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Open Access 25.09.2024 | Originalien

Neuartige Luftfahrtmobilität im Gesundheitswesen

Erkenntnisse aus einer qualitativen Interviewserie für den Krankenhaussektor

verfasst von: Robin Karpstein, Florian Holzapfel, Peter Biberthaler, Stefan Müller

Erschienen in: Notfall + Rettungsmedizin

Zusammenfassung

Das deutsche Gesundheitswesen steht vor einem großen Umbruch. In der Politik werden weitreichende und wegweisende Reformen für die mittel- bis langfristige Entwicklung diskutiert. In der aktuellen Zeit besteht die Chance und das Potenzial, Dinge neu zu denken und Türen für neue Technologien zu öffnen. Eine transformative Technologie für das Transportwesen im Gesundheitssektor stellt neuartige Luftfahrtmobilität wie Drohnen und Flugtaxis dar, die eine Verbesserung und Flexibilisierung versprechen. Insbesondere im Hinblick auf die Herausforderungen des bodengebundenen Transportes wie den Personalmangel und den stetig steigenden Verkehr ist neuartige Luftfahrtmobilität eine vielversprechende Option. Der konkrete Einsatzzweck und das beste Vorgehen, um die Potenziale zu heben, wird in dieser Studie diskutiert. Es zeigt sich, dass in Abhängigkeit der Nutzlast und Reichweiten die technische Machbarkeit beeinflusst wird und hierdurch der Möglichkeitsraum zu transportierender Gesundheitsgüter definiert wird. Außerdem zeigt sich, dass der größte Mehrwert dieser Technologie im Zeitgewinn zu erwarten ist, insbesondere bei lebensbedrohlichen Indikationen. Gleichzeitig ist es für eine erfolgreiche Einführung neuer Fluggeräte eminent, mithilfe niederschwelliger Anwendungen deren Nutzen zu verdeutlichen und Erfahrungen mit deren Umgang zu sammeln. Der Weg von einem Proof of Concept hin zu einem erfolgreichen Serieneinsatz wird ebenfalls in diesem Artikel diskutiert, um die vorhandenen Ressourcen möglichst optimal einzusetzen und einen zügigen Einsatz der neuartigen Luftfahrtmobilität im Gesundheitswesen zu ermöglichen.

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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Das deutsche Gesundheitswesen ist einem transformativen Prozess ausgesetzt. Gründe hierfür sind u. a. der Fachkräftemangel und die wirtschaftlichen Herausforderungen. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse heben die medizinischen Vorteile von Konzentrierung und Spezialisierung im Gesundheitswesen hervor [111]. Im niedergelassenen Bereich findet zudem eine durch Private-Equity-Firmen und Großinvestoren getriebene Konzentration statt [1214]. Technische Fortschritte in der medizinischen Behandlung, beispielsweise die Telemedizin, haben die Patienteninteraktionen bereits verändert, dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen [15]. Veränderungen in der Gesundheitsversorgung scheinen auch politisch gewollt. So hat der GB‑A bereits vor der COVID-19-Pandemie eine Neuorganisation des deutschen Notfallsystems verabschiedet, welche nach Expertenmeinung zu einer Konsolidierung von Notaufnahmen führen wird [16]. Laut [4, 11, 17] wird es notwendig sein, die medizinische Versorgung, zusätzlich zu den Notaufnahmen, weiter zu zentralisieren und eine Spezialisierung zu fördern. Das Bundesgesundheitsministerium hat hierfür eine Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung einberufen. Wenngleich die Vorschläge der Regierungskommission, insbesondere die der dritten Stellungnahme [18], auf gemischte Resonanz [1925] gestoßen sind, so sind sich alle Betroffenen der Notwendigkeit einer Reform bewusst, insbesondere auch mit Blick auf die Herausforderung der Krankenhausfinanzierung.
Das Ziel dieser Reform ist, ein selektiveres und bedarfsgerechteres Angebot der medizinischen Versorgung zu schaffen, um die medizinische Behandlungsqualität zu verbessern, womit zwangsläufig ein steigender Mobilitätsbedarf durch größere Entfernungen zu medizinischen Dienstleistungen verbunden mit längeren Zugangszeiten im Gesundheitswesen einhergeht, welcher entlang aller im Gesundheitswesen bekannten Transportarten entsteht:
  • Primärtransport beschreibt den Notfalltransport zur nächsten geeigneten und verfügbaren medizinischen Einrichtung.
  • Sekundärtransport ist der Transport von Patienten zwischen medizinischen Einrichtungen nach einer ersten qualifizierten Behandlung.
  • Tertiärtransport bezeichnet den Transport ohne Patienten, z. B. von medizinischen Gütern oder Personal [26, 27].
Die Anfahrtszeiten zum Patienten als Teil des Prähospitalintervalls steigen, und der Fachkräftemangel, auch in der medizinischen Transportlogistik, nimmt zu [1, 2, 28]. Es bedarf einer Vielzahl an Transportlösungen, um den anstehenden Herausforderungen zu begegnen. Neuartige Luftfahrtmobilität, u. a. Drohnentechnologie und in der Luftfahrt innovative Antriebstechnologien wie Brennstoffzellen, Batterietechnologien und Elektromotoren, bietet eine mögliche Lösung [2931], um dem gestiegenen Mobilitätsbedarf zu begegnen. Technische Errungenschaften der letzten Jahre, u. a. im Bereich der Flugregelung- und Flugsteuerung, Batterietechnologie [32] und Kompositmaterialien erweitern die Anwendungsgebiete neuartiger Luftfahrtmobilität. Lufttaxis und Frachtdrohnen werden heutzutage bereits als Prototypen oder im limitierten Regelbetrieb eingesetzt [33, 34]. Zertifizierungsbehörden stellen Regeln zu deren Zulassung und Betrieb bereit, wie die SC-VTOL (Special Condition – Vertical Takeoff and Landing) für die Zulassung manntragender Fluggeräte [35] und die Durchführungsbestimmungen 2019/945 [36] sowie 2019/947 [37] für unbemannte Fluggeräte in Europa. Neuartige Luftfahrtmobilität ist bereits in Machbarkeitsstudien und Kleinserien wie Zipline1, Everdrone2, Medifly3 oder Wingcopter4 im Gesundheitswesen im Einsatz. Untersuchungen in [38, 39] erforschen den Einsatz von Lufttaxis als Notarztzubringer. In [40] werden Hubschrauber als Zubringer von interventionellen Neuroradiologen zur notfallmäßigen Thrombektomie bei Schlaganfallpatienten in ländlichen Kliniken vorgeschlagen, die potenziell durch neuartige Luftfahrtmobilität ersetzt werden könnten.
Drei eVTOL („electrical Vertical Takeoff and Landing“) Design-Archetypen werden unterschieden: Multikopter, Lift-and-cruise sowie Tilt Thrust. Multikopter ähneln in der Anwendung herkömmlichen Hubschraubern, da sie horizontal angeordnete Rotoren verwenden und der Auftrieb ausschließlich durch die Rotoren generiert wird, d. h. (Vorwärts‑)Schub und Auftrieb generierendes Element sind identisch. Dies bietet Redundanz im Design, jedoch sind Fluggeschwindigkeit und Reichweite begrenzt. Lift-and-cruise-Designs nutzen 2 Antriebsstränge. Horizontalrotoren ermöglichen vertikales Starten, Landen und Schwebeflug. Zusätzliche senkrecht zur Flugrichtung ausgerichtete Rotoren ermöglichen in Kombination mit Tragflügeln einen effizienten, auftriebsgestützten horizontalen Flächenflug, was höhere Reichweiten und längere Flugzeiten ermöglicht; hier sind die (Vorwärts‑)Schub und Auftrieb erzeugenden Element nicht identisch. Dies führt zu einem höheren Systemgewicht im Vergleich zu Multikoptern oder der Tilt-Thrust-Konfiguration. Die Regelungskomplexität in der Transition wird jedoch reduziert und eine optimalere Auslegung hinsichtlich der Flugzustände ist möglich. Tilt-Thrust-Konfigurationen verwenden ein einzelnes Antriebssystem, das einen Kompromiss zwischen Schwebeflug und Horizontalflug finden muss. In diesem Fall ist der Schubvektor, z. B. mithilfe eines schwenkbaren Flügels, drehbar. Hierdurch wird ein Gewichtsvorteil gegenüber der Lift-and-cruise-Konfiguration erzielt, wenngleich die Komplexität in der Transition zunimmt [4144]. In Abb. 1 findet sich eine grafische Übersicht.
In dieser Studie werden …
  • Mobilitätsbedarfe im Gesundheitswesen identifiziert,
  • die Mobilitätsbedarfe kategorisiert, eingeordnet und klassifiziert,
  • geeignete Konfigurationen zur Bedarfsdeckung diskutiert,
  • ein Vorgehen zur erfolgreichen Umsetzung eines Proof of Concept genannt.
Die Ergebnisse dienen zur Ableitung eines Kriterienkatalogs und Entscheidungsframeworks, um vielversprechende Vorhaben zu identifizieren und Ressourcen gezielt einzusetzen. Das Ziel besteht darin, eine umfassende Betrachtung dieses neuen Forschungsfelds zu ermöglichen und die Ressourcenallokation für zukünftige Forschungsprojekte und Industrieprojekte zu informieren, um einen sinnvollen und gewinnbringenden Einsatz im realen medizinischen Alltag zu ermöglichen.

