Im Gespräch mit Dr. Uwe Martin Fichtmüller Seit langem erhitzt "Leiharbeit" die Gemüter. Viele Arbeitgeber und auch Verbände sprechen sich für ein Verbot bzw. eine stärkere Regulierung der Leiharbeit aus. Wie ist die Situation in der ambulanten und der stationären Langzeitpflege? Fragen an den ASB-Hauptgeschäftsführer.
Herr Dr. Fichtmüller, arbeitet der ASB in seinen Einrichtungen und Diensten mit Leiharbeitskräften?
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Fichtmüller: Der ASB arbeitet wie alle Einrichtungen und Dienste in der Altenpflege mit Leiharbeitskräften. Allerdings werden sie in der ambulanten Pflege meist noch moderat zum Ausgleich von Belastungsspitzen, u.a. bei hohem Krankheitsstand, eingesetzt. Ambulante Dienste können ihre Auslastung eher steuern, indem sie zum Beispiel keine neuen Kunden aufnehmen. Da die hohen Kosten der Leiharbeit von den Kassen nicht refinanziert werden, verkleinern sich ambulante Dienste bei Personalmangel eher. In der stationären Pflege nimmt die Leiharbeit dagegen zunehmend bedrohliche Ausmaße an. Stationäre Einrichtungen haben eine feste Zahl von Plätzen. Wenn sie zu wenige Stammarbeitskräfte haben, setzen sie eher Leiharbeitskräfte ein, um nicht Plätze bzw. ganze Wohnbereiche schließen zu müssen.
Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) hat die Bundesregierung aufgefordert, die Leiharbeit zu regulieren. Warum und wie?
Fichtmüller: Der Einsatz der Leiharbeit bringt die stationären Einrichtungen wirtschaftlich immer mehr in Schwierigkeiten - das zeigen die Insolvenzen der letzten Monate. Die Leiharbeit gefährdet so die Versorgungssicherheit der Pflegebedürftigen. Unser Vorschlag ist, sie auf eine feste Quote zu begrenzen - analog zur Regelung der tariflichen Bezahlung in der Pflege. Versorgungsverträge dürften dann künftig nur noch mit Pflegeeinrichtungen geschlossen werden, die die Versorgung mit einem entsprechend hohen Anteil eigener Arbeitskräfte sicherstellen.
Und was halten Sie von einem generellen Verbot der Leiharbeit?
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Fichtmüller: Ein Verbot der Leiharbeit - soweit ein solches überhaupt möglich wäre - sollte aus unserer Sicht nur das letzte Mittel sein. Denn Leiharbeit ist, wenn sie sinnvoll eingesetzt wird, durchaus eine gute Möglichkeit, um in Urlaubszeiten oder bei Krankheitsausfällen kurzfristig fehlendes Personal zu ersetzen. Ohne Leiharbeit fehlt diese Möglichkeit. Eine so drastische Maßnahme wie ein Verbot könnte sogar dazu führen, dass ein Teil der Pflegekräfte den Pflegeberuf verlässt. Damit wäre der Pflege als Ganzes nicht gedient.
Laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts trägt Leiharbeit dazu bei, Leistungs- und Erlösausfälle zu verhindern und Personalvorgaben einzuhalten. Ist eine schärfere Regulierung da eine gute Idee?
Fichtmüller: Dem genannten Umfrageergebnis kann ich zustimmen. Allerdings erleben wir derzeit, dass Einrichtungen mit Hilfe der Leiharbeit zwar die vorhandenen Plätze belegen können, jedoch in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen, weil die extrem hohen Kosten der Leiharbeit nicht refinanziert werden. Eine Begrenzung der Leiharbeit würde aus unserer Sicht zu einer Entspannung der Situation führen. Die Nachfrage bei den Leiharbeitsfirmen würde nachlassen und den Einrichtungen stünden wieder mehr Pflegekräfte zur Verfügung.
In der Leiharbeit Beschäftigte führen ins Feld, dass vor allem schlechte Arbeitsbedingungen die Leiharbeit befördern...
Fichtmüller: Meines Erachtens sind schlechte Arbeitsbedingungen in der Pflege derzeit umgekehrt die Folge der Leiharbeit. Natürlich sind Pflegebedürftige rund um die Uhr zu versorgen. Wenn Zeitarbeitsfirmen mit dem Versprechen locken, weder am Wochenende noch an Feiertagen oder nachts arbeiten zu müssen, geht das zulasten des Stammpersonals in den Einrichtungen. Es muss als "Lückenbüßer" die unbeliebten Schichten übernehmen. Dies kann irgendwann auch Teile des Stammpersonals dazu bringen, in die Leiharbeit zu flüchten, um ebenfalls in den Genuss der Wunschschichten zu kommen. So aber entsteht eine Abwärtsspirale, die für das verbleibende Personal in den Einrichtungen zu immer schlechteren Arbeitsbedingungen führt.
Wie ist Ihr Lösungsansatz?
Fichtmüller: Die gesetzliche Begrenzung der Leiharbeit hatte ich genannt. Wir versuchen zudem, mehr Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen. Im ASB werben wir schon in Schulen und auf Ausbildungsmessen für die Pflege, wir bilden viele junge Menschen aus und versuchen auch, Menschen in einer beruflichen Neuorientierung oder Geflüchtete für die Pflege zu erreichen.
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