Patienten nach solider Organtransplantation stellen in der Notaufnahme ein spezielles Kollektiv dar, wobei atypische Beschwerdebilder sowie komplexe Begleitfaktoren die Behandler vor besondere Herausforderungen stellen.
Ziel der Arbeit
Charakterisierung von organtransplantierten Patienten in der Notaufnahme im Hinblick auf ihre Leitsymptome bzw. Diagnosen und Unterschiede zwischen den einzelnen Transplantatorganen.
Material und Methoden
Retrospektive deskriptive Analyse von Patienten nach solider Organtransplantation, die sich innerhalb von 2 Jahren in der Notaufnahme der Medizinischen Hochschule Hannover vorgestellt haben.
Ergebnisse
Untersucht wurden 977 Vorstellungen organtransplantierter Patienten. Führende Leitsymptome waren Fieber (23,6 %), allgemeine Schwäche (19,2 %) und Bauchschmerzen (17,0 %). Am häufigsten konnte die Diagnose eines akuten Infekts (43,8 %) gestellt werden, gefolgt von der akuten Funktionsverschlechterung des Organtransplantats (19,3 %). In der Subgruppe des akuten Infekts waren bei nierentransplantierten Patienten (NTx) die ableitenden Harnwege, bei lebertransplantierten (LeTx) die Gallenwege und bei lungentransplantierten Patienten (LuTx) die Atemwege der primäre Fokus. In der Subgruppe der Patienten mit akuter Funktionsverschlechterung des Organtransplantats zeigte sich bei NTx-Patienten die infektbedingte Transplantatverschlechterung führend, während bei LeTx- und LuTx-Patienten die akute Abstoßung überwog.
Schlussfolgerungen
Fieber und akute Schwäche sind häufige, jedoch unspezifische Beschwerdebilder, die zur Vorstellung organtransplantierter Patienten in der Notaufnahme führen. Diesen liegt vielfach eine Infektion oder eine akute Verschlechterung der Transplantatfunktion zugrunde.
Hinweise
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In der Notaufnahme stellen Patienten nach solider Organtransplantation das medizinische Personal aufgrund atypischer Beschwerdebilder und komplexer Begleitfaktoren oft vor besondere Herausforderungen. Ziel dieser retrospektiven Studie war es, organtransplantierte Patienten, die sich notfallmäßig in einer universitären Notaufnahme vorgestellt haben, im Hinblick auf ihre Leitsymptome und Diagnosen zu charakterisieren und Unterschiede zwischen den einzelnen Transplantatorganen zu analysieren.
Seit der ersten erfolgreichen Nierentransplantation im Jahre 1954 hat sich die Organtransplantation weltweit zu einem etablierten Therapieverfahren für Patienten im terminalen Organversagen entwickelt [14, 18]. In den Jahren 2019 und 2020 wurden allein in der Bundesrepublik Deutschland 7285 Organtransplantationen durchgeführt [3]. In der Versorgung von Patienten nach Organtransplantation nehmen Notaufnahmen eine entscheidende Rolle ein, wobei dieses Patientenkollektiv die Behandler aufgrund seiner Komplexität und spezifischen Komplikationen vor besondere Herausforderungen stellen kann [19‐21]. So ist eine immunsuppressive Therapie einerseits entscheidend, um Abstoßungen zu vermeiden, erhöht andererseits aber auch das Risiko für schwere Infektionen, wobei die Symptomatik mild oder untypisch sein kann [5, 12, 20]. Hinzu kommt ein breites Spektrum unerwünschter Wirkungen der immunsuppressiven Medikation und antiinfektiven Prophylaxe [2, 4, 11]. Gerade in Akutsituationen stellen sich viele Patienten in einer heimatnahen Notaufnahme vor, da eine oft mehrstündige Anfahrt zum Transplantationszentrum nicht mehr möglich ist. Ein grundlegendes Wissen um relevante Krankheitsbilder und spezifische Komplikationen bei organtransplantierten Patienten ist daher für alle Notfallmediziner relevant, um eine hochwertige Patientenversorgung gewährleisten zu können.