Methodik

Die in dieser Studie verwendeten Daten basieren auf Interviews mit Experten und Expertinnen aus dem Gesundheitswesen. Ergänzend wurden aktuelle luftfahrtrechtliche Bestimmungen herangezogen. Im Rahmen der Interviewserie wurden insgesamt 27 Personen befragt. Der Schwerpunkt lag auf praktizierenden Chef- und Oberärzten und -ärztinnen sowie Managern und Managerinnen aus dem Gesundheitswesen. Es gab 14 Interviews mit praktizierenden Medizinern und Medizinerinnen verschiedener Fachrichtungen (u. a. Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, Notarzt, verschiedenste Chirurgen, Neurologen, Internisten), 7 mit Experten und Expertinnen aus dem Management des Gesundheitswesens (u. a. Klinikgeschäftsführung, MVZ-Geschäftsführung, Geschäftsführung Transportanbieter, Geschäftsführung Klinikberatung), 3 mit Vertretern aus dem Management von Transportunternehmen im Gesundheitswesen (bspw. Rettungsdienstanbieter und Pharmazeutischer Vertrieb mit eigener Logistik), 2 mit Führungskräften von Krankenversicherungen (privat und gesetzlich) und 1 mit dem Geschäftsführer eines Luftfahrzeugentwicklers für das Gesundheitswesen. Alle Interviewpartner waren oder sind in Unternehmen in der DACH-Region tätig. Für die Auswahl der Interviewpartner wurde ein Zeitraum von 3 Monaten zur Auswahl der Interviewpartner und Durchführung der Interviews festgelegt. Es wurde ein Zielliste mit möglichst großer Diversität aus dem Krankenhaussektor definiert, welche per E‑Mail, Kurznachricht oder per Telefon angefragt wurden. Das Ziel war ein Interviewpool von mindestens 20 Personen. Mit allen positiven Interviewrückmeldungen wurde innerhalb des selbst gesteckten Zeitrahmens ein virtuelles Interview geführt. Die Interviews wurden vom Erstautor via Zoom, MS Teams oder per Telefon geführt. Die Interviews wurden für 30 min angesetzt, im Durchschnitt dauerten die Interviews 35 min. Die Interviews wurden vom Erstautor durchgeführt.
Ein strukturierter Fragenkatalog wurde als Einführung genutzt:
  • Welche Güter/Personen werden in Ihrem Alltag transportiert?
  • Welche Güter/Personen werden im Gesundheitswesen generell transportiert?
  • Wie schwer sind die transportierten Güter/Personen?
  • Wie häufig treten diese Transporte auf?
  • Wie lange ist der Transportweg?
  • Welche Faktoren sind für Sie ausschlaggebend bei der Auswahl der Transportmethode?
  • Aus welchen Gründen würden Sie einen Lufttransport der aktuell gewählten Transportmethode vorziehen?
  • Wie schätzen Sie das Verbesserungspotenzial durch eine neuartige Luftfahrtmobilitätslösung für Ihren Transportfall ein?
  • Was ist aus Ihrer Sicht die größte Hürde, um neuartige Luftfahrtmobilität im Gesundheitswesen einzuführen?
  • Wie sollte ein Proof of Concept aufgesetzt sein?
Mithilfe dieser Fragen entstanden offene Gespräche, die auf Tonaufnahmen festgehalten wurden. Sofern ein Interviewpartner oder eine Interviewpartnerin mit einer Tonaufnahme nicht einverstanden war, so wurde parallel zum Interview ein Gesprächsprotokoll geführt. Anschließend wurden diese transkribiert und mithilfe von MAXQDA analysiert.
Um die Erkenntnisse aus der Interviewserie zu synthetisieren, ist die Analyse an die qualitative Inhaltsanalyse an [45, 46] angelehnt. Die Kategorien der Analyse wurden zuerst induktiv anhand des Fragenkataloges abgeleitet und dann im Laufe der Analyse deduktiv präzisiert. Zur luftfahrtrechtlichen Einordnung wurden die aktuell relevanten Gesetztestexte [3537] der EASA herangezogen.

Ergebnisse

Im Kontext des Gesundheitswesens, mit dem Krankenhaus als Zentrum, können 5 Transportklassifizierungen definiert werden:
1.
Intramurale Transporte beziehen sich auf den Transport innerhalb der Krankenhausgebäude, wie beispielsweise die Nutzung der Rohrpost innerhalb des Gebäudes.
 
2.
Innerklinische Transporte umfassen den Transport zwischen verschiedenen Gebäuden auf dem gleichen Krankenhausgelände, wie den Transfer von Patienten zwischen verschiedenen Gebäuden.
 
3.
Interklinische Transporte beschreiben die Mobilität zwischen verschiedenen Klinikstandorten, wie die Lieferung von Medikamenten von einem Lagerort zu einer anderen Klinik.
 
4.
Klinische Zu- und Abtransporte beinhalten den Transport zu oder von Klinikstandorten. Dabei muss die andere Lokalität nicht zwingend einen gesundheitswissenschaftlichen Bezug haben, wie beispielsweise der Transport eines Notfallpatienten ins Krankenhaus.
 
5.
Klinisch unabhängige Transporte umfassen jegliche Art von Mobilität ohne direkten Klinikbezug, wie die Versorgung eines Privathaushalts mit von einer Apotheke gelieferten Medikamenten.
 

