Mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die an einer Krebserkrankung sterben werden, finden Gespräche über ihre Wünsche für die Versorgung am Lebensende oft nur selten oder gar nicht statt. Die Autoren einer aktuellen US-amerikanische Studie mahnen, die Bedeutung solcher Gespräche nicht zu unterschätzen.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
Bei unheilbaren Krebserkrankungen dienen die Wünsche, Ziele und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten als zentraler Orientierungspunkt für die Behandlungsplanung. Patienten, die über ihre Präferenzen sprechen können, erhalten mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Versorgung, die ihren Werten entspricht. Daher empfehlen Fachorganisationen, Gespräche über Behandlungswünsche – auch als „Goals of Care“ (GOC) bezeichnet – mit Patientinnen und Patienten im fortgeschrittenen Stadium zu führen.
Eine aktuelle Studie aus den USA zeigt jedoch, dass solche Gespräche oft ausbleiben oder erst spät stattfinden. Dabei können sich die Behandlungsziele im Krankheitsverlauf ändern, abhängig von Prognose, Lebensqualität, Akzeptanz der Erkrankung und den verfügbaren medizinischen Optionen. Insbesondere bei jungen Patienten ändern sich die Wünsche häufig, was eine kontinuierliche Anpassung der Versorgung erfordert.
US-Forschende untersuchten, wie sich die Behandlungsziele von Krebspatienten im Alter von 12 bis 39 Jahren mit infauster Prognose entwickeln. Jugendliche und junge Erwachsene seien besonders anfällig für Veränderungen der Therapieziele, da sie sich in einem frühen Lebensabschnitt mit dem Tod auseinandersetzen müssen und weniger Lebenserfahrung besitzen, so die Studiengruppe um Rosemarie Mastropolo vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston.
In ihrer retrospektiven Querschnittsstudie analysierten sie die Krankenakten von jungen Krebspatienten, die zwischen 2003 und 2019 in drei US-amerikanischen Einrichtungen verstarben. Ziel war es, die Häufigkeit, den Zeitpunkt und die Entwicklung von GOC-Gesprächen in den letzten 90 Lebenstagen zu bewerten. Diese wurden in „früh“ (> 60 Tage vor dem Tod), „mittelfristig“ (31–60 Tage) und „spät“ (≤ 30 Tage) unterteilt.
Mehrheit erhält kein Gespräch über GOC
Von 1.929 analysierten Fällen war das Durchschnittsalter bei Diagnose 28 Jahre, und knapp über die Hälfte der Patienten war weiblich (54,5%). Viele Patienten hatten bis kurz vor ihrem Tod kein dokumentiertes Gespräch über Behandlungsziele geführt: In der anfänglichen Phase der letzten 90 Tage (> 60 Tage vor dem Tod) wurde bei den meisten Patienten (70,7%) kein solches Gespräch verzeichnet, 7,2% hatten eine Präferenz für eine auf Palliation ausgerichtete Versorgung und 22,1% andere Versorgungsziele, einschließlich Heilung oder Lebensverlängerung.
In der mittleren Phase hatten 50,2% kein Gespräch über Therapieziele geführt, für 17,2% stand eine palliative Therapie im Mittelpunkt und 32,6% hatten andere nicht palliative Therapiewünsche. In den letzten 30 Tagen blieben bei 16,7% Gespräche aus, 57,7% bevorzugten Palliativmaßnahmen und 25,6 % hatten andere nicht palliative Ziele.
Besonders bei Patienten mit schwarzer Hautfarbe, lateinamerikanischem Hintergrund oder Hirntumoren wurden Gespräche seltener dokumentiert. Fehlende GOC-Gespräche führten häufiger zu belastenden Behandlungen wie Chemotherapie in den letzten 14 Tagen oder intensivmedizinischer Betreuung und es fehlte häufig an spezialisierter palliativmedizinischer Versorgung.
