Eine 43-jährige Frau stellte sich wegen seit ca. zwei Jahren auftretender selbstlimitierender Anfälle von Herzrasen, die meist von präsynkopalem Schwindel begleitet waren, in der Notaufnahme vor. Die Episoden traten unprovoziert, allerdings gehäuft in Stresssituationen, auf. Zweimalig wurde auch eine Synkope beschrieben. Eine kardiologische und neurologische Abklärung einschließlich cMRT war bereits ambulant erfolgt. Dabei sei lediglich ein Mitralklappenprolaps diagnostiziert und die Symptomatik als Panikattacke gewertet worden. Brustschmerzen oder Luftnot sowie Alkohol- und anderweitiger Rauschmittelkonsum, abgesehen von einem Nikotinkonsum mit ca. 10 „pack years“, wurden verneint. Außer einer Faktor-V-Leiden-Mutation waren keine weiteren Vorerkrankungen bekannt, auch in der Familie gab es keine strukturellen Herzerkrankungen oder plötzliche Todesfälle. Keine Allergien, keine Vormedikation.
Untersuchung
Bei ärztlichem Erstkontakt präsentierte sich eine blasse, unruhig-agitierte Frau mit geschlossen Augen. In der klinischen Untersuchung zeigte sich ein unauffälliger Befund, bis auf eine Tachypnoe und Tachykardie mit einer Herzfrequenz von ca. 120/min.
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Diagnostik
Der Bedside-Monitor zeigte multiple monomorphe Extrasystolen mit intermittierenden Salven, die bis zu 20 s anhielten. Im unverzüglich angefertigten 12-Kanal-EKG (Abb. 1) wurde eine nichtbeständige ventrikuläre Tachykardie (VT) mit einer für den rechtsventrikulären Ausflusstrakt („right ventricular outflow tract“ [RVOT]) charakteristischen Morphologie sichtbar. Herzenzyme, D‑Dimere, Entzündungsparameter und Schilddrüsenparameter waren normwertig. Auffällig war lediglich eine leichte Hypokaliämie (3,0 mmol/l) bei respiratorischer Alkalose.
Abb. 1
12-Kanal-EKG mit Schreibgeschwindigkeit 50 mm/s und 10 mm/mV. Monomorphe Breitkomplextachykardie und RVOT-Konfiguration (linksschenkelblockartig mit inferiorer QRS-Achse)
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Therapie und Verlauf
Die Patientin wurde in Reanimationsbereitschaft in den Schockraum übernommen. Es erfolgten eine Behandlung entsprechend dem ACLS-Algorithmus der American Heart Association für regelmäßige Breitkomplextachykardien mit Amiodaron und Magnesium, die bei Persistenz wiederholt wurde, sowie eine Kaliumsubstitution. Supportiv wurde aufgrund der Agitation eine Sedierung mit kumulativ 10 mg Midazolam durchgeführt. Die Maßnahmen führten zu einer Verbesserung der Beschwerdesymptomatik, begleitet von einer Spontankonversion in den Sinusrhythmus. Im Verlauf des weiteren stationären Aufenthalts erfolgten eine Kardio-MRT mit Kontrastmittel, eine TTE, ein 24-Stunden-EKG und eine elektrophysiologische Untersuchung ohne Nachweis einer strukturellen Herzerkrankung. Der Mitralklappenprolaps konnte nicht bestätigt werden. Nach Therapiebeginn mit Bisoprolol konnte die Patientin nach fünftägiger Beschwerdefreiheit ohne erneute VT-Intervalle entlassen werden.
Diskussion
Ca. 80 % aller VT ohne zugrunde liegende strukturelle Herzerkrankung haben ihren Ursprung im RVOT [4]. Die Hypokaliämie oder Stress waren möglicherweise (körperlich oder geistig) ein Trigger für die VT. Die idiopathische RVOT-VT betrifft häufiger das weibliche Geschlecht, zumeist im dritten bis fünften Lebensjahrzehnt [1, 5]. Es wird angenommen, dass ein cAMP-vermittelter überschießender Kalziumeinstrom das Auftreten der VT durch späte Nachpolarisationen triggert [2, 6, 7]. Zur Diagnosestellung können eine umfassende Eigen- und Familienanamnese, ein 12-Kanal-EKG während symptomatischer Episoden, eine Echokardiographie sowie ein Langzeit-EKG, eine Kardio-MRT und ggf. weiterführend eine elektrophysiologische Untersuchung, Biopsie, Autoimmunserologie und eine PET-CT herangezogen werden. Die Prognose ist bei RVOT-VT als „benigner“ Form einer ventrikulären Rhythmusstörung meist gut. Prognostisch ungünstige Faktoren sind u. a. ein gehäuftes Auftreten von Synkopen, der Übergang in Kammerflimmern und der plötzliche Herztod [7]. Betablocker, Kalziumkanalblocker (Verapamil) oder Klasse-I-Antiarrhythmika (Flecainid) sowie die Katheterablation stellen Behandlungsoptionen dar, wobei Letztgenannte insgesamt eine höhere dauerhafte Erfolgsrate als die medikamentöse Therapie zeigt und laut der aktuellen ESC-Leitlinie 2022 als Erstlinientherapie bei symptomatischer RVOT-VT empfohlen wird [8]. Im Akutfall empfehlen die aktuellen ESC-Leitlinien bei einem instabilen Patienten die elektrische Kardioversion. Bei stabilem Patienten und Verdacht auf eine supraventrikuläre Genese wird die Durchführung eines Vagusmanövers oder die Gabe von Adenosin empfohlen. Auch bei nichtsupraventrikulärem Ursprung kann Adenosin die VT potenziell beenden. In jedem Fall sollte eine zügige Terminierung der VT erfolgen. Auch bei einem stabilen Patienten ist die elektrische Kardioversion möglich und bei einer Risikokonstellation für eine Sedierung die Gabe von Procainamid oder Amiodaron. Weitere Therapiemöglichkeiten bei bekanntem Ursprung der VT sind Betablocker oder Verapamil [8]. Differenzialdiagnostisch sind bei Auftreten von Tachykardien aus dem rechten Ventrikel eine arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC), eine kardiale Sarkoidose, eine Myokarditis sowie ein Brugada-Syndrom und fokale Reentry-Tachykardien zu erwägen [3]. Ein regelmäßiges Follow-up zur Einschätzung der linksventrikulären Funktion sollte durchgeführt werden.
Retrospektiv war die Behandlung mit Amiodaron in diesem konkreten Fall möglicherweise nicht die Methode der Wahl, die Gabe eines der vorgenannten Medikamente wäre vorzuziehen. Die Diagnose sollte allerdings erst nach Ausschluss einer strukturellen Herzerkrankung gestellt werden [7].
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Fazit für die Praxis
Bei rezidivierenden Palpitationen und Präsynkopen sollte vor Diagnosestellung einer Panikattacke immer ein EKG angefertigt werden, idealerweise während des Auftretens der Beschwerdesymptomatik. Bei Vorstellung im beschwerdefreien Intervall sollte ein 24-Stunden-EKG angefertigt werden, das mindestens eine Beschwerdeepisode enthält. Bei Bedarf sollte das EKG wiederholt werden und bei auffälligem Befund eine weiterführende Abklärung zum Ausschluss struktureller Herzerkrankungen erfolgen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
S. Zimmermann, M. Böckl, J.G. Westphal und J.-C. Lewejohann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
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