Zu transportierende Güter im Kontext Gesundheitswesen

In Tab. 1 werden die Mobilitätsbedarfe anhand von Beispielen und der erwarteten Nutzlast beschrieben. Um die Kategorisierung der Mobilitätsbedarfe abzuschließen, klassifizieren wir sie nach den gängigen Begriffen Primär‑, Sekundär- und Tertiärtransport sowie den zuvor eingeführten Transportklassifizierungen. Dies wird in Abb. 2 dargestellt.
Tab. 1
Anwendungsfälle für neuartige Luftfahrtmobilität
Anwendungsfall
Beispiele
Zu erwartende Nutzlast
Anzahl Nennungen
Patienten
Notfalleinsatz, Krankentransport
Wenige Kilogramm (Kinder) bis zu > 100 kg (schwere Erwachsende)
Mit Arztausbildung: 18/20
Ohne Arztausbildung: 6/7
Mit Management-Tätigkeit: 14/16
Ohne Management-Tätigkeit: 10/11
Medizinisches Fachpersonal
Expertentransport
Pro Person 60–120 kg, teilweise mehrere Personen
Mit Arztausbildung: 14/20
Ohne Arztausbildung: 4/7
Mit Management-Tätigkeit: 10/16
Ohne Management-Tätigkeit: 8/11
Medikamente
Chemotherapie, modifizierte Zellen zur Krebstherapie, Gegengifte, Antibiotika
Wenige 100 g pro Einheit, Möglichkeit mehrere Einheiten gemeinsam zu transportieren
Mit Arztausbildung: 19/20
Ohne Arztausbildung: 4/7
Mit Management-Tätigkeit: 14/16
Ohne Management-Tätigkeit: 9/11
Blutprodukte
Blutkonserven, Blutersatzprodukte, Blutplasma, Thrombozyten
Mehrere Blutbeutel pro Lieferung in Abhängigkeit des Bedarfs, rund 500 g pro Beutel
Mit Arztausbildung: 11/20
Ohne Arztausbildung: 2/7
Mit Management-Tätigkeit: 7/16
Ohne Management-Tätigkeit: 6/11
Medizintechnisches Material
OP – Siebe, Sonden, Katheter, Prothesen, Stents, Implantate
Wenige 100 g bis zu 20 kg
Mit Arztausbildung: 8/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 6/16
Ohne Management-Tätigkeit: 3/11
Organe
Leber, Lunge, Herz, Niere, Pankreas
Organe in Transportbox bis zu 10 kg, Organe in Perfusionsmaschine bis zu 50 kg
Mit Arztausbildung: 10/20
Ohne Arztausbildung: 6/7
Mit Management-Tätigkeit: 8/16
Ohne Management-Tätigkeit: 8/11
Laborproben
Speichelproben, Blutproben, Urin‑/Stuhlproben, Gewebeproben
Wenige Gramm bis 500 g pro Probe
Mit Arztausbildung: 8/20
Ohne Arztausbildung: 4/7
Mit Management-Tätigkeit: 7/16
Ohne Management-Tätigkeit: 5/11
Medizinisches Verbrauchsmaterial
Nahtmaterialien, Desinfektionsmittel, Verbandmaterialien, Nadeln, Wundkompressen, Handschuhe
Einzelteile wenige Gramm, insgesamt mehrere Tonnen pro Lieferung
Mit Arztausbildung: 14/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 8/16
Ohne Management-Tätigkeit: 7/11
Medizinische Geräte
Ultraschallgeräte, (Zusatz‑)Beatmungsgeräte, (automatischer externer) Defibrillator, Container-Lösungen
Wenige Kilogramm bis mehrere Tonnen
Mit Arztausbildung: 6/20
Ohne Arztausbildung: 2/7
Mit Management-Tätigkeit: 6/16
Ohne Management-Tätigkeit: 2/11
Nichtmedizinische Versorgungsgüter und Verbrauchsmaterial
Speisen und Getränke, Wäsche, Betten, Personal Protection Equipment
Einzeleinheiten wenige Kilogramm, Gesamtlieferungen bis zu mehreren Tonnen pro Lieferung
Mit Arztausbildung: 5/20
Ohne Arztausbildung: 0/7
Mit Management-Tätigkeit: 3/16
Ohne Management-Tätigkeit: 2/11
Tab. 2
Beschreibung der Entscheidungskriterien der genannten Mobilitätsbedarfe im Gesundheitswesen durch die Interviewpartner und -partnerinnen
Anwendungsfall
Entscheidungskriterien für die Wahl des Transportmittels
Definition
Anzahl Nennungen
Patienten
Dauer des Transportes
Gesamte Dauer des Transportes von Ursprung zu Ziel, gemessen in Minuten
Mit Arztausbildung: 8/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 3/16
Ohne Management-Tätigkeit: 6/11
Zeitgewinn gegenüber Alternativen
Der absolute Zeitgewinn, gemessen in Minuten, im Vergleich zu alternativen Transportmittel entlang der gesamten Prozesskette
Mit Arztausbildung: 7/20
Ohne Arztausbildung: 4/7
Mit Management-Tätigkeit: 4/16
Ohne Management-Tätigkeit: 7/11
Medizinische Stabilität des Patienten
Die medizinische Stabilität des/der Patienten/in als Indikation welches Transportmittel in Frage kommt
Mit Arztausbildung: 2/20
Ohne Arztausbildung: 0/7
Mit Management-Tätigkeit: 1/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Versorgungsmöglichkeiten des Patienten
Die vorhandene medizinische Ausstattung im gewählten Transportmittel, welche die benötigte medizinische Versorgung des Patienten ermöglicht
Mit Arztausbildung: 2/20
Ohne Arztausbildung: 0/7
Mit Management-Tätigkeit: 1/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Medizinisches Fachpersonal
Gesamter Zeitgewinn der Behandlung
Mögliche Zeitreduktion des gesamten Behandlungsablaufes von erster Indikation bis zum Beginn der Behandlung durch qualifiziertes Fachpersonal, im Vergleich zur nächstbesten Alternative oder dem normalerweise angewandten Prozess
Mit Arztausbildung: 1/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 0/16
Ohne Management-Tätigkeit: 2/11
Medizinische Indikation
Die medizinische Indikation des Patienten/der Patientin wie beispielsweise die Klassifizierung als Notfall
Mit Arztausbildung: 2/20
Ohne Arztausbildung: 0/7
Mit Management-Tätigkeit: 2/16
Ohne Management-Tätigkeit: 0/11
Verfügbarkeit des Transportmittels
Zur Verfügung stehen eines geeigneten Transportmittels zur gewünschten Zeit
Mit Arztausbildung: 2/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 1/16
Ohne Management-Tätigkeit: 2/11
Einsatzort
Lokalität des Einsatzortes hinsichtlich Erreichbarkeit der zur Verfügung stehenden Transportmittel
Mit Arztausbildung: 1/20
Ohne Arztausbildung: 0/7
Mit Management-Tätigkeit: 0/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Medikamente
Dauer des Transportes
Gesamte Dauer des Transportes von Ursprung zu Ziel, gemessen in Minuten
Mit Arztausbildung: 3/20
Ohne Arztausbildung: 3/7
Mit Management-Tätigkeit: 3/16
Ohne Management-Tätigkeit: 3/11
Garantierte Verfügbarkeit des Medikamentes
Das Medikament steht zur gewünschten Zeit am gewünschten Ort zur Verfügung
Mit Arztausbildung: 4/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 5/16
Ohne Management-Tätigkeit: 0/11
Kontinuität und Zuverlässigkeit der Belieferung
Eine sichergestellte, fortlaufende Versorgung mit dem gewünschten Medikament zur gewünschten Zeit am gewünschten Ort
Mit Arztausbildung: 2/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 2/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Kostenvorteil gegenüber dem aktuellen System
Der Gesamtkostenvorteil eines neuen Transportsystems im Vergleich zu den Gesamtkosten des aktuellen Systems
Mit Arztausbildung: 4/20
Ohne Arztausbildung: 4/7
Mit Management-Tätigkeit: 4/16
Ohne Management-Tätigkeit: 4/11
Blutprodukte
Verfügbarkeit im Notfall
Das Transportmittel steht bei einem Notfalleinsatz in 100 % der Fälle zur Verfügung
Mit Arztausbildung: 3/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 3/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Transportentfernung
Entfernung zwischen Start und Zielort des Transportes
Mit Arztausbildung: 2/20
Ohne Arztausbildung: 0/7
Mit Management-Tätigkeit: 1/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Transportgüte
Qualität im Sinne der Einhaltung gewisser Anforderungen, die das transportierte Blutprodukt an den Transport an sich stellt
Mit Arztausbildung: 2/20
Ohne Arztausbildung: 0/7
Mit Management-Tätigkeit: 1/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Medizintechnisches Material
Sicherheit der Zeiteinhaltung
Das Material steht zum gewünschten Zeitpunkt am gewünschten Ort zur Verfügung
Mit Arztausbildung: 3/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 3/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Verfügbarkeit des Materials
Die Lieferzeit des Materials im Vergleich zum benötigten Liefertermin
Mit Arztausbildung: 4/20
Ohne Arztausbildung: 0/7
Mit Management-Tätigkeit: 3/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Organe
Dauer des Transportes
Gesamte Dauer des Transportes von Ursprung zu Ziel, gemessen in Minuten
Mit Arztausbildung: 4/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 2/16
Ohne Management-Tätigkeit: 3/11
Transportsicherheit und Zuverlässigkeit
Der sichere Transport (= Einhaltung der Anforderungen an den Transport) des Organmaterials verbunden mit der garantierten Verfügbarkeit zum versprochenen Zeitpunkt
Mit Arztausbildung: 0/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 0/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Flexibilität der Transportmöglichkeiten und Aufgabestätten
Die zeitliche und örtliche Flexibilität des Transportmittels zur Abgabe des zu transportierenden Pakets
Mit Arztausbildung: 3/20
Ohne Arztausbildung: 0/7
Mit Management-Tätigkeit: 2/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Laborproben
Dauer des Transportes
Gesamte Dauer des Transportes von Ursprung zu Ziel, gemessen in Minuten
Mit Arztausbildung: 0/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 0/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Transportgüte
Qualität im Sinne der Einhaltung gewisser Anforderungen, die die transportierte Laborprobe an den Transport an sich stellt
Mit Arztausbildung: 0/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 0/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Kosten-Nutzen-Rechnung
Die Gegenüberstellung der anfallenden Kosten für den Transport und die Anpassung des Prozesses mit dem in Geld bewerteten Nutzen
Mit Arztausbildung: 3/20
Ohne Arztausbildung: 4/7
Mit Management-Tätigkeit: 4/16
Ohne Management-Tätigkeit: 3/11
Medizinisches Verbrauchsmaterial
Geringe Stückkosten für Beschaffung und Transport
Die Stückkosten für eine Einheit des Materials unter Berücksichtigung der gesamten Beschaffungs- und Lieferkette
Mit Arztausbildung: 1/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 2/16
Ohne Management-Tätigkeit: 0/11
Verfügbarkeit des Transportmittels
Zur Verfügung stehen eines geeigneten Transportmittels zur gewünschten Zeit
Mit Arztausbildung: 0/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 1/16
Ohne Management-Tätigkeit: 0/11
Kontinuität und Zuverlässigkeit der Belieferung
Eine sichergestellte, fortlaufende Versorgung mit dem gewünschten Medikament zur gewünschten Zeit am gewünschten Ort
Mit Arztausbildung: 1/20
Ohne Arztausbildung: 1/7
Mit Management-Tätigkeit: 2/16
Ohne Management-Tätigkeit: 0/11
Medizinische Geräte
Zeitgewinn gegenüber Alternativen
Der absolute Zeitgewinn, gemessen in Minuten, im Vergleich zu alternativen Transportmittels entlang der gesamten Prozesskette
Mit Arztausbildung: 0/20
Ohne Arztausbildung: 2/7
Mit Management-Tätigkeit: 1/16
Ohne Management-Tätigkeit: 1/11
Nichtmedizinische Versorgungsgüter und Verbrauchsmaterial
Kosten-Nutzen-Rechnung
Die Gegenüberstellung der anfallenden Kosten für den Transport und die Anpassung des Prozesses mit dem in Geld bewerteten Nutzen
Mit Arztausbildung: 3/20
Ohne Arztausbildung: 3/7
Mit Management-Tätigkeit: 4/16
Ohne Management-Tätigkeit: 2/11
Kontinuität und Zuverlässigkeit der Belieferung
Eine sichergestellte, fortlaufende Versorgung mit dem gewünschten Medikament zur gewünschten Zeit am gewünschten Ort
Mit Arztausbildung: 1/20
Ohne Arztausbildung: 0/7
Mit Management-Tätigkeit: 1/16
Ohne Management-Tätigkeit: 0/11

