Ist der Abstand zwischen mütterlicher RSV-Vakzinierung und Entbindung größer, hat das Vorteile für den Antikörpertiter des Kindes. Dafür sprechen zumindest Ergebnisse einer aktuellen US-Studie zur RSVpreF-Vakzine. Gerade in Deutschland bleiben aber wichtige Fragen offen.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
In den USA und in der EU ist seit gut einem Jahr eine RSV-Impfung von Schwangeren mit dem RSVpreF-Impfstoff Abrysvo zugelassen, die helfen soll, Neugeborene vor einer RSV-Infektion zu schützen. Während die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) für die Zulassung von Abrysvo das in der zulassungsrelevanten Studie geprüfte Impffenster zwischen den Schwangerschaftswochen (SSW) 24 und 36 zugrunde gelegt hat [1], hat die amerikanische Schwesterbehörde FDA den Impfzeitraum auf das Intervall zwischen SSW 32 und SSW 36 verengt [2]. Hintergrund dafür war ein fraglicher Zusammenhang von maternalen RSVpreF-Impfungen und einem etwaigen höheren Risiko für Frühgeburten (die Sorgen speisten sich dabei aus Studien zu Abrysvo und zu einem weiteren RSVpreF-Impfstoff; vgl. [3]).
Gynäkologinnen und Gynäkologen um Olyvia Jasset vom Massachusetts General Hospital in Boston, MA/USA, diskutieren nun in der Fachzeitschrift American Journal of Obstetrics & Gynecology die Frage, ob ein so verkleinertes Impffenster ggf. Einfluss auf die Wirksamkeit der Vakzinierung hat [4] – und liefern gleich erste Daten mit, die dafür sprechen, dass mehr Antikörper von der Mutter auf das Kind übertragen werden, wenn die Impfung früher innerhalb des in den USA zugelassenen Zeitfensters (SSW 32 bis SSW 36) erfolgt. Am höchsten war demnach der transplazentare Transfer von Mutter zu Kind, wenn die Impfung wenigstens fünf Wochen vor der Entbindung erfolgt war.
Auch wenn das Team die Impfwirksamkeit also nicht direkt gemessen hat und zudem einräumt, dass unklar sei, ob ein effizienterer Antikörpertransfer auch mit einem besseren RSV-Schutz einhergehe, tendieren die Medizinerinnen und Mediziner um Jasset unter Einbezug von Daten aus der Literatur zur frühzeitigeren Impfung: „Unsere Ergebnisse liefern eine Rationale dafür, wie wir schwangere Patientinnen über den Erhalt des RSV-Impfstoffs innerhalb des genehmigten Zeitfensters beraten sollten […].“ Zudem regen sie an, das aktuelle US-Intervall zu überdenken, wenn kontinuierlich weitere Real-World-Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs verfügbar würden. Gleichzeitig betonen sie in der Diskussion aber auch: „Die Ergebnisse zeigen nicht, dass eine Impfung mehr als zwei, aber weniger als fünf Wochen vor der Entbindung einen unzureichenden Schutz des Säuglings vor RSV bietet, sondern vielmehr, dass der transplazentare Transfer von Antikörpern zum Fötus in diesem Zeitraum weniger effizient ist.“
Aktuell keine STIKO-Empfehlung
Aktuell haben die jetzt von den US-Medizinerinnen und Medizinern vorgelegten Daten – auch losgelöst von den methodischen Herausforderungen der Studie – keine ganz eindeutigen Implikationen für Deutschland, was an zwei Punkten liegt:
- Die Ständige Impfkommissionen (STIKO) am Robert-Koch-Institut empfiehlt den Einsatz von Abrysvo bei Schwangeren bisher gar nicht (Stand 15. November 2024). Wörtlich heißt es dazu auf der Website der STIKO: „Seit August 2023 ist der RSV-Impfstoff Abrysvo von der Europäischen Union für die RSV-Impfung in der Schwangerschaft zuglassen. Die STIKO empfiehlt die Impfung aufgrund der bisher nicht ausreichenden Datenlage nicht (Stand 27. Juni 2024)“ [5]. Wohlbemerkt: Eine Immunisierung von Neugeborenen und Säuglingen wird von der STIKO empfohlen, allerdings mit dem monoklonalen Antikörper Nirsevimab (Beyfortus) [6].
