Hintergrund
In deutschen Krankenhäusern arbeiten über 1,3 Mio. Menschen (Statistisches Bundesamt
2024). Die beiden größten homogenen Berufsgruppen stellen die Pflegekräfte und die Ärzteschaft, die zusammen etwa 56 % der Beschäftigten in Kliniken ausmachen, dar (Wasem und Blase
2023). Zwischen den Pflegekräften und der Ärzteschaft besteht eine lange traditionelle Verbindung, die von Geschlechterhierarchien und berufsspezifischen Machtverteilungen geprägt ist und sich bis heute auf die Zusammenarbeit auswirkt (Reevers et al.
2008).
Die neue Arbeitswelt ist geprägt von flacheren Hierarchien, Mitarbeitendenförderung und Partizipation (Baumann
2020). In diesem Kontext wird von einem Paradigmenwandel gesprochen, der sich auf der Ebene des Denkens, der Werte und der Weltbilder vollzieht (Seliger
2014). Alte Tugenden wie „Autorität“, „Gehorsam“ und „Fügsamkeit“ verlieren an Bedeutung, während Werte wie „Selbstverantwortung“, „Teamdenken“ und „Fähigkeit zum Zuhören“ wichtiger werden (Amelung und Ex
2020). Das neue Paradigma betont zudem Eigenschaften wie „Verbinden“, „Integrieren“ und „Vernetzen“ (Seliger
2014). Mit dem umwälzenden Wandel in der Gesellschaft, der mit einem Wertewandel einhergeht, dem Fachkräftemangel und multiplen Milieus erhöhen sich zugleich die Anforderungen an Führungskräfte (Baumann
2020).
Die Positive Psychologie und deren Anwendbarkeit in Organisationen
Die Wissenschaft der Positiven Psychologie integriert zahlreiche Forschungen (Rose
2019); Martin Seligman (
2012) hat den vielschichtigen Ansatz in einem Modell zusammengefasst, das als PERMA bekannt ist und die 5 Elemente der Positiven Psychologie vertritt:
Positive Emotion, Engagement, Relationships, Meaning und
Accomplishment. Diese Elemente üben einen entscheidenden Einfluss auf das menschliche Wohlbefinden aus (Seligman
2012).
Die Prinzipien der Positiven Psychologie und deren wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich auf den Führungskontext von Organisationen anwenden, da sie das Wohlbefinden von Individuen und Teams im Arbeitsumfeld beschreiben und fördern können (Ebner
2019; Rose
2019). Im Folgenden werden die 5 PERMA-Elemente in ihren Relationen zum Wohlbefinden am Arbeitsplatz vorgestellt:
Jedes der 5 Elemente trägt zum Wohlbefinden bei. Menschen streben von Natur aus danach, diese Elemente in hohem Maße zu erfahren, wie Seligman (
2012) darstellt. Führung bedeutet, Menschen zu lenken und zu beeinflussen, was eine große Verantwortung mit sich bringt. Führungskräfte sollten über die Kompetenz verfügen, das Potenzial ihrer Mitarbeitenden zu erkennen und zu fördern. Idealerweise sind Führungskräfte in der Lage, ein Umfeld zu schaffen, in das Mitarbeitende ihre individuellen Stärken einbringen und weiterentwickeln können (Ebner
2019; Seliger
2014).
Die Professionen der Pflegekräfte und Ärzteschaft
Ein Blick in die Historie zeigt, dass die Krankenpflege in Europa stark vom christlichen Gedankengut geprägt und ursprünglich von Männern und Frauen gleichermaßen unter dem Gebot der Barmherzigkeit durchgeführt worden ist. Krankenpflege als fast reiner Frauenberuf entstand erst im 19. Jh. Zu dieser Verweiblichung kam es durch die Nutzbarmachung der bürgerlichen Frauenrolle für die Pflege. Hauptursachen waren die Ergänzungsfunktion der Pflege in der Medizin, die Inanspruchnahme des weiblichen Arbeitsvermögens und die strukturelle Ähnlichkeit zwischen Hausarbeit, Mutterrolle und Krankenpflege (Bischoff
1992). Die hierarchische Ordnung in der Pflege hat sich im Laufe der Zeit ebenfalls gewandelt. Während Ordensschwestern und Diakonissen sich durch ihre Zugehörigkeit zu Mutterhäusern eine gewisse Selbstständigkeit gegenüber der Ärzteschaft bewahrten, hatte sich das weltlich ausgerichtete Pflegepersonal der Ärzteschaft unterzuordnen (Friedrich
2007).
Die Arztfigur wurde stets als besonders wissend und belastungsfähig dargestellt, oft konnotiert mit romantischen oder religiös-mystischen Zügen und immer in maskulin-heroischer Form. Bis in die 1960er-Jahre musste sich der Patient dem Diktat des Arztes beugen. Ab Ende der 1960er-Jahre bewirkten interaktionistische Ansätze eine veränderte Sichtweise auf den Arztberuf, was dazu führte, diese Personen zu entdramatisieren und zu entmystifizieren. Der Patient als Kunde und die nichtärztlichen Berufe gewannen an Bedeutung, was soziologisch als Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel gesehen wird (Atzeni
2016).
Frauen war bis in das 19. Jh. der Zugang zum Medizinstudium verwehrt (Bischoff
1992). Mit der Zulassung der Frauen zum Medizinstudium und der darauffolgenden stetigen Zunahme des Frauenanteils an der ärztlichen Profession begann die geschlechterdifferenzierende Zuordnung medizinischer Bereiche. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Krankenhauswesen kann als direkte Fortsetzung der traditionellen Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen in der Gesellschaft betrachtet werden (Gjerberg und Kjølrød
2001).
Forschungslücke und Ziel der Studie
In der bisherigen Forschung zur Positiven Psychologie, die auf dem PERMA-Modell basiert und sich auf Berufe im Gesundheitswesen konzentriert, liegt der Fokus entweder auf den Gesundheitsberufen im Allgemeinen oder auf einer spezifischen Berufsgruppe. Ein direkter Vergleich der Arbeitswahrnehmung seitens der Pflegekräfte und der Ärzteschaft unter gleichmäßiger Berücksichtigung aller Elemente des PERMA-Modells wurde jedoch bislang nicht durchgeführt. Zudem befassen sich die gegenwärtigen Studien mit jeweils einzelnen Aspekten der Positiven Psychologie. Sie fokussieren beispielsweise auf folgende Themen: Beziehungsqualität (Ahmad et al.
2023), Wertschätzung, Achtsamkeit und Stressbewältigung (Slavin et al.
2012), emotionale Intelligenz und Wohlbefinden (Abdelkreem et al.
2021) sowie das Sinn- und Flow-Erleben am Arbeitsplatz (Shreffler und Huecker
2022). Eine weitere Studie untersucht die Gesundheit der Mitarbeitenden, die Work-Life-Balance und Burn-out (Liu et al.
2022), während eine andere Studie den Effekt von Interventionen der Positiven Psychologie auf die Arbeitswahrnehmung analysiert (Congard et al.
2020).
So stellen Ahmad et al. (
2023) in ihrer Analyse fest, dass eine hohe Beziehungsqualität am Arbeitsplatz den Arbeitserfolg steigert. Slavin et al. (
2012) betrachten die Bedeutung von Wertschätzung und Achtsamkeit bei der Stressbewältigung im Gesundheitswesen im Kontext des PERMA-Modells. Sie weisen in diesem Zusammenhang auf die stärkenden Effekte von PERMA-Integration-Programmen hin. Die Studie von Shreffler und Huecker (
2022) zeigt, dass Flow-Erfahrungen in der ärztlichen Profession positiv mit Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden korrelieren. Bazargan-Hejazi et al. (
2021) führen eine Metaanalyse zu den PERMA-Elementen im Zusammenhang mit dem Wohlbefinden von Ärztinnen und Ärzten durch. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass systemgesteuerte Interventionen, die den PERMA-Merkmalen entsprechen, positive Ergebnisse erzielen, das Wohlbefinden der Ärztinnen und Ärzte erhöhen und Burn-out entgegenwirken. Liu et al. (
2022) zeigen in ihrer Untersuchung, dass Interventionen der Positiven Psychologie – insbesondere die soziale Unterstützung – sich positiv auf Gesundheit, Schlafqualität und Arbeitsengagement der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen auswirken. Hall et al. (
2023) betonen die Sinnwahrnehmung und hochwertige Beziehungen im Berufsalltag als zentrale Elemente der Positiven Psychologie und heben hervor, dass die Qualität der Beziehungen innerhalb einer Organisation die Sinnwahrnehmung stark prägt. Congard et al. (
2020) legen den Schwerpunkt auf PERMA-basierte Interventionen im allgemeinen Berufsleben. Sie beobachten, dass die Fokussierung auf positive Affekte – etwa Freude, Optimismus und Dankbarkeit – negative Emotionen wie Nervosität, Ärger, Traurigkeit und Besorgnis reduzieren kann. Abdelkreem et al. (
2021) nutzen das PERMA-Profiler-Modell, um den Zusammenhang zwischen emotionaler Intelligenz und Wohlbefinden bei Pflegekräften auf Intensivstationen zu beleuchten. Die Studie zeigt, dass höhere emotionale Intelligenz mit besserer Anpassungsfähigkeit an Arbeitsstress, positiveren Arbeitsbeziehungen und einer geringeren Fluktuationsabsicht korreliert.
