01.12.2012 | Leitthema
Gibt es eine Evidenz für medizinische Aussichtslosigkeit?
Erschienen in: Notfall + Rettungsmedizin | Ausgabe 8/2012
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Hintergrund
Im Zeitalter der evidenzbasierten Medizin sollte möglichst jede ärztliche Entscheidung auf der besten verfügbaren Evidenz beruhen.
Ziel der Arbeit
Gibt es für bestimmte definierbare klinische Situationen hinreichende Evidenz dafür, dass eine sonst erfolgreiche Behandlung vergeblich ist?
Material und Methoden
Literaturbasierte Metaanalyse von Aussichtslosigkeitsstudien bei Patienten in kritischem Zustand bzw. nach plötzlichem Kreislaufstillstand.
Ergebnisse
Die vorliegenden Studien unterscheiden sich erheblich in der Definition von Aussichtslosigkeit und der statistischen Methodik. Die Studien sind generell zu klein, es gibt große Grauzonen mit nicht eindeutigem Ergebnis; die Vorhersagequalität ist schlecht. Die mit Framing- und Kontexteffekten, der Zeitpunktwahl und mit sich selbst erfüllenden Prophezeiungen verbundenen methodischen Probleme werden unzureichend reflektiert und sind möglicherweise der Fragestellung inhärent, im Prinzip aber überwindbar, wenn auch mit erheblichem methodischem Aufwand.
Schlussfolgerung
Zur Beurteilung der Aussichtslosigkeit medizinischer Interventionen im Endstadium des Lebens liegt keine praktisch brauchbare Evidenz vor. Die Wahl des Zeitpunkts des Verzichts auf lebensrettende Maßnahmen bleibt eine Entscheidung, die der Arzt nicht zuerst nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten, sondern geleitet vom Patientenwillen nach humanitären Gesichtspunkten treffen sollte.
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