Die Praxisanleitung ist ein wesentlicher Bestandteil im Hebammenstudium. Sie verknüpft theoretisches Wissen mit praxisnahen Erfahrungen und trainiert notwendige Fertigkeiten. Dabei werden die Studierenden von erfahrenen Hebammen begleitet, die ihnen helfen, theoretisches Wissen in die Praxis umzusetzen und ihre Handlungskompetenz im gesamten Betreuungsbogen einer Hebamme zu entwickeln. Was es für anleitende Hebammen, die freiberuflich arbeiten, zu beachten gilt, erklären Lucia Heinrich von der Praxisgemeinschaft „hebammen rundum“ in Grünkraut und Tanja Maierhof, Praxisreferentin in der Hebammenkunde an der Hochschule Fulda, im Gespräch.
Lucia Heinrich (links) und Tanja Maierhof (rechts), © beide privat
Frau Heinrich, welche Voraussetzungen muss eine freiberufliche Hebamme erfüllen, um auch Praxisanleitungen durchführen zu können?
Lucia Heinrich: Es gibt zwei Wege um als freiberufliche Hebamme Praxisanleitungen durchführen zu können:
- Mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und eine berufspädagogische Zusatzqualifikation zur Praxisanleitenden von mindestens 300 StundenEine Ermächtigung der zuständigen Behörde, wenn die Hebamme schon bis zum 31.12.2019 praxisanleitend tätig war, das heißt Hebammenschüler*innen im Externat betreut hat
- Ergänzend müssen jährlich 24 Stunden berufspädagogische Fortbildungen nachgewiesen werden, je nach Bundesland auch 72 Stunden in drei Jahren. Genauere Infos dazu sind in der Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen (HebStPrV) zu finden.
Frau Maierhof, welche finanziellen Unterstützungen gibt es für die Weiterbildung?
Tanja Maierhof: Auch diese finanzielle Unterstützung ist gesetzlich geregelt (§18 HebG): Die freiberufliche Kollegin schließt mit einer vPE (verantwortliche Praxiseinrichtung) einen Kooperationsvertrag ab und beginnt dann mit der Qualifizierungsmaßnahme. Nur so ist es der Klinik möglich, die Weiterbildungsmaßnahme in der Budgetverhandlung einzubringen. Wenn die Hebamme die Ausbildung erfolgreich beendet hat und dann tatsächlich als Praxisanleitende tätig wird, bekommt sie über die vPE eine Pauschale von 9.730 €. Diese soll die Kosten für die Qualifikationsmaßnahme, den Verdienstausfall und die Reisekosten abdecken. Die Abrechnung der Pauschale ist nur mit einer vPE möglich, auch wenn die Hebamme Studierende von unterschiedlichen Hochschulen und Kliniken betreut und auch mehrere Kooperationsverträge abschließt.
Praxisanleitungen durchzuführen, bedeutet auch einen erhöhten Aufwand in teilweise sehr getakteten Arbeitstagen. Was habe ich davon, zusätzlich als Praxisanleiterin zu arbeiten?
Heinrich: Als freiberufliche Hebamme kann die Arbeit mit Studierenden den eigenen Arbeitsalltag sehr bereichern. Studierende bringen neue Ideen, hinterfragen eingefahrene Abläufe und ermöglichen die Reflektion. Es macht Spaß, die eigene Erfahrung weiterzugeben, den Lernprozess zu begleiten und zu sehen, wie die Studierenden sich im Zeitraum des außerklinischen Einsatzes verändern, sich mehr zutrauen und eigene Ziele erreichen. Als freiberufliche Hebamme in der Praxisanleitung kann ich Studierende an die Wahrnehmung der Aufgaben des Hebammenberufes heranführen.
Maierhof: Durch die Kooperation und enge Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Praxiseinrichtungen bekommt man zusätzlich Einblicke in die Organisation und die Inhalte des Studiums. Praxisanleiterinnen in der Freiberuflichkeit sind ein wichtiges Bindeglied zwischen Theorie und Praxis. Als freiberufliche Hebamme praxisanleitend tätig zu sein bringt natürlich einen gewissen Mehraufwand mit sich. Dieser wird über eine Pauschale von 6.600€ für 480 Stunden außerklinischen Einsatz vergütet. Die freiberufliche Hebamme kann die Pauschale anteilig mit der vPE nach Abschluss des Einsatzes und Nachweis der Praxisanleitung abrechnen.
Worin liegen die Unterschiede zwischen einer Praxisanleitung in der Klinik, in einer hebammengeleiteten Einrichtung und der in der Freiberuflichkeit?
Maierhof: Rein rechtlich liegen die Anteile der Praxisanleitung in allen Praxiseinsätzen der Studierenden bei 25% der gesamten Arbeitsstunden. Unterschiede gibt es in der Vergütung und in der Intensität der Zusammenarbeit mit den Studierenden: In der Klinik gibt es meist mehrere praxisanleitende Hebammen oder auch eine zuständige Praxiskoordination für Hebammenstudierende. In der Freiberuflichkeit gibt es in den allermeisten Fällen eine 1:1 Begleitung und Betreuung über die kompletten Arbeitsstunden, nicht nur für die Zeit der Praxisanleitung. Der Austausch mit Kolleginnen in der Freiberuflichkeit ist für Praxisanleitende nicht täglich möglich.