Entscheidungskriterien für die Wahl des Transportmittels

Eine genauere Einschätzung der Sinnhaftigkeit und Potenziale von neuartiger Luftfahrtmobilität für die Wahl als Transportmittel lässt sich mithilfe der Entscheidungskriterien, nach denen die Transportmittel ausgewählt werden, treffen. Diese sind für jeden Anwendungsfall in Tab. 2 aufgeführt.
Tab. 3
Entscheidungsframework zur Identifikation vielversprechender Mobilitätsbedarfe im Gesundheitswesen zur Durchführung von Proof-of-Concept-Missionen
   
Rating
Einflusssphäre
Kriterium
Definition
Kaum vielversprechend
Vielversprechend
Sehr vielversprechend
Medizin
Schwere der medizinischen Indikation
Resultat einer Nichtbehandlung oder Nichtversorgung mit dem Transportgut
Es gibt nahezu keine Auswirkungen auf das medizinische Ergebnis der Behandlung
Ein erfolgreicher Transport verbessert das medizinische Ergebnis der Behandlung
Eine Nichtbehandlung endet entweder tödlich oder mit weitreichenden Einschränkungen der Lebensqualität sowie hohen Kosten für das Gesundheitssystem
Zeitkritikalität
Bedeutung einer schnelleren/zeitnahen Behandlung für den Erfolg der Behandlung
Der zeitnahe (innerhalb 24 h) Beginn der Behandlung spielt eine untergeordnete Rolle
Jede Stunde früher, in der die Behandlung begonnen werden kann, ist entscheidend
Jede Minute früher, in der die Behandlung begonnen werden kann, ist entscheidend
Zeitgewinn der Gesamtbehandlung
Mögliche Verkürzung des behandlungsfreien Intervalls bzw. des Gesamtprozesses
Der gesamte Prozess wird durch neuartige Luftfahrtmobilität verlängert
Die Gesamtprozesszeit kann bis zu 10 % verkürzt werden
Die Gesamtprozesszeit kann mehr als 10 % verkürzt werden
Logistik
Transportzeit
Mögliche Verkürzung der Transportzeit gegenüber Alternativen und den aktuellen Transportmitteln
Die Transportzeit vergrößert sich gegenüber der (aktuellen) Alternativen
Die Transportzeit kann leicht verringert werden (bis zu 10 %)
Die Transportzeit kann signifikant reduziert werden (mehr als 10 %)
Netzwerkbildung
Möglichkeit, ein Netzwerk aus verbundenen Kliniken aufzubauen
Es befinden sich keine weiteren Krankenhäuser oder Gesundheitseinrichtungen in einem Umkreis bis 100 km
Es befinden sich zahlreiche weitere Einrichtungen im Umkreis mit denen bereits in verschiedenen Bereichen kooperiert wird
Ein Netzwerk (Kooperation oder gleicher Gesellschafter) aus mehreren Einrichtungen besteht bereits, es werden verschiedenste Dienste und Güter zwischen den Einrichtungen ausgetauscht
Zentrallogistik
Vorhandensein einer zentralen Logistik für ein Verbund oder Netzwerk von Kliniken
Es besteht keine Zentrallogistik, die im Hause als auch zwischen Häusern die Logistik organisiert
Es gibt eine Logistikeinheit pro Krankenhausstandort
Eine zentrale Logistikeinheit koordiniert die Logistikbedarfe für alle angebundenen Standorte und Einrichtungen
Technologie und Zulassung
Infrastruktur
Vorhandene Infrastruktur für Start, Landung, Lagerung und Laden des Fluggerätes
Es bestehen keine Möglichkeiten für Start und Landung sowie Lagerung und Laden des Fluggerätes
Es stehen hindernisfreie Flächen für Start und Landung zur Verfügung
Es stehen hindernisfrei Flächen für Start und Landung zur Verfügung, außerdem Möglichkeiten zur Lagerung und Wartung des Vehikels
Bevölkerungsdichte
Maximale Bevölkerungsdichte der überflogenen Gebiete
Menschenansammlungen
> 250 Personen pro km2
< 250 Personen pro km2
Reichweite
Zu erzielende Reichweite der Drohne für den Transport, gemessen in km
> 200 km
> 100 km
< 50 km
Nutzlast
Zu transportierende Last pro Lieferung, gemessen in kg
≫ 300 kg
< 10 kg
< 1 kg
Ökonomie
Business Case
Ergebnis der Kosten-Nutzen-Rechnung und des Business Cases (Gewinn- und Verlust Rechnung)
Der Nutzen einer Einführung von neuartiger Luftfahrtmobilität ist kleiner als die verursachten Kosten
Es kann ein ausgewogenes Kosten-Nutzen Verhältnis erreicht werden
Der Nutzen übersteigt bei weitem die Kosten zur Einführung und Betrieb neuartiger Luftfahrtmobilität. Der rein monetäre Vergleich von Ertrag und Aufwand ist bereits positiv
Skaleneffekte
Zu erzielende Skaleneffekte durch ein breites, großflächiges Logistiknetzwerk
Es können keine Skaleneffekte genutzt werden, die Prozesse werden 1:1 auf neuartige Luftfahrtmobilität umgestellt
Vereinzeltes Zusammenlegen von Lagern und optimierte Logistikrouten sind möglich
Die gesamte Logistik kann nun von einem Zentrallager durchgeführt werden

Auswirkungen der Entscheidungskriterien auf geeignete eVTOL-Design-Archetypen

Eine Kategorisierung der Entscheidungskriterien entlang medizinischer, logistischer und ökonomischer Gesichtspunkte ermöglicht eine mobilitätsbedarfsunabhängige Aussage zu geeigneten eVTOL-Konfigurationen. Bei der Analyse zeigt sich, dass bei den medizinischen Kriterien die medizinische Indikation einen Einfluss auf geeignete eVTOL-Archetypen hat. Innerhalb der logistischen Kriterien haben die Dauer des Transports, der Zeitgewinn gegenüber Alternativen, der gesamte Zeitgewinn der Behandlung, der Einsatzort sowie die Transportentfernung einen Einfluss. Aus den ökonomischen Kriterien hat der Kostenvorteil gegenüber dem aktuellen System einen maßgeblichen Einfluss.
Die Einflussfaktoren all dieser Parameter lassen sich auf die geforderte Fluggeschwindigkeit, die Reichweite und die Flexibilität reduzieren. Insbesondere bei Anwendungen, die eine hohe Fluggeschwindigkeit und Reichweite erfordern sind die Lift-and-cruise sowie Tilt Thrust im Vorteil, da sie aufgrund ihres Flügels einen sehr effizienten und schnellen Horizontalflug aufweisen, dies ist beispielsweise bei zeitkritischen Notfällen wie Kreislaufstillstand, Polytrauma oder Schlaganfall sowohl für das schnelle Erreichen der Einsatzstelle als auch von geeigneten Zielkliniken, relevant. Hinsichtlich der Flexibilität können sich Einschränkungen aufgrund des Einsatzortes ergeben, diese treffen jedoch alle 3 Archetypen gleichermaßen.

Vorgehen für einen erfolgreichen Proof of Concept und rasche Überführung in den Regelbetrieb

Um die Vision neuartige Luftfahrtmobilität Realität werden zu lassen, konnten 5 verallgemeinerbare Schritte aus den Interviews synthetisiert werden:
1.
Identifikation eines vielversprechenden Anwendungsfalls anhand eines Entscheidungsframeworks. Der Anwendungsfall sollte sowohl medizinisch sinnvoll sein als auch angemessene Anforderungen an die Technik stellen und auf Unterstützung seitens der praktizierenden Personen hoffen können.
 
2.
Herantreten an einen Klinikverbund, der entweder Teil eines gemeinsamen Netzwerks ist oder derselben Trägergesellschaft angehört.
 
3.
Aufzeigen des Nutzens für das Kliniknetzwerk anhand eines konkreten Beispiels, sowohl in medizinischer Hinsicht als auch in Form eines positiven Business Cases.
 
4.
Anbieten eines schrittweisen Vorgehens aus einer Hand. Dies beinhaltet zunächst die Bestätigung des theoretischen Nutzens in der Praxis anhand eines Modellprojekts unter wissenschaftlicher Begleitung. Anschließend erfolgt die schrittweise Erweiterung des Betriebsumfangs um mehr Drohnen, Standorte und Transportgüter. Dabei sollten festgelegte Projektmeilensteine die Möglichkeit für beide Seiten bieten, aus dem Vorhaben auszusteigen.
 
5.
Kontinuierliche Betreuung des Projekts während der Implementierung und im Regelbetrieb, um eine reibungslose Umsetzung und Betriebsführung sicherzustellen.
 

Framework zur Identifikation vielversprechender Anwendungsmöglichkeiten für neuartige Luftfahrtmobilität im Gesundheitswesen