Eine Forschungslücke ist darin zu erkennen, dass ein direkter Vergleich der Arbeitswahrnehmungen von Pflege- und Ärzteschaft, basierend auf allen 5 Elementen des PERMA-Modells, bisher aussteht.
Das Ziel vorliegender Studie ist es, dazu beizutragen, diese Lücke zu schließen, indem die Arbeitswahrnehmung von Pflegekräften und Ärzteschaft anhand der PERMA-Elemente untersucht wird. Dabei sollen mögliche Unterschiede zwischen den Berufsgruppen sowie in der Wahrnehmung der Führung durch die direkten Vorgesetzten und die Klinikleitung identifiziert werden. Darüber hinaus wird ein möglicher Zusammenhang mit der Geschlechterzugehörigkeit untersucht. Die Ergebnisse der Studie sollen dazu beitragen, das Wohlbefinden der Mitarbeitenden beider Professionen zu verbessern und die Zusammenarbeit zu stärken, indem potenzielle Schwachstellen identifiziert und ggf. Optimierungsmaßnahmen ergriffen werden.
Forschungsdesign, Forschungsfrage und Hypothesen
Um die komplexen Zusammenhänge der Arbeitswahrnehmung zu untersuchen, wurde mit einem auf wissenschaftlicher Basis entwickelten Fragebogen eine quantitative Studie, die auf den Prinzipien der Positiven Psychologie basiert, durchgeführt. Die Studie geht von der Prämisse aus, dass der Mensch von Natur aus eine hohe Erfüllung der 5 PERMA-Elemente der Positiven Psychologie anstrebt und folgt damit Seligman (
2012).
Basierend auf theoretischen Überlegungen und den gewonnenen empirischen Erkenntnissen wurden eine zentrale Forschungsfrage und drei Hypothesen aufgestellt.
Die zentrale Forschungsfrage lautet: „Welche Faktoren stehen im Zusammenhang mit den Elementen des PERMA-Modells – Positives Gefühl, Engagement, Förderliche Beziehungen, Sinn und Zielerreichung – bei pflegerischen und ärztlichen Mitarbeitenden eines Klinikums?“
Ein direkter Vergleich der Arbeitswahrnehmungen von Pflegenden und Ärzteschaft, basierend auf allen 5 Elementen des PERMA-Modells, versucht, eine bisher bestehende Forschungslücke auszufüllen. Fachspezifische Forschungen, sowohl national als auch international, konzentrieren sich bislang auf ausgewählte Aspekte der Positiven Psychologie. Die vorliegende Studie greift diese Lücke auf und leistet einen Beitrag in drei zentralen Bereichen: Erstens wird ein umfassender Überblick über die Ausprägung der 5 Elemente der Positiven Psychologie im Kontext der Arbeitswahrnehmung von Pflege- und Ärzteschaft in einem deutschen Klinikum der Maximalversorgung geboten, wobei die Wahrnehmungen der PERMA-Elemente zueinander in Relation gesetzt werden. Zweitens werden die Zusammenhänge der Führungsebenen mit der Arbeitswahrnehmung untersucht. Drittens werden die Unterschiede in der Arbeitswahrnehmung beider Professionen sowie die Auswirkungen der Geschlechterzugehörigkeit auf die Arbeitswahrnehmung beleuchtet. Die Ergebnisse der Studie zielen darauf ab, das Wohlbefinden der Mitarbeitenden in beiden Professionen zu fördern und die Zusammenarbeit durch die Identifikation potenzieller Schwachstellen und die Implementierung von Optimierungsmaßnahmen zu stärken.
Methode
Die quantitative Querschnittstudie wurde im Mai 2021 in Zusammenarbeit mit einem Klinikum der Maximalversorgung durchgeführt. An der Befragung nahmen zwei Standorte des Klinikums teil, die beide in derselben deutschen Großstadt liegen. Zur Befragungszeit waren in den beiden Häusern des Klinikums rund 3300 Mitarbeitende, gerechnet in Vollzeitstellen im pflegerischen und im ärztlichen Dienst, beschäftigt, davon 2351 in der Pflege und 949 in der Ärzteschaft.
Die Befragung war als Vollerhebung im pflegerischen und im ärztlichen Dienst angelegt. Die Konzeption und Bereitstellung des Fragebogens wurden von der Erstautorin übernommen, während das Befragungsverfahren von der klinikinternen Abteilung für Unternehmensentwicklung organisiert wurde.
Der Fragebogen
Für die empirische Erhebung wurde ein eigener Fragebogen entwickelt, da kein geeignetes und validiertes Instrument, das die spezifischen Aspekte der Positiven Psychologie für die Berufsgruppen in der Pflegenden und der Ärzteschaft abdeckt, aus der Literatur verfügbar war.
Der PERMA-Profiler (Wammerl et al.
2019) ist ein anerkanntes Messinstrument im Bereich der Positiven Psychologie, das alle 5 Wohlfühlbereiche des PERMA-Modells gleichermaßen erfasst. Diese umfassende Betrachtung stellt eine Gemeinsamkeit mit dem Ansatz des entwickelten Fragebogens dar. Allerdings liegt der Fokus des PERMA-Profilers auf dem allgemeinen Wohlbefinden von Menschen und nicht speziell auf der Wahrnehmung im Arbeitskontext oder auf den beruflichen Führungsebenen. Zwar kann der PERMA-Profiler im Arbeitskontext angewendet oder entsprechend angepasst werden, jedoch zeigte sich, dass er für das spezifische Arbeitsfeld der Pflege- und Ärzteschaft nicht primär geeignet ist. Diese Berufsgruppen unterliegen besonderen Anforderungen und Herausforderungen, die eine gezielte Betrachtung erfordern, insbesondere in Bezug auf die Wahrnehmung von Führungsaspekten.
Der PERMA-Lead-Test (Ebner
o.J.) untersucht hingegen die Wirkung von Führung auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden in den 5 PERMA-Komponenten. Auch er teilt die Gemeinsamkeit, dass alle 5 Elemente des Modells gleichermaßen berücksichtigt werden. Sein Schwerpunkt liegt jedoch auf der Führungsebene, indem er Führungskräften gezielte Rückmeldungen zu ihrem Führungsverhalten gibt und aufzeigt, in welchen Bereichen bereits Stärken im Führungsverhalten bestehen, und wo weiteres Entwicklungspotenzial vorhanden ist. Diese Zielsetzung unterscheidet ihn deutlich von dem hier entwickelten Fragebogen, der breiter angelegt ist und speziell auf die Arbeitswahrnehmungen von Pflegekräften und Ärzteschaft abgestimmt wurde. Der entwickelte Fragebogen legt dabei ein besonderes Augenmerk auf die Wahrnehmung von Führung aus der Perspektive der Mitarbeitenden in diesen Berufsgruppen.
Die Entwicklung des eigenen Fragebogens schien daher notwendig, um die spezifischen Anforderungen und Arbeitsbedingungen in der Pflege- und Ärzteschaft abzubilden, die weder vom PERMA-Profiler noch vom PERMA-Lead-Test vollständig erfasst werden können. Durch diese gezielte Anpassung wird sichergestellt, dass sowohl die allgemeinen Prinzipien der Positiven Psychologie als auch die spezifischen beruflichen Kontexte Berücksichtigung finden. Damit bietet der entwickelte Fragebogen eine praxisnahe und differenzierte Möglichkeit, das Wohlbefinden und die Wahrnehmung von Führung in diesen anspruchsvollen Berufsfeldern zu analysieren.