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Ziel der vorliegenden retrospektiven Studie war es, das Patientenkollektiv der organtransplantierten Patienten, die sich im Studienzeitraum notfallmäßig in der Notaufnahme vorgestellt haben, insbesondere im Hinblick auf ihre Leitsymptome und Diagnosen näher zu charakterisieren und Unterschiede zwischen den einzelnen Transplantatorganen zu analysieren. Aufgrund der besonderen Relevanz erfolgte darüber hinaus eine tiefer gehende Betrachtung infektbedingter Notfallvorstellungen sowie von Vorstellungen aufgrund einer Verschlechterung der Transplantatfunktion.
Methodik
Die Studie wurde an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) durchgeführt, in der jährlich zwischen 300 und 400 Transplantationen solider Organe erfolgen. Beispielhaft wurden im Jahr 2020 21 Herzen, 94 Lungen, 82 Lebern, 119 Nieren und 5 Bauchspeicheldrüsen transplantiert.
Durchgeführt wurde eine monozentrische retrospektive Datenanalyse von Patienten nach Herz‑, Leber‑, Lungen‑, Nieren- oder Pankreastransplantation, die sich im Zeitraum vom 01.01.2020 bis 31.12.2021 in der zentralen Notaufnahme (ZNA) der MHH vorgestellt haben. Alle Patienten wurden erfasst, die zum Vorstellungszeitpunkt ≥ 18 Jahre alt waren. Die Datenextraktion erfolgte aus dem Patientendatenmanagementsystem der MHH. Zu allen Fällen wurden neben demografischen Daten (Alter, Geschlecht) das Datum und die Uhrzeit der Vorstellung, das Alter des Organtransplantats, die Zuordnung der Fachrichtung innerhalb der ZNA, die Ersteinschätzung gemäß dem fünfstufigen Emergency Severity Index (ESI) und der Verbleib nach Vorstellung in der Notaufnahme (ambulant oder stationär) erfasst [6]. Darüber hinaus erfolgte die Extraktion der Beschwerdesymptomatik inkl. der Leitsymptome zum Vorstellungszeitpunkt aus dem ärztlichen Aufnahmestatus sowie der final gestellten Diagnose aus dem Entlassungsbrief. Die Kategorisierung der Leitsymptome erfolgte anhand der deutschen Übersetzung des Canadian Emergency Department Information System V3.0 (CEDIS; [1]). Bei stationären Verweildauern von mehr als zehn Tagen wurde überprüft, ob die Hauptdiagnose aus dem Entlassungsbrief das initiale Beschwerdebild bei Vorstellung in der ZNA erklären konnte. Deskriptive Ergebnisse wurden anhand von Häufigkeiten, prozentualen Angaben, Mittelwert, Median und Standardabweichung dargestellt. Gruppenunterschiede nichtnormalverteilter Größen wurden mittels Kruskal-Wallis-Test dargestellt, Gruppenunterschiede kategorialer Variablen wurden mit dem exakten Fisher-Test analysiert. Ein p-Wert < 0,05 galt als signifikant. Für die Studie lag ein positives Votum der Ethikkommission der MHH vor.
Ergebnisse
Im Untersuchungszeitraum wurden bei insgesamt 115.210 Patientenvorstellungen in der Notaufnahme der MHH 977 Patientenkontakte von organtransplantierten Patienten registriert. Insgesamt stellten sich 692 Patienten nach Herz‑, Leber‑, Lungen‑, Nieren‑, Pankreas- oder kombinierter Organtransplantation vor. Den Hauptanteil an diesen Vorstellungen stellte mit 57 % der Fälle (n = 527) die Gruppe der nierentransplantierten Patienten dar, gefolgt von lebertransplantierten (23 %, n = 269) und lungentransplantierten Patienten (9 %, n = 81; Abb. 1). Darüber hinaus wurden 35 Vorstellungen herztransplantierter Patienten sowie 65 Vorstellungen von kombiniert organtransplantierten Patienten registriert. Dieses Kollektiv umfasste Patienten nach Herz- und Lebertransplantation (n = 5), Herz- und Lungentransplantation (n = 3), Herz- und Nierentransplantation (n = 2), Leber- und Lungentransplantation (n = 6), Leber- und Nierentransplantation (n = 16), Leber‑, Lungen- und Nierentransplantation (n = 2) sowie Nieren- und Pankreastransplantation (n = 31).
