01.06.2012 | Originalarbeit
Memento mori
Was lehren die alten Abbildungen über das Sterben in früheren Zeiten?
Erschienen in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie | Ausgabe 4/2012
Einloggen, um Zugang zu erhaltenZusammenfassung
Wenn wir uns ein Bild von der Einstellung der Menschen im 15. Jahrhundert zum Thema Sterben machen wollen, sind wir weitgehend auf überliefertes Bildmaterial angewiesen, da die Menschen damals zumeist des Lesens unkundig waren. Von den bedeutenden Totentänzen mit ihren lebensgroßen Figuren sind in Tallinn (ehem. Reval) nur Teile erhalten; in Lübeck und in Bern sind sie vollständig zerstört, wir kennen sie nur von Kopien. Sie zeigen einheitlich, wie der Tod sich alle – den Papst, den Kaiser, den König, die Bürger und sogar das kleine Kind – zum Tanze holt, und für niemand gibt es ein „Zurück“. Der Tod griff unerwartet und im „besten Lebensalter“ zu, Seuchen und Hungersnöte waren häufig Gründe für frühes Ableben. Die großformatigen Totentänze waren – für jedermann zugänglich – entweder in den Kirchen oder an deren Außenmauern zu sehen; sie mahnten ein gottesfürchtiges Leben an und die Gewissheit, der Tod könne jederzeit und unerwartet eintreten. Die ganzseitigen Bilder des sehr frühen Buchs Ars moriendi (um 1470) wiesen den Betrachter an, sich rechtzeitig auf die Sterbestunde vorzubereiten; der Versucher stünde am Bett des Sterbenden und feilschte mit falschen Versprechungen um die Seele. Es galt, sich darauf vorzubereiten. Heute ist das Sterben recht unterschiedlich: das Ableben in hohem Alter, nach langem Krankenlager, womöglich der Apparatemedizin ausgesetzt und einsam, ohne Unterstützung der Familie. Der Verlust der Bindung an die Religion und innerhalb der Familie macht das Sterben heute für viele Menschen so schwer.
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