwendiger fachlicher Fortbildungspflicht [3], Kompetenzniveaus oder regelhafter Kompetenzüberprüfung. Neben 24 Monaten Weiterbildung im stationären Bereich [4] – davon 6 Monate in Intensivmedizin, Anästhesie oder Notaufnahme – und einer 80-stündigen Weiterbildung müssen 50 Notarzteinsätze im Rettungsdienst im Rahmen eines Einsatzpraktikums absolviert werden. Insbesondere eine niedrige Einsatzfrequenz in ländlicheren Regionen [5] und auch eine hohe Heterogenität in Bezug auf die Schwere und damit die fachlichen Anforderungen der Einsatzbilder führen dazu, dass Zeitaufwand und Lernerfolg des Einsatzpraktikums für 50 Einsätze nur schwer planbar sind. Als eine Lösung für diese Probleme wurde im Saarland 2012 im Modellprojekt NaSimSaar erstmalig das Kurskonzept NaSim25-Kurs entwickelt [6], welches sich zunehmend bundesweit verbreitet hat. Mittlerweile erkennen alle 17 Landesärztekammern bis zu 25 Simulationen als Praktikum in der Notfallmedizin an und verringern äquivalent die Anzahl der notwendigen realen Notfalleinsätze von 50 auf 25. Welcher Zeitaufwand für das Einsatzpraktikum notwendig ist sowie welches Einsatzspektrum dort erfahren wird, wurde bisher nicht untersucht.
Die vorliegende Arbeit evaluiert die Unterschiede zwischen dem Einsatzpraktikum und den Einsatzsimulationen in NaSim25-Kursen anhand einer Teilnehmerbefragung verschiedener Standorte und untersucht insbesondere die (Selbst‑)Einschätzung der Teilnehmenden, Charakteristika des Einsatzpraktikums sowie den objektiven Wissenszuwachs.
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Methoden
Die vorliegende Arbeit wurde unter Anwendung papierbasierter Fragebögen im Prä-post-Design durchgeführt und Daten pseudonymisiert erhoben. Ermittelt durch eine Onlinerecherche im März 2019 wurde zu den damals bekannten 20 deutschen Anbietern von NaSim25-Kursen per E‑Mail Kontakt aufgenommen sowie zweimalig Erinnerungen verschickt.
Im Kursformat NaSim25 werden 25 standardisierte simulierte Rettungseinsätze in Kleingruppen durchlaufen. Ziel der Kurssysteme ist es, in 25 Notfallszenarien Erfahrung zu sammeln, Kompetenzen zu erweitern und in sicherer Trainingsumgebungen auch praktische Fertigkeiten anzuwenden [7, 8]. Es umfasst Fallbeispiele zu internistischen, neurologischen und psychiatrischen Notfällen wie auch Traumata, zu drohender Geburt und Kindernotfällen, die durch realitätsnahe Patientensimulatoren oder Schauspielpatienten dargestellt werden [8].
Fünf der angefragten Standorte beteiligten sich an der Studie. Die Rückmeldung der Anbieter sowie der Kursteilnehmenden vor Ort erfolgte freiwillig über einen Zeitraum von 18 Monaten. In Absprache mit den Kursanbietern erfolgte eine standortunabhängige, pseudonymisierte Auswertung. Sowohl eine Datenschutzerklärung als auch eine Einverständniserklärung der Teilnehmenden wurden eingeholt. Über eine Pseudonymisierung wurde die Zuordnung der Prä- und Post-Fragebögen sichergestellt. Die vorliegende Untersuchung wurde durch die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen mit einer Ethikstellungnahme (EK 137/19) befürwortet.
Studienablauf
Für die Befragung wurde ein Prä-Fragebogen vor und ein Post-Fragebogen nach der Teilnahme an einem NaSim25-Kurs durch die Teilnehmenden ausgefüllt.