Abb. 1
Zuordnung der Patientenvorstellungen zum transplantierten Organsystem
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In 686 Fällen erfolgte eine stationäre Aufnahme, entsprechend einer Konversionsrate von 70,2 %, mit einer durchschnittlichen stationären Verweildauer von 10 Tagen. Die durchschnittliche Zeitspanne zwischen dem Transplantationszeitpunkt und der Vorstellung in der Notaufnahme lag im Untersuchungszeitraum im Gesamtkollektiv bei 9 Jahren. Lungen- oder herztransplantierte Patienten stellten sich hierbei früher nach der Transplantation in unserer Notaufnahme vor (Tab. 1). Am häufigsten wurden die Patienten im Rahmen der pflegerischen Ersteinschätzung der inneren Medizin zugeteilt (66 %), gefolgt von der Viszeral- und Unfallchirurgie (9 % bzw. 6 %; Abb. 2). Das am häufigsten erfasste Leitsymptom nach CEDIS zum Vorstellungszeitpunkt in der Notaufnahme war Fieber in 23,6 % (n = 231) der Fälle, gefolgt von allgemeiner Schwäche mit 19,2 % (n = 188) und Bauchschmerzen mit 17,0 % (n = 167; Abb. 3).
Fachspezifische Zuordnung der Patienten im Rahmen der pflegerischen Triage. Die Kategorie „Sonstige“ enthält die Fachgebiete Anästhesie (anästhesiologische Intensivstation), Dermatologie, Gynäkologie, Hals‑, Nasen- und Ohrenheilkunde, Neurochirurgie, Neurologie, plastische und Wiederherstellungschirurgie, Psychiatrie, Strahlentherapie, Mund‑, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Abb. 3
Die 15 häufigsten Symptome nach Canadian Emergency Department Information System (CEDIS) V3.0 im prozentualen Anteil zu allen Vorstellungen organtransplantierter Patienten im Studienzeitraum in der Notaufnahme. NTx nierentransplantierte Patienten, LeTx lebertransplantierte Patienten, LuTx lungentransplantierte Patienten
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Die häufigste Diagnose in der Gesamtkohorte war ein akuter Infekt (43,8 % d. F., n = 428), gefolgt von der akuten Funktionsverschlechterung des Organtransplantats (19,3 %, n = 188) und Knochenbrüchen (3,3 %, n = 32) sowie dem Nierenversagen bei nichtnierentransplantierten Patienten (3,2 %, n = 31; Abb. 4).
Abb. 4
Die 15 häufigsten Diagnosen im prozentualen Anteil zu allen Vorstellungen organtransplantierter Patienten in der Notaufnahme. Raute Die Diagnose „Nierenversagen“ bezieht sich auf alle nichtnierentransplantierten Patienten. NTx nierentransplantierte Patienten, LeTx lebertransplantierte Patienten, LuTx lungentransplantierte Patienten
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Akute Infekte
Das häufigste Leitsymptom bei Patienten mit einem akuten Infekt (n = 428) war Fieber (47,9 %), gefolgt von allgemeiner Schwäche (30,8 %) und Bauchschmerzen (21,3 %; Tab. 2). In 54 Fällen wurde die Diagnose einer Sepsis gestellt. Häufigster Fokus der nicht septisch verlaufenden Infektionen waren im Gesamtkollektiv der Patienten mit Infekt die ableitenden Harnwege (28,5 %), gefolgt von den Gallenwegen (15 %) und den Atemwegen (13,1 %). Die häufigsten Ausgangsherde einer Sepsis waren ebenfalls die ableitenden Harnwege (61,1 %), gefolgt von den Gallenwegen (18,5 %) und der Lunge (5,6 %).
