Intensivmedizin up2date 2009; 4(1): 9-20
DOI: 10.1055/s-2008-1077559
Allgemeine Prinzipien der Intensivmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Physiologische Grundlagen der perioperativen Flüssigkeitstherapie

Christian  Ertmer, Sebastian  Rehberg, Hugo  Van Aken, Martin  Westphal
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Publication Date:
05 November 2008 (online)

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Kernaussagen

Die Homöostase des Körperwassers unterliegt einem streng kontrollierten hormonalen Regulationsmechanismus, in den im Wesentlichen das antidiuretische Hormon, das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und die natriuretischen Peptide involviert sind. Der perioperative Flüssigkeitsersatz scheint in Abhängigkeit vom chirurgischen Trauma einen erheblichen Einfluss auf die perioperative Morbidität zu haben. Dennoch orientiert sich die tägliche Praxis häufig noch an Gewohnheiten oder „Expertenmeinungen”. Eine adäquate Infusionstherapie beinhaltet die Substitution von Verlusten und die kausale Therapie von Störungen des Flüssigkeitshaushalts.

Bei ambulanten, kleineren Eingriffen mit geringem Trauma führt ein großzügiger Flüssigkeitsersatz (20 – 40 ml/kg Kristalloid) zu einem verbesserten postoperativen Wohlbefinden [42]. Dagegen ist ein liberales Infusionsregime insbesondere bei großen abdominellen Eingriffen mit einer gesteigerten Morbidität assoziiert [8] [11]. Potenzielle Ursachen sind die Einlagerung von Wasser im traumatisierten Operationsgebiet und die durch Ödembildung beeinträchtigte postoperative Lungenfunktion. Es konnte eine direkte Korrelation sowohl der perioperativ applizierten Infusionsmenge als auch der Körpergewichtszunahme mit der Komplikationshäufigkeit nachgewiesen werden [11]. Ein adäquat kalkuliertes Flüssigkeitsregime hingegen trägt zur Vermeidung dieser Komplikationen (z. B. Anastomoseninsuffizienz, Wundinfektion, Ileus) und einer kürzeren Krankenhausverweildauer bei.

Eine solche kalkulierte Flüssigkeitstherapie sollte aus einer Kristalloidinfusion zur Deckung des Basisflüssigkeitsbedarfs (1 – 2 ml/kgKG/h) bestehen, während Blutverluste bis zum Erreichen des individuellen Transfusionstriggers durch isoonkotische Kolloide gedeckt werden. Die mit Regional- und Allgemeinanästhesie einhergehende Reduktion der linksventrikulären Nachlast sollte im Regelfall nicht durch eine Volumentherapie, sondern durch niedrigdosierte Vasokonstriktoren (z. B. Noradrenalin) kompensiert werden.