Der Fragebogenerstellung ging eine Operationalisierung des Konstrukts
Positive Psychologie voraus. Basierend auf Fachliteratur und Studienergebnissen zur Arbeitswahrnehmung wurden dazu zunächst die Zusammenhänge mit den Elementen der Positiven Psychologie thematisiert. Im Folgenden wurden daraus Fragen konzipiert, speziell ausgerichtet auf die zu befragende Klientel der Pflege- und Ärzteschaft. Die qualitative Evaluation des Fragebogens erfolgte anhand von Experteneinschätzungen (Weiber und Sarstedt
2021), indem 2 Pretests in Form eines Dialogs zu den Inhalten durchgeführt wurden.
Der Fragebogen bestand im Teil A aus 15 geschlossenen Fragen zu den 5 Elementen der Positiven Psychologie. Beispielsweise lauteten 2 Items im Teil A: „Ich werde in meiner Arbeit respektvoll behandelt.“ und „Die Anforderungen an mich sind genau richtig, ich fühle mich weder unterfordert noch überfordert.“ Als Antwortmöglichkeit wurde gewählt: Einfachnennung auf einer 5‑stufigen Likert-Skala mit einer verbalen Skalenbezeichnung von „trifft voll zu“ bis „trifft gar nicht zu“. Im Teil B wurden 15 geschlossene Fragen zu Führungs- und Arbeitswahrnehmung gestellt, wobei die gleiche Antwortmöglichkeit vorgegeben war. Die Items lauteten beispielsweise: „Ich habe Vertrauen zu meinem direkten Vorgesetzten.“ „Ich empfinde die hierarchischen Strukturen in meiner Klinik als zeitgemäß.“ Im Teil C wurden als demografische Grunddaten abgefragt: Geschlecht (männlich, weiblich, divers), Alter (in Zehnerschritten), Tätigkeit (pflegerischer und ärztlicher Dienst) und Funktion (nichtleitend, leitend). Im Teil D
1 wurden 4 Zusatzfragen gestellt, die anhand einer Benotungsskala von „sehr gut“ bis „nicht genügend“ beantwortet werden sollten und sich auf folgende Themen bezogen:
Führungsverhalten des direkten weiblichen/männlichen Vorgesetzten, Führungsverhalten der Klinikleitung, Wahrnehmung der hierarchischen Struktur und
Wahrnehmung der respektvollen Anredeform. Den Abschluss bildete ein 3‑zeiliger Raum für persönliche Anmerkungen.
Die interne Validität des Fragebogens sollte dadurch sichergestellt werden, dass die Formulierung der Fragen die Antwort nicht beeinflusst. Zur Sicherung der Inhaltsvalidität wurden die Aspekte zu den Elementen der Positiven Psychologie und die Aspekte „Führungsverhalten“ sowie „Hierarchie‑, Berufs- und Weiterbildungswahrnehmung“
2, die in der Literatur erwähnt werden, beleuchtet. Der erstellte Fragebogen unterlag 2 Pretests. Zudem wurden zur Schaffung der Inhaltsvalidität möglichst viele relevante Aspekte in der Erfassung der Elemente zur Positiven Psychologie in den Items abgebildet und die Konstrukte gleich gewichtet (Bühner
2011, S. 344) – z. B. Respekt, Lohngerechtigkeit, Commitment, Arbeitsplatzatmosphäre, Stärkenorientierung, Wertevermittlung, Selbstbestimmtheit, Erfolgswahrnehmung und Anforderungsprofil der Arbeit. Die unabhängige Untersuchungsmethode sorgte dafür, dem Kriterium der Objektivität zu entsprechen.
Der Artikel konzentriert sich auf die subjektive Arbeitswahrnehmung seitens der Pflegekräfte und der Ärzteschaft, die Führungswahrnehmung sowie auf die berufs- und geschlechtszugehörigkeitsbezogenen Merkmale. Es wird untersucht, ob und ggf. wie diese Unterschiede mit der Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen im Zusammenhang stehen. Die im Teil D des Fragebogens enthaltenen 4 Zusatzfragen und persönlichen Anmerkungen sind jedoch nicht Gegenstand des Artikels, da diese Ergebnisse einer separaten Analyse unterzogen werden.
Auswertung
Die Auswertung der Fragebogen erfolgte mithilfe der Statistik-Software SPSS (Versionen 28 und 29) unter Berücksichtigung der Statistikgrundsätze (Bühner
2011; Steiner und Benesch
2018; Weiber und Sarstedt
2021). Als erste Maßnahme der Datenreduktion fand eine explorative Faktorenanalyse statt, separiert für die Teile A und B des Fragebogens. Die separierte Faktorenbildung für Teil A und Teil B des Fragebogens geschah, weil die inhaltlichen Vorgaben zwei unterschiedliche Aufgabenstellungen vorsahen. Aufgrund der dimensionalen Vorgaben zum Teil A des Fragebogens wurde eine Faktorenzahl angenommen, die anschließend auf ihre Tauglichkeit zu prüfen war (Bühner
2011). Die Überprüfung führte zur Befürwortung der Bildung der 5 angestrebten und inhaltlich passenden Faktoren:
Positives Gefühl, Engagement, Förderliche Beziehungen, Sinn und
Zielerreichung. Diese Faktoren wurden im Rahmen der Erstellung des Fragebogens den PERMA-Elementen zugeordnet. Teil B des Fragebogens enthielt im Erstellungskonzept keine festgelegten dimensionalen Vorgaben, deshalb wurden zum Zweck der Faktorenanalyse alle 15 Indikatoren zusammen hinsichtlich der Extraktion der geeigneten Faktoren überprüft. Anhand von Teil B ließen sich die 4 Faktoren
Einschätzung direkter Vorgesetzter, Einschätzung Klinikleitung, Berufswahrnehmung und
Hierarchiewahrnehmung identifizieren.
Zur Überprüfung der internen Konsistenz und damit der Reliabilität der Faktoren wurde Cronbachs α herangezogen. Die Überprüfung der Normalverteilung der Stichproben erfolgte durch den Kolmogorov-Smirnov-Test und den Shapiro-Wilk-Test. Da keine der Variablen eine Normalverteilung aufwies, kamen als robuste Testverfahren die Spearman-Korrelationsanalyse und der Mann-Whitney-U-Test zur Anwendung. Laut Field (
2013) eignet sich der Spearman-Korrelationskoeffizient besonders gut für Daten aus Likert-Skalen, da diese als ordinales Skalenniveau zu betrachten sind. Im Unterschied zum Pearson-Koeffizienten basiert der Spearman-Koeffizient auf der Rangordnung der Daten und kann daher auch für ordinale Daten verwendet werden, ohne eine metrische Skala vorauszusetzen. Field (
2013) und Cohen et al. (
2003) zeigen zudem, dass nichtparametrische Tests bei ordinal skalierten oder nicht normal verteilten Daten genauso aussagekräftig sein können wie parametrische Alternativen. Diese Tests sind besonders geeignet, da sie sich besser an die Struktur der vorliegenden Daten anpassen und valide verlässliche Ergebnisse liefern, ohne dass Einbußen bezüglich der Aussagekraft entstehen. Fehlende Werte konnten durch listenweise Deletion ausgeschlossen werden. Die Wahl fiel auf diese Methode, weil die Raten der Antworten zu den einzelnen Items jeweils über 99 % lagen und die geringe Fehlquote dafür sorgte, dass die Methode keinen wesentlichen Einfluss auf die Ergebnisse ausübte.
Ergebnisse
Die Reliabilitätsanalyse zur Faktorenbildung erfolgte auf Grundlage von Cronbachs α und ergab unterschiedliche Reliabilitätswerte für die einzelnen Faktoren. Der Faktor Positives Gefühl wies einen α-Wert von 0,64 auf, der Faktor Engagement lag bei 0,71, der Faktor Förderliche Beziehungen erreichte 0,80, der Faktor Sinn erzielte einen Wert von 0,87 und der Faktor Zielerreichung einen Wert von 0,71. Die Faktoren Einschätzung direkter Vorgesetzter und Einschätzung Klinikleitung zeigten die Werte 0,91 und 0,93. Die Faktoren Berufswahrnehmung und Hierarchiewahrnehmung wiesen die Werte 0,73 und 0,89 auf.
