01.09.2019 | Editorial
Kulturelle Aspekte des Alter(n)s – die Wirkung von Altersstereotypien auf die Alltagspraxis
Erschienen in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie | Sonderheft 3/2019
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Eine bestimmte Haltung dem Alter und alten Menschen gegenüber fließt oftmals als nichtbewusste Grundannahme in das Regelwerk des gesamtgesellschaftlichen Gefüges ein. Dieser Umgang mit dem Alter ist wiederum geprägt von der Kultur – Kultur aber ist ein schillernder Begriff. Nähert man sich ihm etymologisch, so zeigt er schon in der Antike zwei Schattierungen. Auf der einen Seite wird er der Natur gegenübergestellt, wenn mit ihm die von Menschen geleistete Bearbeitung der Natur gemeint ist. Auf der anderen Seite wird er weiter gefasst und bezeichnet auch die Arbeit des Geistes und die an der eigenen Persönlichkeit. Diese Doppelbödigkeit aufnehmend und weiter konkretisierend wird heute oft ein ergologischer Kulturbegriff, der das menschliche Wirken auf die Natur bezeichnet, von einem interpretativen Kulturbegriff unterschieden, der die symbolischen Produktionen und die jeweilige Interpretation ihrer Bedeutung in den Mittelpunkt rückt. Mit einem solchen Kulturverständnis verschwimmt die vordergründig so klare Grenze zwischen Natur und Kultur ebenso wie die zwischen den Natur- und Kultur‑/Geisteswissenschaften [18]. Auch die Frage des Alters wird so zu einem nicht allein von einer Seite aus zu analysierenden und erforschenden Problem. Alter erhält eine Doppelgesichtigkeit. Neben biologisch ermittelbaren Alterungsprozessen, die schon mit der Geburt beginnen, ist die Frage der jeweiligen Interpretation eines Zustands im Sinne einer Einordnung in Symbol- und Deutungswelten einer Gesellschaft bedeutsam. Kultur ist keine unveränderliche Setzung, sondern wandelt sich in ihrer raumzeitlichen Vielfalt und wirkt auf diese Vielfalt zurück. Insbesondere die kulturwissenschaftliche Forschung macht spätestens seit der Jahrtausendwende mit verschiedenen Ansätzen deutlich, dass Alter(n) als Gegenstand des Wissens und als Konzept begriffen werden muss, und dass Konzeptionen vom Alter(n) ein möglicher Grundbestandteil des Bildes vom Menschen überhaupt sind [4‐13, 15, 17, 21‐23]. …Anzeige