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Der Prä-Fragebogen umfasste neben demografische Daten Einschätzungsfragen zur eigenen Kompetenz sowie notärztlichen Ausbildung anhand einer 6‑stufigen Likert-Skala (Details im Supplementary Material). Außerdem wurden Angaben zu bereits im Rahmen eines Einsatzpraktikums begleiteten Realeinsätzen abgefragt. Neben dem insgesamt investierten Zeitaufwand für das Einsatzpraktikum (Angabe in Stunden) wurde das Einsatzspektrum anhand von Auswahlmöglichkeiten zu einer Vielzahl von Notfallbildern sowie der Schweregrad des Notfalls anhand des sog. NACA-Scores erfasst. Der NACA-Score, abgeleitet vom National Advisory Committee for Aeronautics (NACA), wird in der prähospitalen Notfallmedizin regelhaft zur Beurteilung des Schweregrads eines Notfalls bzw. der vorliegenden Funktionsstörung angewandt (NACA 1 = gering, 2 = leicht bis mäßig, 3 = mäßig bis schwer, jedoch nicht lebensbedrohlich, 4 = schwer, potenziell lebensbedrohlich, 5 = akute Lebensgefahr, 6 = Kreislaufstillstand, 7 = Tod). Neben dem Schweregrad wurden die beobachteten oder selbst durchgeführten notfallmedizinischen Maßnahmen in Art und Anzahl erfasst. Abschließend endete der Prä-Fragebogen mit einem Wissenstest, welcher sich im Post-Fragebogen wiederholte. In diesem Wissenstest wurden insgesamt 12 beispielhafte Fragen gestellt mit folgenden Themenschwerpunkten: spezielle Krankheitsbilder wie Verbrennungen, Kindernotfälle, Medikation, der Umgang mit sterbenden Patienten sowie forensische Themen wie Todesfeststellung und Totenschein. Diese waren im Richtig-oder-falsch-Design konzipiert und wurden mit einem maximalen Punktescore von 12 bewertet. Der Post-Fragebogen, welcher zum Kursende nach 25 Simulationen ausgefüllt wurde, umfasste erneut die Selbsteinschätzung der eigenen Kompetenz und Ausbildung sowie den Wissenstest.
Datenauswertung
Die statistische Datenauswertung erfolgt mit SPSS (Version 29, IBM Corporate, Armonk, NY, USA) unter Anwendung deskriptiver Statistik. Die Signifikanzberechnung erfolgt mittels Wilcoxon-Test. Das Signifikanzniveau wurde mit p < 0,05 festgelegt.
Ergebnisse
Demografie
Insgesamt wurden 153 Prä-Fragebögen und 163 Post-Fragebögen im Rahmen der Studie erfasst. Entsprechend der Pseudonymisierungscodes konnten 141 Prä- und Postfragebögen einander zugeordnet und in die Studie einbezogen werden. Diese Teilnehmenden (n = 141) bilden somit die untersuchte Studiengruppe.
Das Durchschnittsalter lag bei 34,2 Jahren (SD ± 5,37 Jahre), wobei das Geschlechterverhältnis ausgeglichen war (M: 54,0 %, F: 46,0 %). Die Fachrichtung Anästhesie war mit 60 Teilnehmenden (42,9 %) am stärksten vertreten, gefolgt von Innerer Medizin (n = 48; 34,3 %), Chirurgie (n = 18, 12,9 %) und sonstigen Fachrichtungen (n = 14, 10 %). Der Großteil der Teilnehmenden war zur Zeit der Befragung Assistenzärzt*in (n = 111), lediglich 22 Personen waren bereits Fachärzt*in. 6 Oberärzte haben an der Befragung teilgenommen. Von den Teilnehmenden hatten bereits drei Personen den Fachkundenachweis, fünf Personen die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin und eine Person beide Weiterbildungen.
Investierter Zeitaufwand im Einsatzpraktikum
Im Durchschnitt hatten die Teilnehmenden vor der Kursteilnahme bereits 22,5 Einsätze an einem Notarztstandort begleitet (n = 98 Antworten). Die Spannweite des zu investierenden Zeitaufwands für einen Einsatz lag zwischen mindestens 0,5 und maximal 12,5 h (n = 71 Antworten, Abb. 1). Der Durchschnitt der Zeitinvestition pro Einsatz liegt bei 3,2 h (SD ± 2,4).
Abb. 1
Zeitinvestition pro Einsatz in Stunden (x markiert den Mittelwert)
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Einsatzspektrum & Maßnahmen im Einsatzpraktikum
Die am häufigsten angegebenen Notfallbilder im Einsatzpraktikum (n = 98 Antworten) waren die exazerbierte COPD sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen (STEMI, hypertensiver Notfall, Tachykardie, Reanimation), gefolgt von weiteren Tracerdiagnosen wie Krampfanfall, Extremitätentrauma oder Sepsis (Abb. 2). Von den Realeinsätzen wurden 15,6 % mit einem NACA-Score ≥4 bewertet.
