Skip to main content

12.07.2024 | Klima | Nachrichten

Studie

Nächtliche Hitze für Demenzkranke besonders gefährlich

verfasst von: Thomas Müller

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Während einer Hitzewelle ist das Sterberisiko für Demenzkranke um rund die Hälfte erhöht. Besonders gefährlich sind einer landesweiten Untersuchung aus China zufolge schweißtreibende Temperaturen in der Nacht.

Der nasskalte Sommer in diesem Jahr hat zumindest einen großen Vorteil: Ältere Menschen müssen nicht vorzeitig aus dem Leben scheiden, weil nachts in ihren Schlafzimmern die Temperatur kaum unter 30 °C sinkt. Im Ausnahmesommer 2003 war dies anders: Damals sind in Europa Berechnungen zufolge rund 70.000 Menschen an den Folgen der Hitzebelastung gestorben, für den ähnlich heißen Sommer 2022 wird die Zahl der Hitzetoten auf 52.000 geschätzt. Fast ausnahmslos handelte es sich hier um ältere Menschen. Inzwischen haben Hitzeschutzpläne die Zahl der Toten gesenkt, was vor allem in Frankreich geklappt hat – dort wurden 2003 rund 20.000 Hitzetote beklagt, 2022 noch 4800 (siehe Bericht).

Für solche Hitzeschutzpläne ist es jedoch wichtig, besonders gefährdete Personen zu priorisieren und Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Einer Studie aus China zufolge treiben Hitzewellen besonders die Mortalität unter Demenzkranken in die Höhe, und dies vor allem, wenn es nachts nicht ausreichend abkühlt.

Mortalität noch sechs bis zehn Tage nach der Hitze erhöht

Für ihre Untersuchung haben Forschende um Dr. Ya Gao von der Fudan-Universität in Shanghai Angaben zu demenzbedingten Sterbefällen aus einem nationalen Register ausgewertet. Insgesamt fanden sie in den Jahren 2013 bis 2019 knapp 133.000 Sterbefälle mit Demenz als begleitende Ursache. In einem weiteren Schritt schauten sie sich die Tages- und Nachttemperaturen an den Wohnorten der Verstorbenen um den Todeszeitpunkt herum an. Dazu benutzten sie detaillierte meteorologische Angaben und berechneten anhand von nächtlichen Tiefsttemperaturen, der Zahl der Nachtstunden sowie der Hitzebelastung am Tag einen Hitzebelastungsindex für die Nacht. In ähnlicher Weise kalkulierten sie einen Belastungsindex für den Tag über Tageshöchsttemperaturen und Tagesstunden.

Wurden die 5% der heißesten Nächte als Hitzenächte gewertet, so lagen die Nachttemperaturen über alle Regionen gemittelt oberhalb von 24,5 °C; an den 5% der heißesten Tage sprang die Temperatur über 33,3°C. Die Schwellenwert-Temperaturen unterschieden sich jedoch deutlich und waren im Süden des Landes entsprechend höher als im Norden.

Bezogen auf den 5%-Schwellenwert war die demenzbezogene Sterberate in heißen Nächten um 46% erhöht, an heißen Tagen um 62%. Eine Erhöhung der Mortalität ließ sich noch bis zu sechs Tage nach einer heißen Nacht und bis zu zehn Tage nach einem heißen Tag nachweisen.

Unterschiede zwischen Tag und Nacht gab es auch beim Anteil der Todesfälle, die auf übermäßige Hitze zurückzuführen sind: Beim 5%-Schwellenwert betrug der Anteil 2,5% für nächtliche und 2,3% für Tages-Extremwerte. Wurden ein Schwellenwert für die 10% der heißesten Tage und Nächte herangezogen, so lagen die Anteile bei 3,2% für die Nacht und 3,4% für den Tag, mit einem Schwellenwert von 2,5% war der Anteil in der Nacht mit 1,5% deutlich höher als der des Tages (1,1%). Extreme Hitze führt danach vor allem durch erhöhte Nachttemperaturen zu vermehrten Todesfällen unter Demenzkranken.

Meist untere soziale Schichten betroffen

Heiße Nächte machen darüber hinaus vor allem den Demenzkranken im warmen Süden zu schaffen: Dort ist auch das Sterberisiko – bezogen auf den 5%-Schwellenwert – mit 65% durch heiße Nächte höher als durch heiße Tage (55%). Dagegen ist die Mortalität um heiße Nächte herum im Norden nur um 11%, um heiße Tage herum hingegen um 60% erhöht. Das weist darauf hin, dass auch die absoluten Temperaturen entscheidend sind und man sich eben nur bis zu einem gewissen Grad an die Hitze gewöhnen kann.

Frauen mit Demenz scheinen etwas stärker unter der Hitze zu leiden als Männer, solche mit geringem Bildungsniveau stärker als solche mit hohem. Für Letzere ergibt sich keinerlei Zusammenhang zwischen Demenzmortalität und Tages- oder Nachttemperaturen – vermutlich, weil sich diese Demenzkranken oder ihre Angehörigen klimatisierte Räume leisten können.

Eine Konsequenz aus dieser Untersuchung wäre, zumindest über Nacht für ausreichend Abkühlung zu sorgen, sodass sich Demenzkranke von der Tageshitze besser erholen können. Entsprechend sollten sich auch hierzulande Pflegeeinrichtungen Gedanken machen, wie sie im Sommer eine Überhitzung der Räume tagsüber und vor allem nachts vermeiden.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Welche Auswirkungen hat Hitze auf die Mortalität Demenzkranker?

Antwort: Um die 5% der heißesten Tage und Nächte herum ist die demenzbedingte Mortalität um etwa die Hälfte erhöht. Der Anteil der Todesfälle, die auf nächtliche Hitze zurückzuführen sind, ist nach einer Studie aus China höher als der Anteil bedingt durch Tageshitze.

Bedeutung: Wird nachts für ausreichend Kühlung gesorgt, könnte dies besonders vielen Demenzkranken das Leben retten.

Einschränkung: Deutliche Unterschiede zwischen den sozialen Schichten.

Quelle: Springer Medizin

print
DRUCKEN
Literatur

Gao Y et al. Heat Exposure and Dementia-Related Mortality in China. JAMA Netw Open. 2024; 7(6):e2419250; https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2024.19250

Weiterführende Themen