Die Stichprobe
Insgesamt wurden 1345 Fragebogen ausgefüllt und abgegeben. Nach Überprüfung auf Vollständigkeit und gewissenhafter Bearbeitung der Fragen wurden 12 Fragebogen ausgeschlossen.
In Tab.
1 ist die Stichprobe aufgeführt. Diese bestand aus
n = 1333 Antworten. Zu den 3700
3 bereitgestellten Fragebogen konnte eine Rücklaufquote von 36 % errechnet werden.
Tab. 1
Stichprobencharakteristika
Geschlecht |
Weiblich | 965 (72,4 %) |
Männlich | 358 (26,9 %) |
Divers | 7 (0,5 %) |
Keine Angabe | 3 (0,2 %) |
Gesamt | 1333 (100 %) |
Berufsgruppe |
Pflegerischer Dienst | 946 (71,0 %) |
Ärztlicher Dienst | 380 (28,5 %) |
Keine Angabe | 7 (0,5 %) |
Gesamt | 1333 (100 %) |
Alter in Jahren |
Bis 20 Jahre | 16 (1,2 %) |
21–30 Jahre | 309 (23,2 %) |
31–40 Jahre | 328 (24,6 %) |
41–50 Jahre | 270 (20,3 %) |
51–60 Jahre | 325 (24,4 %) |
Über 60 Jahre | 83 (6,2 %) |
Keine Angabe | 2 (0,1 %) |
Gesamt | 1333 (100 %) |
Funktion |
Nichtleitend | 1108 (83,1 %) |
Leitend | 215 (16,1 %) |
Keine Angabe | 10 (0,8 %) |
Gesamt | 1333 (100 %) |
Von den Antworten entfielen
n = 946 (71 %) auf den pflegerischen Dienst und
n = 380 (28,5 %) auf den ärztlichen Dienst, bei
n = 7 (0,5 %) Stimmenthaltungen. Die Geschlechterverteilung spiegelte sich in Antworten von
n = 965 (72,4 %) weiblich,
n = 358 (26,9 %) männlich,
n = 7 (0,5 %) divers; der Wert der Stimmenthaltungen betrug
n = 3 (0,2 %). Aufgrund der geringen Anzahl in der Kategorie „divers“ konnte diese Gruppe in der Analyse nicht als eigenständige Variable geführt werden. Die Antworten der Teilnehmenden mit dem Geschlecht „divers“ gingen jedoch in die statistische Auswertung ein. Die Altersangaben wurden in Zehnerschritten erhoben. Die Stichprobe setzte sich wie folgt zusammen:
n = 16 (1,2 %) der Teilnehmenden waren bis 20 Jahre alt,
n = 309 (23,2 %) 21 bis 30 Jahre,
n = 328 (24,6 %) 31 bis 40 Jahre,
n = 270 (20,3 %) 41 bis 50 Jahre,
n = 325 (24,4 %) 51 bis 60 Jahre und
n = 83 (6,2 %) waren über 60 Jahre alt. Keine Angabe zum Alter machten
n = 2 (0,1 %). Bezogen auf die Funktionsebene ergaben sich folgende Häufigkeiten:
n = 1108 (83,1 %) Nichtleitende, 215 (16,1 %) Leitende,
n = 10 (0,8 %) Stimmenthaltungen. Die Verteilung der Häufigkeiten spiegelte eine repräsentative Stichprobe der Grundgesamtheit wider (von der Lippe und Kladroba
2002).
Im Folgenden werden die Ergebnisse auf Basis der deskriptiven Statistik, der Spearman-Korrelationsanalyse und des Mann-Whitney-U-Tests vorgestellt.
Die Arbeitswahrnehmung im pflegerischen und im ärztlichen Dienst
Zur Darstellung der subjektiven Arbeitswahrnehmung im pflegerischen und im ärztlichen Sektor gemäß dem PERMA-Modell wurde eine deskriptive Statistik zu den ermittelten Faktoren erstellt.
Wie aus Tab.
2 hervorgeht, zeigt der Faktor
Engagement die höchste positive Ausprägung. Der Faktor
Positives Gefühl steht an zweiter Stelle, gefolgt von
Sinn und
Zielerreichung. An letzter relativer Position steht der Faktor
Förderliche Beziehungen. Die Faktoren
Einschätzung direkter Vorgesetzter, Einschätzung Klinikleitung, Berufswahrnehmung und
Hierarchiewahrnehmung zeigen unterschiedliche Ausprägungen, wobei
Einschätzung direkter Vorgesetzter am stärksten und
Hierarchiewahrnehmung am schwächsten bewertet wird.
Tab. 2
Ergebnisse der deskriptiven Statistik zu den gebildeten Faktoren
Faktoren zu PERMA |
Positives Gefühl | 1330 | 3,42 | ± 0,76 | 5 | 1 |
Engagement | 1330 | 3,70 | ± 0,81 | 5 | 1 |
Förderliche Beziehungen | 1329 | 2,99 | ± 0,90 | 5 | 1 |
Sinn | 1330 | 3,29 | ± 1,06 | 5 | 1 |
Zielerreichung | 1330 | 3,19 | ± 0,87 | 5 | 1 |
Faktoren zu Führung und Arbeitssituation |
Einschätzung direkter Vorgesetzter | 1326 | 3,49 | ± 1,11 | 5 | 1 |
Einschätzung Klinikleitung | 1327 | 2,62 | ± 1,08 | 5 | 1 |
Berufswahrnehmung | 1329 | 3,15 | ± 1,01 | 5 | 1 |
Hierarchiewahrnehmung | 1327 | 2,47 | ± 1,00 | 5 | 1 |
Zusammenhänge: Elemente der Positiven Psychologie in Korrelation zur Führungswahrnehmung des direkten Vorgesetzten und der Klinikleitung
Mithilfe der Spearman-Korrelationsanalyse wurde die Annahme überprüft, dass das Führungsverhalten des direkten Vorgesetzten und der Klinikleitung mit der Wahrnehmung der Elemente
Positives Gefühl, Engagement, Förderliche Beziehungen, Sinn und
Zielerreichung korreliert. Für die Interpretation der Stärke der Zusammenhänge wurde die Einteilung nach Cohen (Bortz und Schuster
2010) herangezogen. Gemäß Cohen weisen Korrelationskoeffizienten von
r = 0,10 bis
r = 0,30 auf eine geringe Korrelation, Werte von
r = 0,30 bis
r = 0,50 auf eine mittlere Korrelation und Werte von
r > 0,50 auf eine hohe Korrelation hin.
Die Ergebnisse der Spearman-Korrelationsanalysen, dargestellt in Tab.
3, wurden gemäß den Interpretationsrichtlinien von Cohen (Bortz und Schuster
2010) interpretiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Führungskompetenz-Einschätzungen sowohl der direkten Vorgesetzten als auch der Klinikleitung positiv mit den 5 PERMA-Elementen korrelieren, wobei die Stärke der Zusammenhänge variiert. Im Folgenden werden die Ergebnisse detailliert beschrieben.
Tab. 3
Spearman-Korrelationsanalyse
Positives Gefühl | 0,40*** | 0,49 *** | Mittel |
Engagement | 0,38*** | 0,48 *** | Mittel |
Förderliche Beziehungen | 0,45*** | 0,57 *** | Mittel/hohe |
Sinn | 0,71*** | 0,46 *** | Hohe/mittel |
Zielerreichung | 0,58*** | 0,43 *** | Hohe/mittel |
Der Faktor Positives Gefühl hängt mittelstark mit der Wahrnehmung der Führung auf beiden Ebenen zusammen. Engagement zeigt ebenfalls mittelstarke Zusammenhänge, wobei eine höhere Wahrnehmung dieses Faktors mit einer positiven Einschätzung des Führungsverhaltens assoziiert ist. Der Faktor Förderliche Beziehungen korreliert mittelstark mit der Wahrnehmung direkter Vorgesetzter und stärker mit derjenigen der Klinikleitung, was auf eine engere Verbindung zu deren Führungsverhalten hinweist. Sinn steht besonders stark mit der Wahrnehmung direkter Vorgesetzter und mittelstark mit der Klinikleitung im Zusammenhang. Zielerreichung zeigt einen starken Zusammenhang mit der Wahrnehmung direkter Vorgesetzter und eine mittelstarke Verbindung mit der Klinikleitung. Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse, dass eine positive Wahrnehmung des Führungsverhaltens auf beiden Ebenen mit stärkeren Ausprägungen der PERMA-Elemente einhergeht.