In Hebammen geleiteten Einrichtungen mit mehreren Hebammen kann eine klinikähnliche Struktur für Hebammenstudierende geschaffen werden. Auch ein regelmäßiger Austausch der Praxisanleitenden ist dort möglich. Ein Ziel unseres Workshops ist es, Alternativen aufzuzeigen und durch selbstorganisiertes Lernen der Studierenden die Möglichkeit zu geben, in der Praxisanleitung selbständig Themen auszuarbeiten und zu reflektieren.
Heinrich: Eine Besonderheit stellt die Berufshaftpflichtversicherung in der Freiberuflichkeit dar. In der Gruppenversicherung des DHV ist die Tätigkeit als Praxisanleiterinnen mitversichert. Bei anderen Versicherern muss dies abgeklärt werden.
Wie wird die Qualität der Praxisanleitung in der Freiberuflichkeit sichergestellt?
Maierhof: Die Sicherstellung der Qualität erfolgt über den Nachweis der Fortbildungsstunden, Feedbackgespräche mit den Studierenden und gemeinsame Gespräche mit den Kolleginnen der vPE oder der Hochschule, die die Studierenden im außerklinischen Einsatz betreuen. Je nach Bundesland ist ein Nachweis der Ausbildung bei der zuständigen Behörde notwendig, gegeben falls nur auf Nachfrage.
In der Freiberuflichkeit gibt es kein Team im Hintergrund, mit dem man sich austauschen kann. Wo finde ich als anleitende Hebamme Unterstützung oder Rat, wenn es Probleme in Bezug auf die Anleitung gibt?
Maierhof: Es ist eine Möglichkeit, sich an die verantwortlichen Praxiseinrichtung oder die Hochschule der Studierenden zu wenden und dort nach Unterstützung zu fragen. Einige der verantwortlichen Praxiseinrichtungen laden die freiberuflichen Hebammen, die einen Kooperationsvertrag mit ihnen geschlossen haben, zu Qualitätszirkeln ein. Hier können auch Fragen oder Schwierigkeiten besprochen werden.
Heinrich: Sinnvoll ist es auch, sich als freiberufliche Hebammen zusammenzuschließen und Studierende gemeinsam zu betreuen. So werden die wöchentlichen Arbeitsstunden erreicht, die Kolleginnen können sich absprechen und die Studierende erhält Einblick in mehrere Tätigkeitsbereiche und Arbeitsweisen.
Was braucht es, damit Praxisanleitung in der Freiberuflichkeit für alle Seiten gut läuft?
Heinrich: Praxisanleitende und Studierende brauchen Freude am Lernen von Neuem, Offenheit und Vertrauen, wenn es beispielsweise verschiedene Herangehensweisen von Theorie und Praxis aufeinandertreffen. Eigentlich alles Eigenschaften, die wir als Hebammen auch in der täglichen Arbeit benötigen. Zusätzlich ist eine gute Organisation des außerklinischen Einsatzes, der Vorgaben, was gelernt werden soll, der Dokumentation und Gesprächsführung ein sehr wichtiger Rahmen. Dann können sich Studierende und Hebamme auf die freiberufliche Hebammentätigkeit konzentrieren. Den Studierenden eröffnet sich ein neues Feld der Hebammenarbeit, das von ihnen beispielsweise auch Flexibilität in den Arbeitszeiten erfordert.
Welche Punkte sollten für die Kolleginnen in der Freiberuflichkeit zeitnah nachgebessert werden?
Heinrich: Gerade wenn man als freiberufliche Hebamme mit mehreren vPEs kooperiert sind die großen Unterschiede in der Organisation auffällig. Für freiberufliche Hebammen wäre es einfacher, wenn es einheitlichere Regelungen geben würde. Beispiele sind die Dokumentationsvorgaben und -formulare oder die Organisation der Zahlung der Pauschale auch bei Krankheit oder kurzfristigem Ausfall der Studierenden.
Maierhof: Es gibt für freiberufliche Hebammen zunehmend mehr Fortbildungsangebote, das ist sehr positiv. Wünschenswert ist eine Evaluation der Arbeitssituation freiberuflicher Hebammen in der Praxisanleitung. Das wäre auf jeden Fall ein sehr spannendes Thema für eine Abschlussarbeit.
Das Interview führte Josefine Baldauf
Ist Ihr Interesse geweckt?
Am 4. Mai 2025 geben Tanja Maierhof und Lucia Heinrich auf der Konferenz zur Pädagogischen Arbeit im Hebammenstudium (HEBA-PÄD) in Münster einen Workshop. Mehr Informationen zur Kooperationsveranstaltung von der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft und dem Deutschen Hebammenverband finden Sie hier: https://www.dghwi.de/veranstaltungen/heba-paed/