Abb. 2
Häufigkeit der Notfallbilder im Einsatzpraktikum vor dem NaSim-Kurs (n = 141 Teilnehmende, Mehrfachauswahl bei den Notfallbildern möglich)
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Bei (invasiven) Maßnahmen im Einsatzpraktikum waren die Teilnehmenden häufiger in der Beobachterrolle und seltener in der Durchführung (Abb. 3). Dies betrifft 5 von 11 abgefragten Maßnahmen. Insbesondere die Intubation als eine der lebensrettenden Maßnahmen zur Atemwegssicherung wurde seltener durchgeführt, als sie beobachtet wurde. Auch Maßnahmen wie das Ausfüllen einer Todesbescheinigung wurden häufiger beobachtet, als sie selbst durchgeführt wurden. Der intravenöse Zugang wurde am häufigsten selbst durchgeführt.
Abb. 3
Im Einsatzpraktikum durchgeführte und beobachtete invasive Maßnahmen (n = 141 Teilnehmende, Mehrfachauswahl bei den Maßnahmen möglich)
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Selbsteinschätzung
In Bezug auf die Selbsteinschätzung aller Teilnehmenden (n = 141) vor und nach dem Kurs zeigen sich signifikante Unterschiede für 8 der 11 abgefragten Items (p < 0,005). Die Teilnehmenden stimmen nach dem Kurs vermehrt zu, dass Simulationen die Einsatzerfahrung teilweise kompensieren können (Abb. 4). Eine Supervision durch physisch anwesende, erfahrene Notärzt*innen empfanden 77,3 % bereits vor dem Kurs als wünschenswert (Likert-Stufe 6 [trifft voll zu] = 35,5 %, Stufe 5 = 41,8 %). Diese Meinung reduzierte sich nach dem Kurs nicht signifikant auf 72,3 % (Stufe 6 = 32,6 %, Stufe 5 = 39,7 %). Eine telemedizinische Supervision fanden vor dem Kurs 56 % der Befragten wünschenswert (Stufe 6 = 19,2 %, Stufe 5 = 36,9 %). Hier stieg der Wert nach dem Kurs nicht signifikant auf 63,1 % (Stufe 6 = 26,2 %, Stufe 5 = 36,9 %).
Abb. 4
Selbsteinschätzung der Teilnehmenden nach dem Kurs (Likert-Skala 1–6, *zeigt eine signifikante Zunahme an, p > 0,005). 1 Die notärztliche Einsatzerfahrung beeinflusst die Qualität der Therapie. 2 Eine hochwertige Simulation kann einen Teil der Einsatzerfahrung kompensieren. 3 Ich fühle mich auf meine Tätigkeit als Notarzt ausreichend vorbereitet. 4 Ich fühle mich sicher in der Ausstellung eines Totenscheins. 5 Ich fühle mich sicher in der Anwendung des PsychKG. 6 In der Anwendung des Advanced-Life-Support-Algorithmus fühle ich mich sicher. 7 Bei einer strukturierten Übergabe an das weiterbehandelnde Team im Krankenhaus fühle ich mich sicher. 8 Bei Kindernotfällen handle ich routiniert. 9 Die strukturierte Versorgung eines kritisch verletzten Traumapatienten beherrsche ich sicher. 10 Eine telemedizinische Supervision durch einen erfahrenen Kollegen ist wünschenswert. 11 Eine Supervision im Einsatzgeschehen durch einen erfahrenen Notarzt vor Ort ist wünschenswert
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Wissenstest
Der Wissenstest wurde von 138 Teilnehmenden sowohl vor als auch nach der Simulation vollständig beantwortet. Während bei 9 von 10 Fragen ein Wissenszuwachs erkennbar war, gab es bei der Dosierung von Midazolam bei einem Krampfanfall eines Kindes nach dem Kurs 5,1 % mehr falsche Antworten. Die Teilnehmenden konnten sich im Schnitt von 7,9 richtigen Antworten auf 9,0 richtige Antworten verbessern (Abb. 5). Die Frage nach der richtigen Adrenalindosierung bei einer Kinderreanimation zeigte mit 21 % den größten Zuwachs an korrekten Antworten.