Unterschiede hinsichtlich der Arbeitswahrnehmung im pflegerischen und im ärztlichen Dienst
Mit dem Mann-Whitney-U-Test war die Annahme zu überprüfen, dass es Unterschiede bezüglich der Arbeitswahrnehmung innerhalb der Pflege- und Ärzteschaft gibt.
Wie in Tab.
4 dargestellt, zeigt der Test signifikante Unterschiede. Von den 9 erstellten Faktoren werden von den befragten Ärztinnen und Ärzten im Vergleich zur Gruppe der Pflegenden 6 wesentlich positiver bewertet:
Positives Gefühl, Engagement, Förderliche Beziehungen, Einschätzung Klinikleitung, Berufswahrnehmung und
Hierarchiewahrnehmung. Kein signifikanter Unterschied zeigt sich bei den Faktoren
Sinn und
Zielerreichung. Der Faktor
Einschätzung direkter Vorgesetzter zeigt ebenfalls keine Signifikanz, jedoch weist die Gruppe der Pflegenden den höheren Wert auf. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass es wesentliche Unterschiede bezüglich der Arbeitswahrnehmung zwischen den beiden untersuchten Berufsgruppen gibt.
Tab. 4
Unterschiede im pflegerischen und im ärztlichen Dienst
Positives Gefühl | 1325 | 598,10 | 824,40 *** | 118.219,00 | Ärzte sig. pos. |
Engagement | 1325 | 643,43 | 711,66 ** | 161.057,50 | Ärzte sig. pos. |
Förderliche Beziehungen | 1324 | 615,42 | 779,47 *** | 134.913,00 | Ärzte sig. pos. |
Sinn | 1325 | 663,36 | 662,12 | 179.214,00 | Keine Signifikanz |
Zielerreichung | 1325 | 655,72 | 681,11 | 172.667,50 | Keine Signifikanz |
Einschätzung dir. Vorgesetzter | 1321 | 661,19a | 660,53 | 178.611,00 | Keine Signifikanz |
Einschätzung Klinikleitung | 1322 | 624,69 | 752,74 *** | 144.308,50 | Ärzte sig. pos. |
Berufswahrnehmung | 1324 | 609,37 | 794,48 *** | 129.206,50 | Ärzte sig. pos. |
Hierarchiewahrnehmung | 1322 | 615,56 | 775,39 *** | 135.701,50 | Ärzte sig. pos. |
Unterschiede hinsichtlich der Arbeitswahrnehmung bei Frauen und Männern
Mit dem Mann-Whitney-U-Test war die Annahme zu überprüfen, dass die Geschlechterzugehörigkeit mit der Arbeitswahrnehmung im Sinne des PERMA-Modells im Zusammenhang steht.
Wie in Tab.
5 dargestellt, zeigt der Test signifikante Unterschiede. Von den 9 untersuchten Faktoren werden im Vergleich zu den befragten Frauen 7 Faktoren von den befragten Männern positiver bewertet:
Positives Gefühl, Förderliche Beziehungen, Sinn, Zielerreichung, Einschätzung Klinikleitung, Berufswahrnehmung und
Hierarchiewahrnehmung. Kein signifikanter Unterschied zeigt sich beim Faktor
Einschätzung direkter Vorgesetzter. Der Faktor
Engagement weist ebenfalls keine Signifikanz auf, jedoch erreicht die Gruppe der Frauen den höheren Wert. Die Ergebnisse bekräftigen die Annahme, dass es Unterschiede in der Arbeitswahrnehmung bei Männern und Frauen gibt.
Tab. 5
Unterschiede hinsichtlich der Arbeitswahrnehmung bei Frauen und Männern
Positives Gefühl | 1322 | 639,72 | 720,36 *** | 151.239,50 | Männer sig. pos. |
Engagement | 1322 | 665,30 a | 651,24 | 168.589,00 | Keine Signifikanz |
Förderliche Beziehungen | 1321 | 641,38 | 713,98 * | 153.161,50 | Männer sig. pos. |
Sinn | 1322 | 641,41 | 715,80 * | 152.866,50 | Männer sig. pos. |
Zielerreichung | 1322 | 648,49 | 696,66 ** | 159.701,50 | Männer sig. pos. |
Einschätzung dir. Vorgesetzter | 1318 | 651,75 | 680,27 | 164.403,50 | Keine Signifikanz |
Einschätzung Klinikleitung | 1322 | 641,72 | 709,07 ** | 154.451,00 | Männer sig. pos. |
Berufswahrnehmung | 1321 | 631,24 | 741,06 *** | 143.714,00 | Männer sig. pos. |
Hierarchiewahrnehmung | 1319 | 635,66 | 725,33 *** | 148.632,00 | Männer sig. pos. |
Diskussion
Die vorliegende Analyse ermöglicht wertvolle Einblicke in die subjektive Wahrnehmung der 5 Elemente der Positiven Psychologie (PERMA) durch Mitarbeitende im pflegerischen und im ärztlichen Dienst eines deutschen Krankenhauses der Maximalversorgung. Erstmals wurden die einzelnen PERMA-Elemente hinsichtlich ihrer relativen Position zueinander analysiert, was zu neuen Erkenntnissen führte. Zusätzlich konnten Zusammenhänge zwischen den PERMA-Elementen und Faktoren wie Führungsverhalten, Berufszugehörigkeit sowie Geschlechterzugehörigkeit aufgedeckt werden. Im Folgenden werden die Ergebnisse der statistischen Auswertung interpretiert und deren Implikationen für die Praxis diskutiert.
PERMA-Wahrnehmung in der Arbeit: Zusammenhänge und Perspektiven
Zur Beantwortung der zentralen Forschungsfrage „Welche Faktoren stehen im Zusammenhang mit den Elementen des PERMA-Modells – Positives Gefühl, Engagement, Förderliche Beziehungen, Sinn und Zielerreichung – bei pflegerischen und ärztlichen Mitarbeitenden eines Klinikums?“ werden zunächst die einzelnen Elemente der Positiven Psychologie detailliert besprochen, um potenzielle Zusammenhänge mit weiteren Faktoren, welche die Arbeitswahrnehmung mit Bezug auf die Elemente des PERMA-Modells prägen könnten, zu identifizieren. Anschließend wird die relative Positionierung der 5 Elemente im Rahmen der Analyse betrachtet. Darauf aufbauend erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Hypothese, dass das Führungsverhalten der direkten Vorgesetzten und der Klinikleitung im Zusammenhang mit der Arbeitswahrnehmung der Elemente Positives Gefühl, Engagement, Förderliche Beziehungen, Sinn und Zielerreichung stehen könnte.
Diese Studie erweitert die bestehende Forschung, indem sie konkret aufzeigt, wie die Übernahme von Verantwortung, die Zuweisung geeigneter Aufgabengebiete und ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zur Klinik als entscheidende Faktoren, die mit dem Engagement der Mitarbeitenden im Zusammenhang stehen, wirken. Im Vergleich zu bisherigen Studien, die allgemein die Bedeutung von Führung, Respekt und organisatorischen Rahmenbedingungen betonen, liefert diese Analyse detaillierte Einblicke in die subjektiven Zusammenhänge, die das Engagement von pflegerischem und ärztlichem Personal betreffen. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass diese spezifischen Aspekte im Kontext eines Krankenhauses der Maximalversorgung besonders relevant sind, um die Motivation und Identifikation der Mitarbeitenden nachhaltig zu stärken.
Diese Studie erweitert die bestehenden Erkenntnisse, indem sie zeigt, dass respektvoller Umgang, Freude am Arbeitsplatz und Lohngerechtigkeit in einem wechselseitigen Zusammenspiel stehen und gemeinsam eine positive Arbeitskultur fördern. Im Vergleich zur Literatur, die hauptsächlich die Rolle der Führungskräfte und des Managements betont, hebt diese Analyse konkret die Bedeutung dieser Aspekte im spezifischen Umfeld eines Klinikums der Maximalversorgung hervor. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie maßgeblich diese Faktoren dazu beitragen, eine positive Stimmung zu schaffen und das psychologische Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu steigern, was in einem komplexen Arbeitsumfeld wie dem Krankenhaus von besonderer Relevanz ist.
