Die Praxisanleitung ist ein entscheidender Faktor im Studium: Sie ist die Brücke zwischen theoretischem Wissen und praktischer Umsetzung. Mit der Akademisierung des Hebammenberufs wurde die praktische Ausbildung neu strukturiert. Damit Studierende bestmöglich auf ihre künftige Berufspraxis vorbereitet werden, braucht es klare Strukturen, eine enge Verzahnung zwischen den Hochschulen und den verantwortlichen Praxiseinrichtungen sowie engagierte Anleitende.
Hebammenstudierende sollen nicht nur fundiertes Wissen erwerben, sondern auch im realen Praxisalltag bestehen. Die Praxisanleitung ist dabei der Schlüssel zum Erfolg – doch ihre Umsetzung bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich. Wie lassen sich gesetzliche Vorgaben mit der Realität in Kliniken und bei freiberuflichen Hebammen vereinbaren und wo gibt es Nachbesserungsbedarf?
Optimierungsbedarf: Struktur und Finanzierung
Seit der Reform des Hebammengesetzes im Jahr 2019 sind die Hochschulen und die verantwortlichen Praxiseinrichtungen (vPE) gemeinsam für die Ausbildung der Studierenden zuständig. Vielerorts wurden Konzepte entwickelt, Kooperationsmodelle entworfen und Überlegungen zur Finanzierung der Praxiseinsätze angestellt. Die Finanzierung bleibt dabei ein kritischer Punkt: Hierfür sind die vPE verantwortlich – also Kliniken und hebammengeleitete Einrichtungen. Sie müssen Verbindlichkeiten sowohl gegenüber den Studierenden als auch den vorzuhaltenden Praxisanleitungsressourcen regeln. Dabei existieren große Unterschiede zwischen den Bundesländern: Während einige klare Finanzierungsmodelle etabliert haben, hadern andere noch mit fehlenden Mitteln und unklaren Zuständigkeiten.
Wie so oft, liegt der Teufel dabei im Detail: Die geleisteten Praxisanleitungsstunden müssen genau dokumentiert werden, da sie die Grundlage für die Refinanzierung sind. In einigen Bundesländern erfolgt die Finanzierung in gestaffelten Beträgen – wer knapp unter einer Grenze liegt, erhält weniger Geld. In Baden-Württemberg beispielsweise, erfolgt die Budgetierung der Praxisanleitung nach 5%-Schritten: Eine Einrichtung, die 24,5% Anleitung leistet, erhält die Pauschale für 20%. Das kann dazu führen, dass Einrichtungen finanzielle Verluste machen, obwohl sie fast alle geforderten Stunden leisten. Diese Unsicherheiten erschweren die Planung für die verantwortlichen Einrichtungen.
Akademisierung: Auch für Anleitende ein Gewinn
Die Akademisierung des Hebammenberufs bringt nicht nur für Studierende, sondern auch für erfahrene Praxisanleiter*innen große Veränderungen mit sich. Viele von ihnen wurden noch nach dem alten Hebammengesetz ausgebildet und sind mit den heutigen wissenschaftlichen Lehrmethoden wenig vertraut. Heute sollen sie Studierende mit wissenschaftlichem Anspruch anleiten. Da können auch mal Spannungen im Team entstehen – denn nicht immer können die neuen evidenzbasierten Ansätze, welche die Studierenden in den Klinikalltag mitbringen, nahtlos umgesetzt werden. Während Studierende an Hochschulen beispielsweise strukturierte Gesprächstechniken erlernen, wurde früher oft nach Erfahrungswissen gearbeitet.
Selbstverständlich können die Praxisanleitenden nicht die gesamten Inhalte eines Hebammenstudiengangs erneut erlernen – das müssen sie auch nicht. Ihr originäres Hebammenwissen und die Expertise aus den Jahren der Berufspraxis reichen aus. Dennoch macht es Sinn, sich mit den neuen Herangehensweisen vertraut zu machen. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Praxisanleitenden kann eine Brücke zwischen beiden Welten bauen und gegenseitiges Verständnis zu fördern. Einen konkreten Lösungsansatz bieten die Skills-Labs an Hochschulen. Diese könnten auch für Praxisanleitende geöffnet werden – beispielsweise im Rahmen eines eintägigen Seminars – um ihnen die neuen didaktischen Methoden näherzubringen und Raum für Austausch zu eröffnen. Ebenso sinnvoll kann die Teilnahme einzelner Praxisanleiter*innen an Vorlesungen und Seminaren sein, damit sie besser verstehen, wie Theorie heute vermittelt wird oder wissenschaftlich gearbeitet wird. Solche Angebote können sogar im Rahmen einer gemäß § 10 Abs. 4 HebStPrV (Hebammen Studien- und Prüfungsverordnung) erforderlichen Fortbildung durchgeführt werden, so dass die berufspädagogischen Auffrischungsqualifikationen gleich mit abgedeckt sind.
Nicht nur Praxisanleitende sollten über den Tellerrand schauen – auch wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, Dozierende und Studierende profitieren von einem Perspektivwechsel. Etwa indem wissenschaftliche Mitarbeiter*innen an Kreißsaaldiensten teilnehmen, um einen Einblick in die Praxis zu erhalten. Oder indem Studierende dazu geschult werden, wie Sie neue Erkenntnisse vermitteln. Ziehen alle an einem Strang und begegnen einander mit Offenheit und Neugier, kann eine wertvolle Symbiose aus Wissenschaft und praktischer Expertise wachsen, die letztendlich den Studierenden, den Praxisanleitenden und der Hebammenarbeit insgesamt zugutekommt.
Fazit: Kein Fortschritt ohne Hürden
Es gibt zahlreiche Herausforderungen in der Praxisanleitung. Manche davon sind neu, aber einige auch altbekannt: Uneinheitliche Finanzierungsmodelle, ein hoher bürokratischer Aufwand und personelle Engpässe erschweren eine flächendeckend hochwertige Ausbildung. Gleichzeitig zeigt sich, dass es vielerorts engagierte Akteur*innen gibt, die Lösungen vorantreiben. Ob durch innovative Kooperationsmodelle eine bessere Verzahnung von Theorie und Praxis oder die schrittweise Anpassung der Finanzierungsstrukturen – es wird kontinuierlich daran gearbeitet, die Bedingungen für Studierende, Praxisanleitende und Praxiseinrichtungen zu verbessern. Die Hebammenausbildung ist im Wandel, und auch wenn es noch Hürden gibt, ist die Motivation groß, zukunftssichere Strukturen zu schaffen. (jr)