Abb. 5
Anzahl der richtigen Antworten des Wissenstests vor und nach dem NaSim25-Kurs.
1 Die Verbrennungsbetten in Deutschland werden in der Regel zentral von der Leitstelle Hamburg zugewiesen. 2 Kreislaufstillstände sind im Kindesalter häufig kardial bedingt. 3 Bei der Defibrillation eines Kindes wird eine Stromstärke von 4 Joule/kgKG angewendet. 4 Der Reanimationsalgorithmus beim Kind erfolgt mit einem Verhältnis von 5 : 1 (Thoraxkompressionen : Atemspenden). 5 Die Adrenalindosierung in der Reanimation eines 4-jährigen Kindes beträgt 10 µg/kgKG. 6 Der Notarzt ist verpflichtet, nach erfolgloser Reanimation einen Totenschein auszustellen. 7 Medikamente dürfen präklinisch ausschließlich vom Notarzt verabreicht werden. 8 Beim präklinischen Gebrauch von Opiaten sindzwingend Name, Geburtsdatum und Einsatznummer zu dokumentieren. 9 Sterbende Pat. dürfen ohne vorliegende Patientenverfügung nach ambulanter Therapie zu Hause belassen werden. 10 Ein Patient mit ST-Hebungsinfarkt sollte bei einer peripheren SpO2 von 95 % 3 l O2 via Nasenbrille erhalten. 11 Bei einem Rechtsherzinfarkt ist die sublinguale Gabe von Nitroglycerin kontraindiziert. 12 5 mg Midazolam rektal sind zur Durchbrechung eines Krampfanfalls bei einem 25 kg schweren Kind korrekt dosiert
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Diskussion
In der vorliegenden Befragung unter Teilnehmenden von NaSim25-Kursen konnten der Zeitaufwand und Charakteristika des vorher stattgehabten Einsatzpraktikums erfasst sowie Verbesserungen im Bereich der Selbsteinschätzung und des Wissens durch die Teilnahme gezeigt werden. Insgesamt zeigen die vorliegenden Daten verschiedene positive Effekte durch die planbare und zeiteffiziente Möglichkeit der Sammlung von geforderten Einsätzen sowie die Chance, Erfahrung in der Versorgung kritischer Notfallbilder und in invasiven Maßnahmen im Rahmen einer Simulation eigenständig und nicht nur in der Beobachterrolle zu generieren.
Im Mittelwert erforderte das Einsatzpraktikum eine Zeitinvestition durch die Probanden von 3,20 h pro Einsatz. Bei 25 Einsätzen entspricht dies einer durchschnittlichen Gesamtdauer des Einsatzpraktikums von 80 Einsatzstunden, während bei 50 Einsätzen eine kumulierte Dauer von 160 h resultiert. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, den zeitlichen Aufwand entweder auf 20 Schichten à 8 h oder auf 14 Schichten à 12 h zu schätzen. Es ist hier jedoch zu bedenken, dass die Einsatzfrequenz je nach Standort (städtisch vs. ländlich) zu unterschiedlichen Tageszeiten und an verschiedenen Wochentagen erheblich variieren kann.
Bedingt durch demografische Entwicklung und wirtschaftliche Faktoren ist die ärztliche Ressource in Deutschland häufig begrenzt und die Verfügbarkeit eingeschränkt [9], weswegen diese Ressource möglichst effizient in die Versorgungsstrukturen eingebunden sein sollte [10, 11]. Auch die benötigten Stunden zum Erwerb der Einsätze für eine notärztliche Qualifikation sollten demnach möglichst effizient genutzt werden. Genau hierfür stellen die Einsatzsimulationen eine konkrete Lösung dar [7, 8], welche möglichweise in Zukunft auch um innovative Technologien erweitert werden kann [12]. Die Dauer der verschiedenen Simulationskonzepte zeigt bei einer Kursdauer von 2,5 bis 3 Tagen á 8–9 h für 25 Einsatzsimulationen im Vergleich zu den nichtsimulierten Einsätzen eine Zeitersparnis von mindestens 53 h (80 rechnerische Stunden bei 3,2 h pro Einsatz abzüglich 27 h bei einer Kursteilnahme), was über eine Regelarbeitswoche hinausgeht. Dieser Zeitgewinn kann etwaigen Arbeitgebern die Möglichkeit geben, das Personal in der Patientenversorgung einzusetzen und für weniger Zeit freistellen zu müssen. Naheliegend ist auch, dass der finanzielle Aufwand eines Simulationskurses (aktuell verfügbar ab ca. 1800 €) ökonomischer ist als die Zeitinvestition von durchschnittlich 80 h für die 25 Realeinsätze. Datenbasierte ökonomische Betrachtungen liegen hier zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht vor.