Diese Studie erweitert die bestehenden Erkenntnisse, indem sie zeigt, dass das Wahrnehmen von Sinnhaftigkeit im Gesundheitswesen nicht nur von strukturellen Rahmenbedingungen, sondern besonders stark von der Möglichkeit, persönliche Stärken einzubringen, und einer authentischen Unternehmenskultur abhängig ist. Im Vergleich zur Literatur, die bisher eher allgemeine Zusammenhänge zwischen Aufgaben und Organisationszielen herstellt, werden hier konkret die Rolle der individuellen Stärken und des Gefühls des Gebrauchtwerdens hervorgehoben. Diese Faktoren scheinen besonders für Mitarbeitende in komplexen Organisationen wie Krankenhäusern der Maximalversorgung ausschlaggebend zu sein.
Im Vergleich zu der bisherigen Forschung, die hauptsächlich die Bedeutung von Feedback und Rollenzuschreibungen auf die Erfolgswahrnehmung diskutiert, liefert die vorliegende Studie neue Einblicke, indem sie die Wichtigkeit von selbstbestimmten Handlungsspielräumen und einem maßgeschneiderten Anforderungsprofil als direkte Merkmale für das Wahrnehmen von Zielerreichung hervorhebt. Besonders in einem Krankenhaus der Maximalversorgung zeigt sich, dass diese individuellen Handlungsmöglichkeiten und das Bewusstsein für eigene Erfolge entscheidend dazu beitragen, Resignation zu vermeiden und das Gefühl der Selbstwirksamkeit zu stärken.
Während die Literatur allgemein die Bedeutung von sozialem Kapital und einer gemeinschaftlichen Kultur für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden betont, zeigt die vorliegende Analyse, dass das Vertrauen und der kollegiale Umgang in einem großen Krankenhaus besonders entscheidend für das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeitenden sind. Die tendenziell als nachteilig empfundene Atmosphäre deutet darauf hin, dass in hochkomplexen Systemen wie einem Klinikum der Maximalversorgung bereichsübergreifende Beziehungen und eine Kultur des Vertrauens unerlässlich sind, um Mitarbeitende langfristig zu binden.
Betrachtung zur relativen Positionierung der fünf PERMA-Elemente
Die vorliegende Studie liefert wertvolle Einblicke, indem sie die relative Positionierung der einzelnen PERMA-Elemente im Kontext eines Krankenhauses der Maximalversorgung untersucht. Besonders hervorzuheben ist der Erkenntnisgewinn aus dieser Betrachtung, da er nicht nur die subjektive Wahrnehmung der Mitarbeitenden verdeutlicht, sondern auch die Wechselwirkungen und Gewichtungen der 5 Elemente untereinander aufzeigt.
Die Analyse legt nahe, dass die befragten Mitarbeitenden ein hohes Maß an persönlichem Engagement wahrnehmen. Respekt, Wertschätzung und organisatorische Rahmenbedingungen scheinen hierbei unterstützend zu wirken. Zusätzlich könnte der in der Literatur beschriebene stark ausgeprägte intrinsische Motivationsaspekt in den untersuchten Berufsgruppen eine besonders große Rolle spielen.
Die überwiegend positive Grundstimmung am Arbeitsplatz deutet hin auf eine Arbeitskultur, die die emotionalen Bedürfnisse der Mitarbeitenden weitgehend erfüllt. Die Sinnhaftigkeit des Tuns wird hingegen tendenziell im mittleren Ausmaß positiv wahrgenommen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass es für die Mitarbeitenden herausfordernd sein kann, die übergreifenden Zusammenhänge der Organisation zu erkennen. Auch die Zunahme bürokratischer Aufgaben könnte hinderlich auf die Sinnwahrnehmung wirken.
Das ebenfalls mittlere Niveau der Erfolgswahrnehmung könnte mit der empfundenen Selbstwirksamkeit im Zusammenhang stehen, die durch berufsspezifische Aspekte sowie die Art und den Umfang des erhaltenen Feedbacks geprägt sein kann. Verminderte Patientenkontakte in pflegerischen und ärztlichen Tätigkeitsfeldern könnten zudem die Wahrnehmung von Erfolg negativ mitprägen.
Das innerbetriebliche Vertrauen wird insgesamt eher geringer positiv wahrgenommen. Dies könnte mit der Diskrepanz zwischen ökonomischen Zielen und dem Anspruch, den Patientinnen und Patienten gerecht zu werden, in Verbindung stehen. Eine solche Diskrepanz könnte potenziell mit einem Vertrauensverlust einhergehen, insbesondere wenn es den Führungsebenen nicht gelingt, das Vertrauen durch klare Kommunikation und Abstimmung nachhaltig zu stärken.
Hypothese zur Spiegelung des Führungsverhaltens in den PERMA-Elementen
Die Hypothese, dass das Führungsverhalten des direkten Vorgesetzten und der Klinikleitung im Zusammenhang mit der Arbeitswahrnehmung der Elemente
Positives Gefühl, Engagement, Förderliche Beziehungen, Sinn und
Zielerreichung steht, wird durch die Analyse gestützt. Die Untersuchung deutet darauf hin, dass direkte Vorgesetzte und Klinikleitung die Wahrnehmung der Elemente der Positiven Psychologie unterschiedlich prägen. Diese Erkenntnisse stehen im Einklang mit den Ausführungen von Gallup (
2023), wonach das Führungsverhalten Auswirkungen auf die Motivation der Mitarbeitenden hat. Eine über alle Ebenen hinweg abgestimmte Führung trägt potenziell zu einer positiven Arbeitswahrnehmung und einem gestärkten organisationalen Vertrauen bei, wie von Seliger (
2014), Farrenkopf et al. (
2012) und Specchia et al. (
2021) betont wird.
Die direkten Vorgesetzten sind laut Analyse in besonderer Weise mit der Wahrnehmung von Sinn und Erfolg verknüpft. Die eher mittelmäßige Wahrnehmung des Elements
Sinn weist möglicherweise auf die Herausforderungen, vor denen Führungskräfte der mittleren Ebene stehen, hin. Tsarouha et al. (
2021) unterstreichen die Bedeutung konsistenter Abläufe über alle Führungsebenen hinweg, um ein einheitliches Vorgehen zu fördern. Boyd und Larson (
2023) weisen darauf hin, dass das obere Krankenhausmanagement von den mittleren Führungsebenen erwartet, negative Aspekte abzufedern, was deren Position besonders anspruchsvoll erscheinen lässt. Rose (
2019) hebt bezüglich der Erfolgswahrnehmung die Bedeutung von konstruktivem Feedback seitens direkter Vorgesetzter hervor. Das in der Analyse mit mittleren Messwerten konstatierte Element
Zielerreichung, das die Aspekte der Erfolgswahrnehmung repräsentiert, ist womöglich verbunden mit den spezifischen Anforderungen, denen diese Führungskräfte begegnen.
In der Analyse zeigt sich eine deutliche Verbindung zwischen der obersten Führungsebene und dem organisationalen Klima. Das Element
Förderliche Beziehungen spiegelt das Organisationsklima wider und ist in diesem Zusammenhang eng mit dem organisationalen Vertrauen verknüpft. Dieses Element weist in der Analyse die geringste positive Bewertung auf. Hall et al. (
2023) betonen die Bedeutung der Aufgabe des oberen Managements bei der Gestaltung des organisationalen Klimas, was die Analyseergebnisse vorliegender Untersuchung ebenso stützt wie der Hinweis von Rose (
2019) auf die Bedeutung der wahrgenommenen Präsenz der obersten Führungsebene für das Vertrauen innerhalb einer Organisation. Darüber hinaus hebt Seliger (
2014) die Wichtigkeit organisationaler Energie und die Notwendigkeit hervor, Energielöcher zu vermeiden.
Die Zusammenführung dieser Aspekte könnte darauf hindeuten, dass in der untersuchten Organisation über verschiedene Ebenen hinweg möglicherweise organisationale Energie verloren geht, was sich wiederum auf das organisationale Vertrauen auswirken kann. Die Ergebnisse unterstreichen insgesamt die differenzierte und doch eng verknüpfte Bedeutung der unterschiedlichen Führungsebenen für die Arbeitswahrnehmung und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz vor dem Hintergrund des PERMA-Modells.