In Tab. 3 ist ein Entscheidungsframework dargestellt, das eine schnelle Bewertung potenzieller Anwendungsfälle für neuartige Luftfahrtmobilität ermöglicht. Die Gesamtsumme der erzielten Bewertungen ist entscheidend. Zum Beispiel kann ein Transport zwar keine Auswirkungen auf das medizinische Ergebnis haben (Kriterium: Schwere der medizinischen Indikation, Bewertung: 1), jedoch aufgrund von Effizienzsteigerungen in der Lagerhaltung, Standortzusammenlegung und Verringerung von abgelaufenen Gütern, in einem bestehenden Kliniknetzwerk mit hervorragender Luftmobilitätsinfrastruktur einen äußerst positiven Business Case darstellen. Daher kann die Durchführung eines Proof of Concept in diesem Fall sinnvoll sein.
In Tab. 3 werden, wo möglich und sinnvoll, quantitative Grenzwerte herangezogen. Bei den medizinischen und logistischen Kriterien wird ein Grenzwert von 10 % Zeitgewinn für die Gesamtbehandlungsdauer (Beginn der medizinischen Versorgung bis Ende der medizinischen Versorgung) und die reine Transportdauer angesetzt. Dieser ist aus der Notfallmedizin abgeleitet und stellt eine Untergrenze dar, ab welcher ein in der Theorie substanziell besseres Ergebnis zu erwarten ist. Aus den Interviews ergibt sich, dass jede Minute in der medizinischen Behandlung wichtig ist und ein Hauptvorteil eines Lufttransports in der Regel im Zeitvorteil liegt. Aus [38] ergibt sich, dass Fluggeräte insbesondere für jene Regionen interessant sind, wo nicht innerhalb von 10 min eine Erreichbarkeit durch Rettungskräfte sichergestellt werden kann. Hier stellt eine Reduktion um 10 % eben jene gewonnene Minute dar. Des Weiteren zeigt der bayerische Rettungsdienstbericht [28], dass der Median des Prähospitalintervalls bei ca. 53 min liegt. Eine Reduktion von 10 % stellt einen Zeitgewinn von rund 5 min dar, was ebenfalls als substanziell angesehen wird. Somit wird 10 % als untere Grenze des Zeitgewinns festgelegt, ab welchem eine substanzielle Verbesserung der Behandlung möglich ist. Jeder Zeitgewinn hierüber hinaus ist ebenso wertvoll, da u. a. weniger Ressourcen gebunden werden und Behandlungen zügiger beginnen können.
Innerhalb der „Technologie und Zulassung“-Kategorie leitet sich der Grenzwert für die Bevölkerungsdichte aus der SORA (Specific Operation Risk Assessment) v2.5 [47] ab. Der Betrieb von unbemannten Fluggeräten wird europaweit durch die EASA geregelt [36, 37]. Zum Betrieb sind ein Betriebskonzept und eine separate Streckengenehmigung notwendig. Die Streckengenehmigung wird anhand des SORA-Prozesses vergeben [47, 48]. Als Ergebnis des SORA-Prozesses steht ein SAIL-Level von I bis VI, welches die Rahmenbedingungen für den Betrieb und die Anforderungen an das Flugzeug festlegt. Nach aktuellem Stand sind Genehmigungen bis SAIL Level III möglich, die Regularien für die SAIL Level IV–VI befinden in der Entwicklung. Zur erfolgreichen Genehmigung wird demnach ein maximales SAIL Level III benötigt, welches nach aktuellem Verständnis eine Ground Risk Category (GRC) von maximal 4 erfordert. Diese GRC kann zuverlässig bei Überflügen von Regionen mit maximal 250 Einwohnern pro Quadratkilometer erreicht werden. Bei den Grenzwerten für Reichweite und Nutzlast orientieren wir uns an den am Markt verfügbaren batterieelektrisch betriebenen Fluggeräten. Bis zu einer Reichweite von 50 km stehen zahlreiche Fluggeräte zur Verfügung, ab rund 100 km nimmt diese Anzahl bereits substanziell ab. Batterieelektrische Reichweiten über 200 km sind den Autoren nicht bekannt. Hinsichtlich der Nutzlast stehen ebenfalls zahlreiche Fluggeräte zur Verfügung, die Nutzlasten im Bereich von 1 kg batterieelektrisch tragen können, diese Zahl verringert sich bereits merklich bis 10 kg Nutzlast und für über 300 kg Nutzlast stehen bereits nur noch aktuell in der Entwicklung befindliche Fluggeräte zur Verfügung, welche nach aktuellem Stand 2026 in Betrieb gehen sollen und für das Gesundheitswesen in großer Anzahl erst nach 2030 zur Verfügung stehen werden.