Ärzte zögern, die Themen anzusprechen
Gespräche über Behandlungsziele gelten als essenziell, um die Wünsche von Patienten mit fortgeschrittenem Krebs zu berücksichtigen. Dennoch finden sie oft spät oder gar nicht statt. Etwa ein Fünftel der Kohorte ging im Laufe ihrer letzten 90 Tage von nicht palliativen Zielen zum Wunsch nach einer palliativ ausgerichteten Versorgung über, was möglicherweise das veränderte Bewusstsein oder die Akzeptanz einer schlechten Prognose widerspiegelt.
Der zunehmende Wunsch nach palliativer Versorgung kann jedoch auch das Verhalten der Ärzte widerspiegeln, einschließlich der Tendenz, Gespräche mit den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen sowie deren Familienmitgliedern erst kurz vor deren Tod zu führen. „Palliativmedizinische Gespräche werden oft hinausgezögert, weil die Ärzte befürchten, dass sie die Angst der Patienten verstärken oder zu einem Verlust der Hoffnung beitragen könnten“, schreibt die Studiengruppe um Mastropolo. Trotz der wohlmeinenden Bedenken der behandelnden Ärzte gebe es jedoch Hinweise darauf, dass junge Patienten Wert auf frühzeitige Gespräche über die Versorgung am Lebensende legen.
Vier Schlussfolgerungen beim Umgang mit Krebskranken
Mastropolo et al. betonen vier zentrale Punkte:
- Behandlungsziele verändern sich häufig. Patienten benötigen die Möglichkeit, Informationen zu verarbeiten und über ihre Wünsche nachzudenken, die auch vom körperlichen und psychischen Wohlbefinden oder den verfügbaren Optionen abhängen.
- Eine kleine Anzahl von Patienten äußerte im Laufe der Zeit weiterhin den Wunsch nach nicht palliativen Maßnahmen, wie lebenserhaltenden Therapien.
- Wir können die Ziele unserer Patientinnen und Patienten nicht kennen, bevor wir sie mit ihnen nicht besprochen haben. Späte Dialoge können zu Behandlungen führen, die nicht mit den Werten der Patienten übereinstimmen, insbesondere bei Patienten, die eine Versorgung wünschen, die sich auf Palliation und Lebensqualität konzentriert.
- Kontinuierliche Gespräche sind wichtig, um sicherzustellen, dass die Wünsche der Patienten gehört und verstanden wurden. Diese brauchen Zeit. Für junge Patienten, die sich dem Ende ihres Lebens nähern, kann die Bereitschaft der Ärzte, wiederholt schwierige Gespräche zu führen, ein wichtiges Geschenk sein.
Kein Punkt auf der To-do-Liste
In einem begleitenden Kommentar unterstreicht Erica C. Kaye vom St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis ebenfalls die Wichtigkeit wiederholter Gespräche. Jugendliche wünschten klare, ehrliche Informationen über ihre Prognose als Basis für ihre Entscheidungen. Onkologinnen und Onkologen sollten deshalb nicht den Fehler begehen, das Thema Behandlungsziele lediglich einmal anzusprechen und dann auf der To-do-Liste abzuhaken.
„Gleichzeitig müssen wir darauf achten, eine schreckliche Prognose nicht immer wieder zu wiederholen, sondern vielmehr Gelegenheiten für Patienten und Familien zu schaffen, die GOC wieder aufzugreifen, wenn sich ihre Situationen und Gefühle verändern.“ Es liege in der Verantwortung des Onkologen bzw. der Onkologin, klare prognostische Informationen zu geben und die gemeinsame Entscheidungsfindung zu unterstützen.
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Wie entwickeln sich die Behandlungswünsche von jungen Krebspatienten im Alter von 12 bis 39 Jahren in den letzten 90 Tagen ihres Lebens? Antwort: Bei einem größeren Anteil der Patienten wurden auch kurz vor deren Tod keine Gespräche über deren Behandlungsziele geführt. Der Wunsch nach einer palliativen Versorgung nahm zu, je näher die Patienten dem Tod kamen. Bedeutung: Wiederholte Gespräche über Therapiewünsche und -ziele sind besonders für junge Patienten am Lebensende wichtig. Einschränkung: Analyse aus Patientenakten kann unzuverlässig sein, es könnten Gespräche stattgefunden haben, die nicht dokumentiert wurden. |
Quelle: Springer Medizin