Tab. 2
Häufigkeiten (absolut; prozentual) der Leitsymptome in der Untergruppe der Patienten, bei denen ein Infekt diagnostiziert wurde. Das Auftreten unterschiedlicher Symptome bezogen auf einen einzelnen Patientenfall war möglich
Symptome nach CEDIS
Gesamt (n = 428)
NTx (n = 234)
LeTx (n = 131)
LuTx (n = 21)
Fieber (n; %)
205; 47,9
107; 45,7
74; 56,5
12; 57,1
Allgemeine Schwäche (n; %)
132; 30,8
79; 33,8
41; 31,3
3; 14,3
Bauchschmerzen (n; %)
91; 21,3
36; 15,4
47; 35,9
1; 4,8
Übelkeit und/oder Erbrechen (n; %)
79; 18,5
48; 20,5
21; 16,0
4; 19,0
Durchfall (n; %)
70; 16,4
42; 17,9
18; 13,7
1; 4,8
Beschwerden eines Harnwegsinfekts (n; %)
58; 13,6
49; 20,9
3; 2,3
1; 4,8
Luftnot (n; %)
45; 10,5
27; 11,5
7; 5,3
9; 42,9
Husten/Verschleimung (n; %)
39; 9,1
21; 9,0
7; 5,3
6; 28,6
Auffällige Laborergebnisse (n; %)
26; 6,1
16; 6,8
7; 5,3
–
Ikterus (n; %)
16; 3,7
2; 0,9
14; 10,7
–
NTx nierentransplantierte Patienten, LeTx lebertransplantierte Patienten, LuTx lungentransplantierte Patienten, CEDIS Canadian Emergency Department Information System
Der häufigste Infektionsfokus bei nierentransplantierten Patienten waren die ableitenden Harnwege, bei Lebertransplantierten die Gallenwege, bei Lungentransplantierten die Atemwege.
In der Gruppe der nierentransplantierten Patienten stellten sich 234 Patienten (44,4 %) mit einem Infekt in der Notaufnahme vor. Hier zeigte sich eine Infektion der ableitenden Harnwege (53,0 %) führend, gefolgt von Infektionen des Gastrointestinaltrakts (18,8 %) und Atemwegsinfektionen (14,1 %). Das am häufigsten erfasste Symptom zum Vorstellungszeitpunkt bei Nierentransplantierten mit Infekt war Fieber (45,7 %), gefolgt von allgemeiner Schwäche (33,8 %) und Beschwerden eines Harnwegsinfekts (20,9 %; Tab. 2). In 6 % der Fälle konnte im Rahmen des stationären Krankenhausaufenthalts kein Infektfokus eruiert werden. Patienten nach Lebertransplantation und der Diagnose eines Infekts (n = 131) stellten sich am häufigsten mit Fieber (56,5 %), Bauchschmerzen (35,9 %) und allgemeiner Schwäche (31,3 %) vor (Tab. 2). Am häufigsten zeigte sich dabei eine akute Cholangitis (49,6 %), gefolgt von anderen Infektionen des Gastrointestinaltrakts (13,7 %) und der ableitenden Harnwege (12,2 %). Bei den lungentransplantierten Patienten stellten sich 21 Patienten (25,9 %) mit einer Infektion vor. Bei diesen 21 Patienten war Fieber das am häufigsten erfasste Leitsymptom (57,1 %), gefolgt von akuter Luftnot (42,9 %; Tab. 2). Die Atemwege zeigten sich dabei als häufigster Infektfokus (66,7 %), gefolgt von Infekten der ableitenden Harnwege (14,3 %). Herztransplantierte Patienten stellten sich in 16 Fällen mit einer Infektion vor (45,7 %). Im Patientenkollektiv der kombiniert organtransplantierten Patienten wurden 26 (40 %) Vorstellungen in der ZNA aufgrund einer Infektion registriert.