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Ein weiterer Vorteil der Simulationen ist die Möglichkeit, ein deutlich breiteres und planbares Spektrum von Einsatzszenarien abzubilden und vor allem diese im Rahmen eines strukturierten Debriefings nachzubesprechen. Die Reflexion des simulierten Einsatzes mit einem erfahrenen Instruktor kann hier einen Standard liefern, welcher durch unterschiedlich qualifizierte Notärzt*innen nach dem Realeinsatz nicht garantiert werden kann. Infolgedessen ermöglichen sie den Teilnehmenden eine Kompetenzsteigerung in Bezug auf relevante manuelle Fertigkeiten sowie Fachwissen, welche sich auch in der verbesserten Selbsteinschätzung zeigt und auf ein gesteigertes Sicherheitsgefühl schließen lässt. So gaben nach der Simulation signifikant mehr Teilnehmende an, sich ausreichend auf die Tätigkeit als Notärzt*innen vorbereitet zu fühlen. Dies steht im Einklang mit bisher bestehender Literatur zu Simulationen zum Kompetenzerwerb in der Notfallmedizin [13, 14]. Zudem konnte bereits gezeigt werden, dass der Wissenszuwachs und Fertigkeiten durch Simulationen gezielt gesteigert werden können [15]. Simulationskurse bieten die Möglichkeit, dass die Teilnehmenden die Maßnahmen praktisch durchführen und nicht nur durch Beobachten lernen oder Kompetenz durch Theorie erwerben. Am Beispiel der endotrachealen Intubation in Notfallsituationen, welche eine lebensrettende Maßnahme zur Sicherung der Atemwege und Ventilation und Oxygenierung von kritischen Patienten darstellt [16], wurde bei den nichtsimulierten Einsätzen häufiger ausschließlich beobachtet. Bei einer Simulation kann dies praktisch trainiert werden. Mehrere Studien zeigen, dass die Erfahrung und die Durchführung von Intubationen einen Vorteil für das Outcome des Patienten darstellen [17]. Hierdurch steigt die Selbsteinschätzung und folgend das Vertrauen in die eigene Kompetenz.
Die interprofessionelle Teamarbeit nimmt in akut- und notfallmedizinischen Versorgungsbereichen einen hohen Stellenwert für die Patientensicherheit ein [18, 19]. Sie kann jedoch in den Kursformaten oft nur eingeschränkt (oder gar nicht) dargestellt werden und Notärzt*innen übernehmen in den Simulationen auch die Rollen der anderen Mitglieder des Rettungsteams. Einerseits kann dies zwar das Verständnis für die Aufgaben und Perspektiven der anderen Profession fördern, andererseits spiegelt es nur bedingt die Realität das Einsatzes wider. Zumeist ist dies organisatorischen Hürden, wie der Anzahl der ärztlichen Teilnehmenden in den Kleingruppen und daraus resultierenden Preisniveaus der Kurse, geschuldet und nur in einzelnen Kursformaten umgesetzt. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine vergleichenden Arbeiten bzgl. der Lernerfolge der verschiedenen Konzepte.
Sowohl vor als auch nach Kursteilnahme wünschten sich >70 % der Teilnehmenden eine ärztliche Supervision im Einsatz, wenn auch eine nicht signifikante Abnahme nach dem Kurs registriert wurde. Hier bietet die Anwendung von Telemedizin eine Möglichkeit, welche in verschiedenen Regionen zur Unterstützung des Rettungsdiensts implementiert wird und an einzelnen Standorten über viele Jahre erfolgreich in der Regelversorgung genutzt wird [20, 21]. Zukünftig ist eine gezielte Supervision im Realeinsatz auch ein denkbares Ausbildungsinstrument, welches ergänzend die Qualitätssicherung des Rettungsdiensts weiterentwickeln kann [22].