Die Berufswahrnehmung der Pflege- und Ärzteschaft und die Geschlechterzugehörigkeit
Die Untersuchung zeigt, dass die beiden Hypothesen „Es wird angenommen, dass es Unterschiede hinsichtlich der Arbeitswahrnehmung innerhalb der Pflege- und Ärzteschaft gibt.“ und „Es wird angenommen, dass die Geschlechterzugehörigkeit mit der Arbeitswahrnehmung im Sinne des PERMA-Modells in Zusammenhang steht.“ miteinander verwoben sind. Denn aus der Literatur (Gjerberg und Kjølrød
2001; Sander
2009) geht hervor, dass zwischen Geschlechterzugehörigkeit und Berufswahrnehmung eine Wechselwirkung besteht. Daher werden sie nachfolgend zunächst gemeinsam interpretiert.
Das deutsche Gesundheitswesen ist stark auf die Ärzteschaft ausgerichtet, wie Siegmund-Schultze und Stahl (
2020) betonen. Die rechtliche Verantwortungsübernahme prägt dabei maßgeblich das Machtgefüge zwischen den beiden Berufsgruppen (Stratmeyer
2002). Im Arbeitsalltag von Pflegenden und Ärzteschaft zeigt sich laut Reevers et al. (
2008) ein Paradox: Einerseits verteidigen beide Berufsgruppen ihre Zuständigkeitsbereiche gegeneinander, andererseits müssen sie gemeinsam gegen regulatorische und finanzielle Einschränkungen gegenüber Kostenträgern agieren. Neben diesen strukturellen Dynamiken spielt auch die Geschlechterdimension in die Zusammenarbeit der Berufsgruppen hinein.
Die historische Entwicklung der beruflichen Tätigkeiten im pflegerischen und im ärztlichen Sektor ist eng mit der Geschlechterzugehörigkeit verknüpft, was zu unterschiedlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen im Berufsalltag führt (Friedrich
2007). Gjerberg und Kjølrød (
2001) führen aus, dass die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Krankenhauswesen eine Fortsetzung der traditionellen Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen darstellt und die Zunahme von Frauen in der Medizin das Rollenbild zwar verändert, sich jedoch tief verwurzelte Stereotype nicht automatisch auflösen. Laut Sander (
2009) wird Geschlechterspezifität in interprofessionellen Debatten dadurch deutlich, dass weibliche Pflegekräfte und Ärztinnen ihre Auseinandersetzungen als Geschlechterkonflikte wahrnehmen, während Meinungsverschiedenheiten mit männlichen Ärzten als Professionskonflikte erfahren werden. Weibliche Ärztinnen erleben Kontroversen mit männlichen Pflegekräften als Machtkämpfe und mit weiblichen Pflegekräften als Passungsprozesse. Diese zweigeschlechtliche Ordnung drückt sich subtil im Kommunikationsstil und in kleinen Gefälligkeiten aus; homosexuelle Orientierungen werden im Stimmungsgebaren weitgehend ignoriert. Auch die Weitergabe von Organisationswissen durch das Pflegepersonal steht im Zusammenhang mit der Geschlechterzugehörigkeit. Während die Wissensübertragung zwischen männlichen Ärzten und weiblichem Pflegepersonal reibungslos verläuft, wird weiblichen Ärztinnen dieses Wissen nicht in gleicher Weise zugänglich gemacht. Analytisch lässt sich dies laut Sander (
2009) als Ausdruck eines innergeschlechtlichen Konflikts interpretieren.
Die durchgeführte Analyse zeigt, dass die Ärzteschaft insgesamt eine positivere Sicht auf die Arbeit hat, und bekräftigt die Annahme, dass es Unterschiede bezüglich der Arbeitswahrnehmung zwischen Pflege- und Ärzteschaft gibt. Die Elemente Positives Gefühl, Engagement und Förderliche Beziehungen sind bei der Ärzteschaft stärker positiv ausgeprägt als bei den Pflegekräften. Ebenso werden die Faktoren Einschätzung Klinikleitung, Berufswahrnehmung und Hierarchiewahrnehmung von der Ärzteschaft positiver eingeschätzt. Die tendenziell, aber in der Analyse nicht als signifikant erkannte höhere Bewertung des Faktors Einschätzung direkter Vorgesetzter in der pflegerischen Profession könnte aus einem besonders hohen Engagement der jeweiligen pflegerischen Leitungen resultieren.
Hinsichtlich der Geschlechterzugehörigkeit lassen sich zwischen Männern und Frauen signifikante Unterschiede erkennen. Dies bestätigt die Annahme, dass die Geschlechterzugehörigkeit im Zusammenhang mit der Arbeitswahrnehmung steht. Laut Analyse nehmen die befragten männlichen Pflegekräfte und Ärzte die 4 Elemente Positives Gefühl, Förderliche Beziehungen, Sinn und Zielerreichung stärker positiv wahr als ihre Kolleginnen. Frauen weisen in der Analyse tendenziell eine stärkere Ausprägung bei dem Element Engagement auf, jedoch ohne statistische Signifikanz. Weiterhin legt die Analyse nahe, dass männliche Befragte ihre berufliche Rolle und die Führung durch die Klinikleitung wesentlich positiver einschätzen. Zudem messen Männer der beruflichen Hierarchie eine signifikant größere Bedeutung bei. Möglicherweise ist das Untersuchungsergebnis zu den Geschlechtergruppen Ausdruck der historischen Entwicklung, insofern Frauen sehr viel Engagement einbringen mussten und müssen, um in der Berufswelt gleichwertig mit Männern bestehen zu können. Diese Interpretation wird durch die Beobachtung gestützt, dass Hierarchien von Frauen anscheinend weniger positiv wahrgenommen werden, während Männer vermutlich mehr Energie und Dynamik aus der definierten hierarchischen Abgrenzung im Berufsleben gewinnen. Insgesamt könnte diese unterschiedliche Wahrnehmung und Akzeptanz beruflicher Strukturen dazu beitragen, dass Männer ihre berufliche Identität als selbstverständlicher empfinden, was sich wiederum positiv auf ihre Arbeitswahrnehmung auswirkt.
Für die Praxis relevante Implikationen
Im Sinne der Positiven Psychologie gilt es, die als schwächer wahrgenommenen PERMA-Elemente gezielt zu stärken und an das Element mit der höchsten Ausprägung heranzuführen. Auf Grundlage der vorliegenden Studie kann die hohe intrinsische Motivation, die sich im Zusammenhang mit dem Element Engagement zeigt, von den Organisationsverantwortlichen als treibende Kraft genutzt werden, um eine motivierende Arbeitsumgebung zu schaffen. Der Fokus liegt dabei auf der Stärkung des organisationalen Vertrauens der Mitarbeitenden. Von der obersten Führungsebene ausgehend, ist es wichtig, Führungskräfte auf allen Ebenen dafür zu sensibilisieren, dass Vertrauen auf den Ebenen verloren gehen kann. Regelmäßige Überprüfungen und gezielte Maßnahmen zur Identifizierung und zur Schließung solcher Vertrauenslücken sind deshalb essenziell.
Auch die Arbeit an der Feedbackkultur spielt eine wichtige Rolle, um die Erfolgswahrnehmung der Mitarbeitenden zu fördern. Klare und konstruktive Rückmeldungen unterstützen die persönliche Entwicklung und tragen zur Steigerung der Selbstwirksamkeit bei. Um die Wahrnehmung von Sinnhaftigkeit zu stärken, bietet es sich an, bürokratische Abläufe zu vereinfachen und sinnvoll zu strukturieren, um den administrativen Aufwand zu verringern. Zusätzlich ist eine transparente Kommunikation der innerbetrieblichen Zusammenhänge ratsam, damit die Mitarbeitenden den Beitrag ihrer Aufgaben zum Gesamtziel der Organisation besser nachvollziehen können.
Das Gemeinschaftsgefühl und den Zusammenhalt der Mitarbeitenden zu stärken, ist besonders hilfreich, um schwierige und anspruchsvolle Positionen und Situationen zu bewältigen. Ideen und Verbesserungsvorschläge der Mitarbeitenden aktiv einzuholen, trägt dazu bei, dass sie sich gehört und wertgeschätzt fühlen. Solche Initiativen fördern nicht nur das Wohlbefinden und die Identifikation mit der Organisation und deren Zielen, sondern unterstützen auch die Führungskräfte in ihrer täglichen Arbeit.