Akute Funktionsverschlechterung des Organtransplantats
In 188 Fällen wurde bei Vorstellung in der ZNA eine Funktionsverschlechterung des Organtransplantats dokumentiert. Die häufigsten Leitsymptome waren dabei allgemeine Schwäche und Fieber (beide 30,3 %), gefolgt von Übelkeit und/oder Erbrechen (21,3 %; Tab. 3). In der Gruppe der nierentransplantierten Patienten konnte eine akute Verschlechterung der Transplantatfunktion bei Vorstellung in der Notaufnahme in 155 Fällen (29,4 %) dokumentiert werden. Fieber (34,2 %), allgemeine Schwäche (27,7 %) und Übelkeit und/oder Erbrechen (23,9 %) konnten für die Funktionsverschlechterung des Nierentransplantats als Leitsymptome identifiziert werden (Tab. 3). Ursächlich zeigte sich retrospektiv am häufigsten eine rein infektbedingte Funktionsverschlechterung (47 %), hierbei führend die alleinige Infektion der ableitenden Harnwege (49,3 %). Ein rein durch Hyper- oder Hypovolämie bedingter Funktionsverlust konnte in 24,5 % der Fälle registriert werden. Eine akute, immunologisch vermittelte Abstoßung stellte sich retrospektiv bei 8,4 % (n = 13) der Patienten mit Nierentransplantatverschlechterung als ursächlich dar. Darüber hinaus zeigten sich multifaktoriell bedingte Funktionsverluste (4,5 %) sowie postrenal (3,9 %) oder toxisch (3,2 %) bedingte Funktionsverschlechterungen des Nierentransplantats. In 5,2 % der Fälle konnte keine Ursache gefunden werden.
Tab. 3
Häufigkeiten (absolut; prozentual) der Leitsymptome in der Untergruppe der Patienten, bei denen eine akute Funktionsverschlechterung des Organtransplantats diagnostiziert wurde. Das Auftreten unterschiedlicher Symptome bezogen auf einen einzelnen Patientenfall war möglich
Symptome nach CEDIS
Gesamt (n = 188)
NTx (n = 155)
LeTx (n = 8)
LuTx (n = 7)
Allgemeine Schwäche (n; %)
57; 30,3
43; 27,7
5; 62,5
1; 14,3
Fieber (n; %)
57; 30,3
53; 34,2
1; 12,5
1; 14,3
Übelkeit und/oder Erbrechen (n; %)
40; 21,3
37; 23,9
–
1; 14,3
Beschwerden eines Harnwegsinfekts (n; %)
35; 18,6
33; 21,3
–
–
Durchfall (n; %)
32; 17,0
25; 16,1
–
–
Luftnot (n; %)
27; 14,4
18; 15,5
–
6; 85,7
Bauchschmerzen (n; %)
26; 13,8
25; 16,1
1; 12,5
–
Auffällige Ergebnisse Labor/Bildgebung (n; %)
25; 13,3
18; 11,6
3; 37,5
–
Oligurie (n; %)
19; 10,1
16; 10,3
–
–
Beinschwellung/Ödem (n; %)
10; 5,3
9; 5,8
–
–
Ikterus (n; %)
7; 3,7
2; 1,3
5; 62,5
–
Juckreiz (n; %)
2; 1,1
–
2; 25,0
–
Husten/Verschleimung (n; %)
9; 4,8
5; 3,2
–
3; 42,9
NTx nierentransplantierte Patienten, LeTx lebertransplantierte Patienten, LuTx lungentransplantierte Patienten, CEDIS Canadian Emergency Department Information System
Eine akute Verschlechterung der Lebertransplantatfunktion wurde in 8 Fällen (3 % aller Vorstellungen von lebertransplantierten Patienten) dokumentiert und äußerte sich v. a. durch allgemeine Schwäche und Ikterus (je 62,5 %) sowie mit ambulant bestimmten auffälligen Laborergebnissen (37,5 %; Tab. 3). In 6 Fällen zeigte sich ursächlich eine akute immunologische Rejektion, signifikant häufiger im Vergleich zu den nierentransplantierten Patienten (Odds Ratio 33; KI 7–164; p < 0,0001). In zwei weiteren Fällen fand sich ein nutritiv-toxischer Schaden beziehungsweise eine rekurrente Grunderkrankung im Transplantat.
Eine akute Verschlechterung der Lungentransplantatfunktion fand sich bei 7 Patienten (8,6 % aller Vorstellungen lungentransplantierter Patienten), die sich mit akuter Luftnot (n = 6) und Husten/Verschleimung (n = 3) in der Notaufnahme vorstellten (Tab. 3). In 4 Fällen zeigte sich eine akute Organabstoßung, somit signifikant häufiger als bei den nierentransplantierten Patienten (Odds Ratio 14,6; KI 3,5–60,5; p = 0,0025). Zwei Transplantatverschlechterungen waren infektiöser Genese, einmalig wurde eine „chronic lung allograft dysfunction“ (CLAD) im stationären Verlauf diagnostiziert. Im Kollektiv der kombiniert organtransplantierten Patienten wurde eine akute Transplantatfunktionsverschlechterung in 17 Fällen dokumentiert. Lediglich ein herztransplantierter Patient stellte sich mit einer Transplantatfunktionsverschlechterung vor, eine Rejektion konnte hier bioptisch im weiteren stationären Verlauf nachgewiesen werden.