- In der EU – und damit auch in Deutschland – ist Abrysvo ohnehin im „vollen“ Impffenster der Zulassungsstudie (SSW 24 bis SSW 36) zugelassen. Anders als in den USA bestünde diesbezüglich also gar keine Basis für eine Diskussion des Impffensters, wie sie Jasset und ihr Team für die USA anregen.
Was sagt die DGGG?
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) empfiehlt eine Impfung von Schwangeren mit Abrysvo, wobei sie als Impffenster das aus der US-Zulassung zugrunde legt und damit auch den Empfehlungen der US-Seuchenschutzbehörde CDC [7] und denen der ACOG (American College of Obstetricians and Gynecologists) [8] folgt. So schreibt die DGGG in einem mit weiteren Fachgesellschaften konsentierten Positionspapier vom November 2023: „Die perinatologischen Fachgesellschaften empfehlen die saisonale RSV-Impfung für Schwangere ab 32 SSW in informierter partizipativer Entscheidungsfindung“ [9].
Details zur aktuellen Studie
Die Forscherinnen und Forscher um Jasset hatten in einer prospektiven Kohortenstudie an zwei Zentren (Mass General Hospital und Mount Sinai School of Medicine) Mütter (n = 124) untersucht, die in der Schwangerschaft mit Abrysvo geimpft worden waren. Um die Effizienz des transplazentaren Antikörpertransfers zu bestimmen, hatte das Studienteam den Antikörpertiter in der Plazenta (indirekt ermittelt aus dem Nabelschnurblut) zu dem der Mutter ins Verhältnis gesetzt. Bei einem effektiven Transfer von Antikörpern von der Mutter zum Kind sollte dieses Verhältnis Werte ≥ 1 annehmen, schreiben Jasset und ihre Kolleginnen und Kollegen.
Erfolgte die Impfung 2–3 Wochen vor der Entbindung, lag der Wert bei 0,76, bei einer Impfung 5–6 Wochen vorher dagegen bei 1,35 (p = 0,03). Ein ähnliches Muster ergab sich für die Vergleiche „2–3 Wochen vor der Entbindung“ versus „>6 Wochen vor der Entbindung“ (0,76 vs. 1,43; p = 0,08) und „3–4 Wochen vor der Entbindung“ versus „>6 Wochen vor der Entbindung“ (0,92 vs. 1,43; p = 0,03).
Stichwort Abrysvo
Die bivalente Vakzine Abrysvo (PF-06928316; RSVpreF) vom Hersteller Pfizer enthält virale Proteine der RSV(Respiratory Syncytial Virus)-Subgruppen A und B. Konkret enthalten sind F-Glycoproteine der Virenhülle, stabilisiert in ihrer Präfusionskonformation (preF) [10]. Das F-Protein (F für „fusion“) spielt eine zentrale Rolle bei der Verschmelzung von Virus und Wirtszelle und ist ein wichtiges Antigen für neutralisierende Antikörper.
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Spielt es für den Transfer von Antikörpern von der Mutter zum Fötus eine Rolle, ob Schwangere eher früher oder später in der Schwangerschaft mit RSVpreF (Abrysvo) gegen RSV geimpft werden? Antwort: US-Daten aus zwei Zentren sprechen dafür, dass der Antikörpertransfer am effektivsten ist, wenn zwischen Impfung und Entbindung mindestens fünf Wochen liegen. Bedeutung: Die Daten sind für Deutschland bisher nur mittelbar relevant, weil die STIKO aktuell keine Schwangerenimpfung mit Abrysvo empfiehlt. Einschränkung: Die Wirksamkeit der Vakzinierung wurde nicht analysiert, es wurden lediglich Antikörpertiter bestimmt. Die Zulassung von Abrysvo unterscheidet sich zwischen der EU und den USA (in den USA darf nur in einem kleineren Fenster der Schwangerschaft geimpft werden). |