Um das innerbetriebliche Führungsverhalten differenziert zu erfassen, bietet sich der Einsatz des PERMA-Lead-Tests an. Dieser ermöglicht es, gezielt Unterschiede bezüglich der Wahrnehmung der Führung unter Mitarbeitenden und der Selbstwahrnehmung der Führungskräfte zu erkennen. Darauf aufbauend können spezifische Maßnahmen zur Verbesserung der Führungsaspekte und der Arbeitswahrnehmung entwickelt werden.
Limitationen und Forschungsausblick
Der Fragebogen wurde von der Erstautorin entwickelt, da in der Literatur kein validiertes und umfassendes Messinstrument zur Erfassung der Positiven Psychologie speziell für die Berufsgruppen der Pflegenden und Ärzteschaft verfügbar war. Die spezialisierte Anpassung an diese Zielgruppen unter Einbeziehung von Experteneinschätzungen stellt eine Stärke des Fragebogens dar, da so systematisch relevante Aspekte der Arbeitswahrnehmung erfasst werden. Die gleichwertige Berücksichtigung aller 5 PERMA-Elemente bietet den Vorteil, die Elemente relativ zueinander zu positionieren und daraus gezielt praxisorientierte Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitswahrnehmung abzuleiten. Darüber hinaus stärkt die umfangreiche Stichprobe von 1333 Antworten die Aussagekraft der Analyse und trägt zur Robustheit der Ergebnisse bei.
Der PERMA-Ansatz ermöglicht aufgrund seiner Strukturiertheit die Vergleichbarkeit der einzelnen Elemente. Trotz der sorgfältigen Operationalisierung des Begriffs der Positiven Psychologie und der gründlich durchgeführten Faktorenanalyse kann nicht ausgeschlossen werden, dass es Überschneidungen der gebildeten Faktoren und der 5 Elemente der Positiven Psychologie gibt. Auch die Wissenschaft kritisiert, dass die 5 Elemente schwer klar abzugrenzen sind, was die Messung erschweren kann (Ebner
2019). Dennoch stellt die starke Interkorrelation der Elemente in der Praxis oft keinen Nachteil dar. Vielmehr kann sie sogar vorteilhaft sein, da Organisationen umfassende Strategien zur Förderung des Wohlbefindens von Mitarbeitenden entwickeln können, ohne eine strikte Trennung der Elemente vornehmen zu müssen.
Für den Faktor
Positives Gefühl wurde ein Cronbachs-α-Wert von 0,64 ermittelt. Dieser liegt gemäß den Konventionen für α-Werte im grenzwertigen Bereich und weist auf eine moderate interne Konsistenz hin. Ein Wert von Cronbachs α sollte idealerweise über 0,70 liegen; Werte unter 0,60 gelten als suboptimal, während Werte unter 0,50 als nicht akzeptabel angesehen werden (Weiber und Sarstedt
2021). Alle 5 PERMA-Faktoren wurden mit jeweils 3 Items gemessen, wobei die anderen Faktoren Werte über 0,70 aufweisen. Die Analyse basiert auf einer großen Stichprobe von 1333 Antworten, was die Robustheit der Ergebnisse unterstreicht. Darüber hinaus stärkt die hohe Stichprobengröße die Aussagekraft der Analyse, da die Stabilität der Faktorenlösung mit wachsender Stichprobengröße zunimmt. Nach Bühner (
2011) gelten Stichproben mit
n > 1000 als exzellent. Trotz des etwas niedrigeren α-Werts für den Faktor
Positives Gefühl liefert dieser nützliche Ergebnisse und bietet wertvolle Einblicke in den spezifischen Kontext dieser Untersuchung.
Im Rahmen vorliegender Studie wurde im Teil D zusätzlich ein Set von 4 Fragen auf einer Benotungsskala von „eins“ bis „nicht genügend“ gestellt, die sich auf das Führungsverhalten des direkten weiblichen/männlichen Vorgesetzten, das Führungsverhalten der Klinikleitung, die Wahrnehmung der hierarchischen Struktur und das Empfinden hinsichtlich einer respektvollen Anredeform bezogen. Den Abschluss bildete der bereits erwähnte dreizeilige Raum für persönliche Anmerkungen, der von 198 Befragten genutzt wurde. Die Möglichkeit zu persönlichen Anmerkungen sowie die Antworten auf die 4 Zusatzfragen bieten wertvolle zusätzliche Einsichten. Allerdings wurden diese nicht in die aktuelle Auswertung einbezogen, da sie nicht in direktem Bezug zum Thema dieser Studie stehen. Diese Daten werden im Rahmen einer gesonderten Analyse mit qualitativer Ausrichtung untersucht. Für zukünftige Studien könnte eine solche qualitative Untersuchung wertvolle Erkenntnisse liefern und die hier eruierten Ergebnisse weiter untermauern, indem sie die individuellen Perspektiven der Mitarbeitenden noch detaillierter beleuchtet. Die Fragen zu den Weiterbildungsaspekten ließen keine Faktorbildung zu. Aufgrund dieser methodischen Einschränkung erfahren diese Items eine gesonderte Auswertung und sind ebenfalls nicht Bestandteil der aktuellen Studie.
Die Befragung war als Vollerhebung für das Pflege- und Ärzteteam konzipiert. Dennoch ist es möglich, dass einzelne Mitarbeitende aufgrund organisatorischer Gegebenheiten keinen Fragebogen erhalten haben. Die hohe und zudem repräsentative Stichprobe ermöglichte jedoch eine valide Auswertung und gibt einen umfassenden Einblick in die Arbeitswahrnehmung der Mitarbeitenden. Die Ergebnisse bieten einen Überblick über die subjektive Arbeitswahrnehmung der Pflegekräfte und Ärzteschaft im Sinne des PERMA-Modells in einem Klinikum der Maximalversorgung. Eine allgemeine Schlussfolgerung zur Arbeitswahrnehmung der beiden Berufsgruppen kann daraus jedoch nicht gezogen werden.
Das querschnittliche Design der Studie ermöglicht zwar die Erfassung der Arbeitswahrnehmung zu einem bestimmten Zeitpunkt, lässt jedoch keine Aussagen über Veränderungen im Zeitverlauf oder kausale Zusammenhänge zu. Um diese Aspekte besser zu verstehen, könnten zukünftige Untersuchungen ein Längsschnittdesign verwenden und somit Entwicklungen und Zusammenhänge über längere Zeiträume hinweg beobachten. Zur weiteren Validierung der Ergebnisse wäre es zudem sinnvoll, die Studie im klinischen Umfeld zu replizieren. Eine Vergleichsstudie in einer anderen Klinik, die das gleiche Konzept anwendet, könnte darüber hinaus wertvolle Erkenntnisse zur Wahrnehmung von Arbeits- und Führungsaspekten in der Pflege- und Ärzteschaft liefern.
Schlussfolgerung
Mitarbeitende, die sich am Arbeitsplatz wohlfühlen, zeigen überwiegend eine höhere Motivation und Leistungsfähigkeit. Vorliegende Analyse erfasste die Arbeitswahrnehmung im pflegerischen und im ärztlichen Dienst und zielte darauf ab, deren Hintergründe besser zu verstehen. Die gewonnenen Erkenntnisse bieten eine Grundlage, um praktische Implikationen, die die Zusammenarbeit zwischen diesen beiden großen Berufsgruppen in der Klinik verbessern können, abzuleiten.
Die Ergebnisse legen nahe, dass historische Prägungen und bestehende Geschlechterstereotypen, wie sie in der Literatur beschrieben sind, weiterhin eine Bedeutung in der Zusammenarbeit der beiden Professionen haben. Die Befunde zeigen ein subjektiv hohes Maß an persönlichem Engagement unter den Mitarbeitenden, wohingegen die als sinnvoll wahrgenommenen Arbeitsabläufe und die Erfolgswahrnehmung im Arbeitsalltag gezielt unterstützt und gefördert werden sollten. Um das Betriebsklima zu verbessern, ist es empfehlenswert, zusätzlich in den Aufbau des organisationalen Vertrauens zu investieren. Positive Führungspraktiken, die von der obersten Führungsebene ausgehen und auf allen Ebenen konsistent umgesetzt werden, könnten hierbei einen wesentlichen Beitrag leisten.
Eine Arbeitsordnung, die auf gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung basiert, hat das Potenzial, die Zusammenarbeit, Leistungseffizienz und Zufriedenheit aller Beteiligten zu stärken. Die Studie deutet darauf hin, dass eine solche Kulturentwicklung zu einem besseren Arbeitsumfeld im Sinne des PERMA-Modells beitragen kann.
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.