Diskussion

In dieser Studie werden verschiedene Mobilitätsbedarfe für neuartige Luftfahrtmobilität definiert (Tab. 1) und ihre erwartete Nutzlast angegeben, darunter Personen (Patienten, medizinisches Fachpersonal) und Güter wie Blutprodukte, Organe und Laborproben. Die in Tab. 1 aufgeführten Anwendungsfälle sind in Abb. 2 nach Primär‑, Sekundär- und Tertiärkategorien sowie Ursprung und Zielort klassifiziert. Tab. 2 präsentiert die Entscheidungskriterien für das Transportmittel, die im Abschn. „Auswirkungen der Entscheidungskriterien auf geeignete eVTOL-Design-Archetypen“ nach ihrem Einfluss auf die eVTOL-Archetypen eingeordnet sind. Im Abschn. „Vorgehen für einen erfolgreichen Proof of Concept und rasche Überführung in den Regelbetrieb“ wird ein Vorgehen für Proof-of-Concept-Projekte im Gesundheitswesen erörtert. Abschließend wird in Tab. 3 ein Framework eingeführt, das vielversprechende Anwendungsfälle für die Anwendung neuartiger Luftfahrtmobilität im Gesundheitswesen identifiziert. Aufgrund der gewählten qualitativen Interviewmethode können die Tabellen nicht 100 % vollständig sein, da sie auf den Aussagen der Interviewten beruhen. Erkenntnisse aus bereits durchgeführten Interviews wurden in zeitlich nachfolgenden Interviews nicht verwendet, um Verzerrungen auszuschließen. Mayring selbst beschreibt die qualitative Inhaltsanalyse als „Mixed-Methods“-Ansatz und „qualitativ orientierte kategoriengeleitete Textanalyse“ [46]. Dies bedeutet, dass es mit dieser Methode möglich ist, quantitative Auswertung durchzuführen – wie in den Tab. 1 und 2 – jedoch sind diese mit Vorsicht zu genießen, da der vorrangige Zweck der hier gewählten Forschungsmethode das Offenlegen eines holistischen Überblickes für die Verwendung von neuartiger Luftfahrtmobilität im Gesundheitswesen ist und nicht die Gewichtung zwischen verschiedenen Kategorien und Anwendungsfällen. Denn Mayring selbst stellt fest, dass die qualitative Inhaltsanalyse „aber im ersten Schritt qualitativ-interpretativ bleibt und so auch latente Sinngehalte erfassen kann“ [46]. Sinnvollerweise kann in aufbauenden Studien eine quantitative Umfrage auf Basis der hier vorgestellten Ergebnisse durchgeführt werden, um eine Gewichtung und Hierarchie innerhalb der Kategorisierungen zu bestimmen.
Aus Abb. 2 geht hervor, dass Personentransporte konsequent den Kategorien Primär- und Sekundärtransport zugeordnet sind, während alle Güter als Tertiärtransport zu kategorisieren sind. Diese Zuordnung verwundert nicht, da die Kategorien mit Bezug zu Personen- und Gütertransport definiert sind. Die Klassifizierung der Transporte zeigt, dass mit Ausnahme des klinisch unabhängigen Transports alle genannten Mobilitätsbedarfe entlang aller 5 Transportklassifizierungen auftreten. Obwohl diese Klassifizierung für die medizinische Einordnung weniger relevant ist, spielt sie eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Eignung von Vehikeln der neuartigen Luftfahrtmobilität. Für Primär- und Sekundärtransporte kann ein bemannter Flug, das bedeutet mit Menschen an Bord, angenommen werden, während für Tertiärtransporte ein unbemannter Flug, das bedeutet ohne Menschen an Bord, anzunehmen ist. Bei bemannten Flügen kann das Fluggerät je nach Entwurf entweder aus der Entfernung oder von Personen an Bord gesteuert werden. Darüber hinaus und bei unbemannten Flügen kann der automatisch durchgeführte Flug aus einem Flugkontrollzentrum überwacht oder komplett autonom durchgeführt werden. Die Unterscheidung „bemannt“ und „unbemannt“ beeinflusst die zu transportierende Nutzlast und somit das Design des Luftfahrzeugs. Die Transportklassifizierung gibt auch indirekt Aufschluss über die zurückzulegenden Entfernungen und ermöglicht eine erste Einschätzung der Sinnhaftigkeit eines Einsatzes. Beispielsweise ist der intramurale Transport kaum vielversprechend, da bereits etablierte Systeme wie Rohrpost existieren. Die Ergebnisse zeigen, dass Transporte in der Regel von oder zu einem Krankenhaus stattfinden und innerhalb des Krankenhausgeländes weiterverteilt werden. Dies bedeutet, dass neuartige Luftfahrtmobilität als zusätzliche Transportmöglichkeit am Krankenhausstandort integriert werden kann.
Der Einfluss der Entscheidungskriterien auf die Design-Architekturwahl wird im Abschn. „Auswirkungen der Entscheidungskriterien auf geeignete eVTOL-Design-Archetypen“ untersucht. Innerhalb der medizinischen Kriterien spielen insbesondere die Indikation und die Versorgungsmöglichkeiten beim Transport eine entscheidende Rolle. Die Architekturwahl wird maßgeblich von logistischen Kriterien beeinflusst, insbesondere durch die geforderte Reichweite und Geschwindigkeit. Ökonomische Kriterien bewerten die Kosten und den Nutzen im Vergleich zu Alternativen, lassen aber ebenso wie medizinische Kriterien keine pauschale Aussage über die Architekturwahl zu. Das im Abschn. „Vorgehen für einen erfolgreichen Proof of Concept und rasche Überführung in den Regelbetrieb“ beschriebene Vorgehen zur Umsetzung von Proof of Concepts im Gesundheitswesen mag abstrakt erscheinen, aber Experten sind sich einig, dass ein pragmatischer, generischer Ansatz schnelle Implementierung ermöglicht und Raum für individuelle Anpassungen in ausgewählten Anwendungsfällen bietet. Die Erprobung von neuartiger Luftfahrtmobilität im Gesundheitswesen verfolgt aktuell einen Bottom-up-Ansatz, während ein Top-down-Ansatz ressourceneffizienter sein kann. Mit dem in Tab. 3 vorgestellten Entscheidungsframework möchten wir eine gezielte und effiziente Identifikation vielversprechender Anwendungsfälle vereinfachen, wofür potenzielle Anwendungsfälle anhand der Kategorien Medizin, Logistik, Technologie, Zulassung und Ökonomie bewertet werden.
Pauschal kann nicht über alle Mobilitätsbedarfe aus Tab. 1 geurteilt werden, da weitere Informationen zu Partnern, lokalen Gegebenheiten und medizinischen Parametern benötigt werden. Mobilitätsbedarfe mit Nutzlasten von hunderten Kilogramm oder mehreren Tonnen sind jedoch auszuschließen, da keine geeigneten Luftfahrzeuge verfügbar sind und bestehende Alternativen wie LKWs ausreichend sind. Dies betrifft nichtmedizinische Versorgungsgüter und schwere medizinische Geräte, die keine Rolle für den Lufttransport spielen.
Das vorgeschlagene Framework kann auf Projekte angewendet werden, die in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt wurden, z. B. den Bluttransport in Ruanda durch Zipline [22]. Dieser Anwendungsfall zeigt sich vielversprechend, da Blutversorgung lebenswichtig ist und der erfolgreiche Transport die medizinischen Ergebnisse verbessert. 40 % der Einsätze sind Notfälle, während 60 % reguläre Lieferungen sind. Die Transportzeit wurde im Median von 139 min auf 41 min verkürzt. Das Netzwerk baut auf den bereits existierenden Austausch von Blutprodukten auf. Die Bevölkerungsdichte spielt keine Rolle, da über dünn besiedeltes Gebiet geflogen wird. Die Reichweite der Zipline-Drohnen von bis zu 100 km erfüllt die Anforderungen, ebenso wie das geringe Gewicht der Blutprodukte (weniger als 1 kg). Die Kosten-Nutzen-Bewertung ist positiv, obwohl der reine Business Case des Drohnenbetriebs gegenüber Bodentransporten derzeit nicht wettbewerbsfähig ist. Dies könnte sich mittel- bis langfristig ändern [22].