Aufgrund der herausfordernden Situation, in der sich der Rettungsdienst in Deutschland befindet, hat auch die Stellungnahme der Regierungskommission zur Notfall- und Akutversorgung im Rettungsdienst konkrete Empfehlungen ausgesprochen [23]. Dazu gehört unter anderem eine zukünftige Ausweitung der Befugnisse für Notfallsanitäter, ergänzt um nach einheitlichem Standard qualifizierte Notärzt*innen, welche in besonders komplexen und schweren Notfällen zum Einsatz kommen. Die Stellungnahme erkennt außerdem an, dass die anfangs beschriebene Heterogenität der Anforderungen in den Bundesländern einen einheitlichen Qualitäts- und Qualifikationsstandard im Notarztwesen deutlich erschwert. Gerade unter diesem Gesichtspunkt sollte die Simulation in der standardisierten Ausbildung in Zukunft einen höheren Stellenwert erhalten.
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Nichtsdestotrotz sollte das Einsatzpraktikum nicht vollständig durch Simulationen ersetzt werden. Das Kennenlernen regionaler Strukturen im Rettungsdienstbereich (Einsatzgebiet, Krankenhäuser und deren Fachabteilungen), von Organisationsstrukturen und -prozessen sowie den in Bundesländern unterschiedlichen Vorgehensweisen bei forensischen Aufgaben wie der Todesbescheinigung oder dem ärztlichen Zeugnis zur Zwangseinweisung stellt ein wichtiges Element der Ausbildung dar und sollte nicht gänzlich durch Simulationen ersetzt werden.
Limitationen
Da Selbsteinschätzung stets eine subjektive Wahrnehmung darstellt und auch die aus der Erinnerung gemachten Angaben zu Zeitaufwand und Schwere der Einsätze fehlerhafter Einordnung unterliegen können, limitiert dies die Aussagekraft. Somit kann hier zwar von wegweisenden Ergebnissen ausgegangen werden, jedoch liefert dies noch keine Evidenz im direkten Vergleich zwischen Notärzten, welche ausschließlich ein Einsatzpraktikum absolvieren, und denjenigen, welche neben 25 Realeinsätzen den NaSim25-Kurs durchlaufen. Dies wäre in zukünftigen prospektiv vergleichenden Arbeiten zu untersuchen. Auch ist der Wissenstest vor Kursbeginn und nach Kursende nur eingeschränkt dazu geeignet, einen anhaltenden Wissenszuwachs durch eine Kursteilnahme nachzuweisen. Moderne Konzepte des „arbeitsplatzbasierten Assessments“ wie die Mini Clinical Evaluation Exercise (Mini-CEX), die Direct Observation of Procedural Skills (DOPS) oder auch die Entrustable Professional Activities (EPA) könnten hier zukünftige Bausteine einer Kompetenzüberprüfung sein.
Fazit für die Praxis
Simulierte Notarzteinsätze sind zeiteffizienter verglichen mit begleiteten Einsätzen im Rahmen des Einsatzpraktikums.
Die Selbsteinschätzung der zukünftigen Notärzt*innen konnte durch die Simulation positiv bestärkt und das Wissen gesteigert werden.
Insgesamt kann durch die Notarzteinsatzsimulation eine Qualitätsverbesserung der Notarztausbildung erreicht werden, welche sich als Voraussetzung in der Musterweiterbildungsordnung widerspiegeln sollte.
Um das Kennenlernen von lokal unterschiedlichen Strukturen, Organisationsprozessen sowie der Teams zu gewährleisten, sollte das Einsatzpraktikum nicht vollständig ersetzt werden.
Danksagung
Unser Dank gilt den lokalen Akteurinnen und Akteuren an Kursstandorten, die die vorliegende Arbeit durch Verteilung der Umfrage unterstützt und ermöglicht haben.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
A. Follmann ist Gesellschafter und ärztlicher Leiter der EmergEASY GbR, die NaSim25-Kurse anbietet. H. Schröder gibt an, freiberuflich als Dozentin und Ausbilderin in den nachfolgenden notfallmedizinischen Kurskonzepten tätig zu sein: NaSim25, Advanced Life Support, Prehospital Trauma Life Support, Emergency Pediatric Care, Qualifikationskurs Telenotarzt. S. Beierle, M. Felzen, S.K. Beckers, A. Müller und U. Walter geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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