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Diskussion
Die vorliegende retrospektive Studie hatte das Ziel, organtransplantierte Patienten, die sich notfallmäßig in einer universitären Notaufnahme vorgestellt haben, im Hinblick auf ihre Leitsymptome und Diagnosen zu charakterisieren. Es konnte gezeigt werden, dass insbesondere unspezifische Symptome wie Fieber, allgemeine Schwäche, Bauchschmerzen oder Übelkeit/Erbrechen zur Vorstellung in der Notaufnahme geführt haben. Die mit Abstand am häufigsten erfassten Diagnosen waren Infekte sowie die akute Funktionsverschlechterung des Organtransplantats.
Die Konversionsrate bei den organtransplantierten Patienten zeigte sich mit 70,2 % hoch. Dies entspricht anderen Erhebungen universitärer Notaufnahmezentren für organtransplantierte Patienten und steht im Gegensatz zur Gesamtkonversionsrate sowohl unserer (27 % im Untersuchungszeitraum) als auch weiterer Notaufnahmen [9, 20, 21]. Dies könnte zum einen durch einen erhöhten Bedarf an umfänglicher Diagnostik und stationärer Therapie nach Organtransplantation bedingt sein. Zum anderen ist auch eine erhöhte Aufnahmebereitschaft bei unklarer Symptomatik aus Sorge vor Komplikationen denkbar, die im Rahmen der Behandlung in der Notaufnahme nicht sicher erkannt werden können.
Daten zu Leitsymptomen und Diagnosen in der Notaufnahme liegen insbesondere für nichtselektierte Patientenkollektive vor. So konnten Möckel et al. in einer retrospektiven Studie zeigen, dass der zerebrale Insult, die Angina pectoris, der akute Herzinfarkt sowie Vorhofflimmern/Vorhofflattern die am häufigsten gestellten Diagnosen in der Notaufnahme waren, die eine stationäre Aufnahme zur Folge hatten. Unter den ambulant belassenen Patienten zeigten sich der arterielle Hypertonus, Hals- und Brustschmerzen, Bauch- und Unterbauchschmerzen sowie eine Gastritis/Duodenitis als Hauptbeschwerdebilder [15].
Greiner et al. implementierten die CEDIS-Diagnoseliste in das Notaufnahmeinformationssystem eines regionalen Schwerpunktversorgers und untersuchten die Leitsymptome, die mit einer Vorstellung in der Notaufnahme verbunden waren. In einem Zeitraum von 8 Monaten wurden 26.330 Patientenvorstellungen analysiert. Schmerzen und Verletzungen der Extremitäten bildeten die größte Gruppe (29,5 %), gefolgt von Rückenschmerzen (4 %) und allgemeiner Schwäche (4 %). Brustschmerz (kardial) stellte den häufigsten kardiologischen Vorstellungsgrund dar (3,7 %), Symptome eines Schlaganfalls (2,4 %) den häufigsten neurologischen Vorstellungsgrund [8]. Im Gegensatz zu der Studie von Möckel et al. zeigt sich in unserer Erhebung bei organtransplantierten Patienten eine deutlich höhere Prävalenz an Infektionen (44 % d. F.; Abb. 4). Passend hierzu und im Gegensatz zur Erhebung von Greiner et al. [8] war Fieber das in unserem Kollektiv am häufigsten erfasste Leitsymptom. Andere Untersuchungen bestätigen, dass die Morbidität und Mortalität von organtransplantierten Patienten wesentlich durch Infekte geprägt ist. So konnten Unterman et al. in einer retrospektiven Untersuchung an 1251 Vorstellungen von organtransplantierten Patienten in einer Notaufnahme zeigen, dass Fieber und Infekte mit 36 % die am häufigsten gestellten Entlassungsdiagnosen waren [7, 20, 21]. Durch gezielte medikamentöse Immunsuppression sind organtransplantierte Patienten Infekten gegenüber als besonders vulnerabel anzusehen. Gleichzeitig kann sich das klinische Erscheinungsbild durch die veränderte Immunantwort mild oder atypisch präsentieren, sodass die Gefahr einer klinischen Fehleinschätzung mit inadäquater Erstversorgung besteht [7, 10, 17, 20]. Die Kenntnis der typischen Infektfokusse innerhalb der unterschiedlichen Patientengruppen ist daher von besonderer Bedeutung: Während bei nierentransplantierten Patienten in mehr als der Hälfte aller infektassoziierten Vorstellungen eine Harnwegsinfektion detektiert werden konnte, zeigten sich bei lebertransplantierten Patienten die Gallenwege besonders anfällig. Lungentransplantierte Patienten hingegen litten zumeist an einer Infektion der Atemwege.