Ein weiterer notfallmedizinisch relevanter Fall, wie die Anforderung von Blutprodukten für einen eingeklemmten polytraumatisierten Patienten im schwersten hämorrhagischen Schock durch den bereits an der Einsatzstelle befindlichen Notarzt, kann ebenfalls mit neuartiger Luftfahrtmobilität abgebildet werden. Die medizinischen Vorteile sind unbestreitbar. Bei Nichtbehandlung würden schwere Folgen bis hin zum Tod des Patienten eintreten. Die Situation erfordert eine höchst zeitkritische Intervention, bei der eine Verringerung des therapiefreien Intervalls entscheidend sein kann. Durch den Einsatz von Drohnen zur Blutversorgung könnte diese Zeit signifikant verkürzt werden, was die Überlebenschancen des Patienten erheblich erhöht. Dies führt zu einem hohen Ranking im vorgestellten Entscheidungsframework. Logistisch betrachtet ist der Einsatz von Drohnen überwiegend positiv zu bewerten. Im Vergleich zum bodengebundenen Transport ist die Transportzeit der Drohnen im Normalfall kürzer. Blutbanken werden zentral verwaltet, sodass eine Drohnenleitstelle hier effizient anknüpfen kann. Zudem kann ein Netzwerk gebildet werden, das zusammen mit anderen Anwendungsfällen bestimmte Räumlichkeiten abdeckt, was die Effizienz und Reaktionsfähigkeit weiter steigert. Die technologische Infrastruktur am Startort ist in der Regel vorhanden, insbesondere wenn Blutbanken mit größeren Kliniken zusammenfallen. Dies stellt daher kein Problem dar. Die Bevölkerungsdichte und der Standort der Blutbanken spielen eine wesentliche Rolle. Solange sich die Blutbanken nicht inmitten von Großstädten befinden, ist dies positiv zu bewerten. Die erforderlichen Reichweiten und Nutzlasten sind bereits heute technologisch gut abgedeckt. Eine Herausforderung bleibt jedoch, dass die Zielorte nicht im Voraus bekannt sind, sondern erst im Moment der Anfrage bestimmt werden, was eine flexible und schnelle Missionsplanung erfordert. Medizinisch steht der Nutzen außer Frage. Ökonomisch ist jedoch zu prüfen, ob die Höhe der Einsatzpauschale die Kosten des Drohnenfluges decken kann. Skaleneffekte sind vor allem bei der gemeinsamen Nutzung mit anderen Anwendungsfällen zu erwarten, was die Kostenstruktur verbessern könnte.
Insgesamt zeigt die Einführung von Drohnen für den notfallmäßigen Transport von Blutprodukten ein großes Potenzial zur Verbesserung der Versorgungsqualität und Effizienz im Notfall. Die positiven Auswirkungen auf die medizinische Behandlung und logistische Effizienz überwiegen deutlich die noch zu klärenden ökonomischen Fragen.
Die qualitativen Ergebnisse der Interviewserie sind auf reale Beispiele anwendbar und tragen zur Identifikation vielversprechender Anwendungsfälle für neuartige Luftfahrtmobilität bei. Allerdings ermöglichen sie keine quantitativen Aussagen aufgrund des Interviewformats. Für den mittel- bis langfristigen Erfolg im Gesundheitswesen muss die Technologie weiterentwickelt werden, um neue Anwendungsfelder zu erschließen. Zudem sind offene, unterstützende Stakeholder erforderlich, um den Nutzen in Modellversuchen zu bestätigen. Die nachhaltige Umsetzung erfordert eine erprobte Gesetzgebung für Fluggerätezulassung und -betrieb sowie deren sichere Integration in den bestehenden Luftverkehr. Weitere Forschung sollte die Simulation von Luftfahrtmobilitätsnetzwerken und zukünftige Wirtschaftlichkeit untersuchen, um den langfristigen Nutzen zu gewährleisten.
Die Entwicklung und Integration von Drohnentechnologie in die medizinische Notfallversorgung und allgemeine Gesundheitsversorgung zeigen vielversprechende Fortschritte und stehen gleichzeitig vor Herausforderungen. Kurzfristig sind kleinere Drohnen mit einer Nutzlast von 3–5 kg und batterieelektrischen Reichweiten von 100–200 km bereits am Markt verfügbar und befinden sich in der Erprobung. Diese Drohnen eignen sich ideal für den Transport von Laborproben, Medikamenten oder Defibrillatoren. Mittelfristig wird erwartet, dass die batterieelektrischen Reichweiten stabil bleiben, während die Nutzlast signifikant auf 30–50 kg je nach Modell gesteigert werden kann. Dadurch könnten auch kleinere Geräte, größere Bulk-Ladungen oder Organe transportiert werden. Langfristig wird die Entwicklung manntragender Fluggeräte, ob mit Piloten an Bord oder autonom, für MedEVAC (Medical Evacuation, meint die Evakuierung von verletzten Personen aus unsicheren Gebieten in medizinische Versorgung) sowie den Transport von Patienten oder Experten erwartet. Dabei können durch hybridelektrische oder konventionelle Antriebe die Reichweiten erheblich gesteigert werden, während die Nutzlasten relativ konstant bleiben. Innerhalb der aktuellen Regularien, also bis zu einem SAIL-Level von III, kann ein Großteil der medizinischen Einsatzszenarien abgedeckt werden.
Herausforderungen ergeben sich jedoch bei der Koordination vieler Fluggeräte auf engem Raum, insbesondere in stark frequentierten Kontrollzonen und über dicht besiedelten Städten. Hierfür befindet sich die Regulatorik für SAIL IV–VI in der Entwicklung. Parallel dazu werden Verfahren, Methoden und Regeln für die sichere Integration unbemannter Vehikel in den Luftraum erarbeitet und in Reallaboren getestet. Für Fluggeräte bis zu 3175 t Abfluggewicht (SC-VTOL) existieren bereits Zulassungsrichtlinien, die ihren Betrieb unter herkömmlichen Sicht- oder Instrumentenflugregeln ermöglichen. Wesentliche Entwicklungen in diesem Bereich umfassen den U‑Space, welches ein rechtliches und technologisches Konzept von Drohnen in die bestehenden Lufträume darstellt [49] und SAIL IV–VI. Für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) gelten gesonderte Regelungen, wobei theoretisch keine SORA-Anforderungen bestehen, jedoch Voreinsatz-Checklisten ähnlich gehandhabt werden.
Anfangs wurde sowohl bei UAV als auch bei manntragenden eVTOL angenommen, dass Hersteller (OEM) und Betreiber in einer Einheit vereint sind. Besonders bei manntragenden eVTOL-Herstellern hat sich diese Annahme weitgehend geändert. Bei unbemannten Fluggeräten ist es derzeit noch so, dass die meisten Proof-of-Concepts von den OEM selbst betrieben werden. Gleichzeitig entstehen jedoch immer mehr eigenständige Betreiber sowie einige Mischformen von OEM und Betreibern. Mittel- bis langfristig wird sich der Markt voraussichtlich so organisieren, dass sowohl reine Betreiber als auch OEM sowie Mischformen existieren. Ein optimales Netzwerk, wie bei medizinischen Luftfahrtanbietern oder klassischen kommerziellen Airlines, erfordert einen Mix verschiedener Fluggeräte.
In der Gesundheitsversorgung werden Drohnenlogistikunternehmen Regelverkehre übernehmen, sei es zwischen geschäftlich tätigen Unternehmen (B2B-Bereich; z. B. Hospitaltransfers oder der Transport von Blutprodukten von Blutbanken zu Kliniken oder Notfällen) oder zu Privatkunden B2C-Bereich (z. B. Lieferung von Apothekenprodukten an Endkunden). Hierfür wird eine zentrale Drohnenleitstelle erforderlich sein, die idealerweise prozessual und örtlich an die integrierten Leitstellen angebunden sein sollte. Für den Regelbetrieb in der Krankenhauslogistik sollte diese Leitstelle digital an das Krankenhaus angebunden sein. Der Drohnenflugbetrieb sollte rechtlich, technisch und personell unabhängig von den BOS-Leitstellen sein.
Die größten Hürden für die großflächige Einführung der Technologie liegen in der Vorsicht der Regulierungsbehörden gegenüber Flügen außerhalb der Sichtweite (BVLOS: Beyond Visual Line of Sight), welche hohe Anforderungen an Betrieb und Technologie stellen, die derzeit noch nicht immer erfüllt werden können. Diese Vorsicht ist jedoch positiv zu bewerten, da nur ein dauerhaft sicherer Betrieb die notwendige Akzeptanz bei der Bevölkerung und anderen Stakeholdern sicherstellen kann. Gleichzeitig bleibt die Frage nach tragfähigen Geschäftsmodellen offen, da sowohl Drohnenhersteller als auch Mischformen weiterhin auf Investorensuche sind und sich bisher nicht selbst tragen können.