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Die zweithäufigste Diagnose bei Vorstellung in der Notaufnahme war die akute Funktionsverschlechterung des Organtransplantats mit vergleichsweise hoher Prävalenz nach Nierentransplantation. Generell stellen bakterielle Infektionen, insbesondere Harnwegsinfekte, eine häufige Ursache für eine akute Funktionsverschlechterung des Nierentransplantats dar [22]. Auch in unserer Untersuchung war dies die häufigste Ursache für ein solches, dementsprechend Fieber das häufigste Leitsymptom. Eine akute Abstoßung wurde bei Nierentransplantierten hingegen in nur 8,4 % der Fälle einer Transplantatfunktionsverschlechterung im weiteren stationären Verlauf gesichert. Trotzdem bedarf diese Differenzialdiagnose einer erhöhten Aufmerksamkeit und einer stetigen Reevaluation, da unbehandelt die Gefahr eines reduzierten Langzeitüberlebens des Organtransplantats besteht [13, 22].
Im Gegensatz zur Nierentransplantatfunktionsverschlechterung lag der akuten Funktionsverschlechterung des Leber- oder Lungentransplantats vergleichsweise häufig eine akute Abstoßung zugrunde. Hierbei ist die geringe Prävalenz des Leber- bzw. Lungentransplantatversagens in unserer Erhebung einschränkend zu berücksichtigen. Andere Untersuchungen lassen jedoch ähnliche Annahmen vermuten [16].
Zusammengefasst wurde mit dieser retrospektiven Studie gezeigt, dass Infektionen und Funktionsverschlechterungen des Organtransplantats die am häufigsten erfassten Diagnosen bei der Vorstellung von organtransplantierten Patienten in der Notaufnahme waren und Fieber das häufigste Leitsymptom darstellte. Die Kenntnis von Ursachen und Leitsymptomen kann die Diagnosestellung in der Notaufnahme unterstützen und eine zielgerichtete Erstversorgung erleichtern.
Limitationen
Es handelt sich um eine retrospektive monozentrische Datenanalyse in einer Notaufnahme eines universitären Transplantationszentrums, sodass von einer höheren Prävalenz transplantierter Patienten im Notaufnahmekollektiv auszugehen ist. Die Diagnosen wurden aus den Arztbriefen extrahiert, jedoch nicht anhand von klinischen Parametern überprüft.
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Fazit für die Praxis
Organtransplantierte Patienten stellen sich aufgrund verschiedener oft unspezifischer Leitsymptome (u. a. Fieber) in der Notaufnahme vor.
Akute Infekte und die akute Funktionsverschlechterung des Organtransplantats sind die mit Abstand am häufigsten gestellten Diagnosen in der Notaufnahme.
Der häufigste Infektfokus bei nierentransplantierten Patienten waren die ableitenden Harnwege, bei lebertransplantierten die Gallenwege, bei lungentransplantierten die Atemwege.
Der häufigste Grund für eine Funktionsverschlechterung des Nierentransplantats waren akute Infekte. Einer Funktionsverschlechterung von Leber- und Lungentransplantaten lag am häufigsten eine akute Abstoßung zugrunde.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
C. Schröder, U. Hillebrand, L.J. Voßiek, B.M.W. Schmidt und T. Brod geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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