Fazit für die Praxis

  • Neuartige Luftfahrtmobilität hat potenziell vielfältige Anwendungsbereiche im Gesundheitswesen allgemein und der Notfall- und Rettungsmedizin im Speziellen.
  • Insbesondere relevant sind Anwendungsbereiche, die auf Schnelligkeit und Flexibilität in der Transportlogistik angewiesen sind, sowie Bereiche, die durch Konzentration von Kapazitäten ein erhöhtes Transportaufkommen haben.
  • Im Gesundheitswesen ist die Fähigkeit senkrecht zu starten und zu landen essenziell, darüber hinaus ist zu erwarten, dass Fluggeräte, die einen horizontalen Flächenflug (bspw. Lift-and-cruise- und Tilt-Thrust-Konfigurationen) ermöglichen, gegenüber reinen Multikoptern für Anwendungen im Gesundheitswesen im Vorteil sind.
  • Heutzutage befinden sich bereits Fluggeräte mit Nutzlasten bis zu 3–5 kg und 100–200 km rein elektrische Reichweiten im Testbetrieb, außerhalb Europas auch im Regelbetrieb. Mittelfristig wird die Nutzlast auf 30–50 kg ansteigen, und langfristig werden Fluggeräte für den Menschentransport zur Verfügung stehen.
  • Der Betrieb neuartiger Luftfahrtmobilität wird von rechtlich unabhängigen Gesellschaften durchgeführt.

Danksagung

Robin Karpstein bedankt sich bei der Hanns Seidel Stiftung für die persönliche Förderung seines Promotionsvorhabens.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

R. Karpstein, F. Holzapfel, P. Biberthaler und S. Müller geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Fußnoten
1
https://​www.​flyzipline.​com/​, letzter Zugriff 30.05.2024.
 
2
https://​everdrone.​com/​, letzter Zugriff 30.05.2024.
 
3
https://​medifly.​hamburg/​, letzter Zugriff 30.05.2024.
 
4
https://​wingcopter.​com/​, letzter Zugriff 30.05.2024.
 
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Metadaten
Titel
Neuartige Luftfahrtmobilität im Gesundheitswesen
Erkenntnisse aus einer qualitativen Interviewserie für den Krankenhaussektor
verfasst von
Robin Karpstein
Florian Holzapfel
Peter Biberthaler
Stefan Müller
Publikationsdatum
25.09.2024
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Notfall + Rettungsmedizin
Print ISSN: 1434-6222
Elektronische ISSN: 1436-0578
DOI
https://doi.org/10.1007/s10049-024-01391-6