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Erschienen in:

01.05.2024 | Fortbildung | Pflege Perspektiven Zur Zeit gratis

One Minute Wonder neu denken

verfasst von: Robert Palutke, Carsten Müssig

Erschienen in: Heilberufe | Ausgabe 5/2024

Hinweise

Supplementary Information

Zusatzmaterial online: Zu diesem Beitrag sind unter https://​doi.​org/​10.​1007/​s00058-024-3604-7 für autorisierte Leser zusätzliche Dateien abrufbar.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten One Minute Wonder (OMW) können nicht nur unausweichliche Wartezeiten füllen, sie lassen sich auch in größere Lernszenarien einbetten. OMW können Fort- und Weiterbildungen begleiten, wissenschaftliche Impulse für die Praxis geben, die Pflegepraxis unterstützen und Sicherheit im Alltag vermitteln.
Ursprünglich steht hinter den OMW die Idee, Wartezeiten zu füllen. Joanna Rowlinson definierte OMW als Bildungsinhalte, die in einer Minute aufgenommen werden können und regelmäßig ausgetauscht werden. Ein Netzwerk zum Austausch von OMW wurde in England gegründet, auch in Deutschland etabliert sich ein einrichtungsübergreifendes OMW-Netzwerk. OMW finden mittlerweile nicht nur in der Pflege Verbreitung, sondern auch in der Rettungsmedizin und in zahlreichen medizinischen Fachgebieten. Im Folgenden werden verschiedene Einsatzmöglichkeiten von OMW beschrieben. Diese sind unter dem Sammelbegriff Microlearning etabliert. OMW bringen den größtmöglichen Nutzen, wenn Inhalte und Gestaltung auf Ziele und Einsatzzweck ausgerichtet werden (Tab. 1).
Tab. 1
: Zweck, Inhalt und Gestaltungsmerkmale von OMW
Zweck
Inhalt
Gestaltungsmerkmale
Schulungen begleiten
Ergänzende Lerninhalte
Integration in Schulungskonzepte; Vor- oder Nachbereitung von Fortbildungen
Impulse geben
Wissenschaftliche Studien und Ergebnisse
Wissenstransfer durch Ausrichtung auf Pflegepraxis
Alltag unterstützen und Sicherheit geben
Pflegemaßnahmen und Grundlagenwissen
Praxisgerechte und fachdidaktische Darstellung

Schulungen begleiten

OMW können keine Fort- und Weiterbildung ersetzen, denn der Aufbau von Kompetenzen erfordert Zeit und Konzentration. OMW eignen sich jedoch als ergänzende Bausteine in der Fort- und Weiterbildung. Beispielsweise können OMW auf eine Fortbildung vorbereiten, indem sie Lernziele kommunizieren und die Anwendung in der Praxis darstellen. Nach einer Fortbildung können OMW wichtige Lerninhalte zusammenfassen, wiederholen und präsent halten, Checklisten und Übersichten anbieten und Reflexionsfragen stellen.
OMW eignen sich auch, um aktuelle Themen aufzugreifen und Neugier für pflegewissenschaftliche Inhalte zu wecken. Beispielsweise könnte eine Studie aus dem Fachbereich vorgestellt werden: Welche Fragestellung wurde untersucht, welche Ergebnisse erzielt und welche Möglichkeiten ergeben sich daraus für die Praxis? Bei der Auswahl der Themen dürfte die Relevanz für die Zielgruppe darüber entscheiden, ob die OMW gelesen werden. Wie können die gezeigten Forschungsergebnisse Entscheidungen, Prozesse und Pflegemaßnahmen verbessern? Wie beeinflussen lokale Gegebenheiten die Umsetzung?

Den Alltag unterstützen und Sicherheit geben

OMW können unabhängig von Fort- und Weiterbildungen Handlungen erklären, Wissen vermitteln und Sicherheit im Alltag geben. Bei diesem Einsatzzweck nutzen Pflegende OMW bei Bedarf, wenn sie sich Details einer Pflegemaßnahme in Erinnerung rufen, eine Erkrankung, Diagnostik oder Therapie verstehen, kritische Ereignisse bewerten, einen Prozess durchführen oder eine Entscheidung treffen wollen. Dazu können Handlungsabläufe erklärt, Fallbeispiele geschildert und Grundlagenwissen vermittelt werden.
Eine strenge inhaltliche Begrenzung ermöglicht die Unterstützung beruflicher Aufgaben. Das übergreifende Lernziel und der Zweck sollten aus dem Titel hervorgehen, so dass die Auswahl des OMW einfach wird. Im Idealfall umfassen OMW genau die Informationen, die Pflegende im Alltag erwarten. Sinnvolle Lernziele hängen dabei von der Zielgruppe, dem Ausbildungsstand und den beruflichen Aufgaben ab. Der Aufbau alltagsrelevanter OMW sollte realen Abläufen und mentalen Modellen Pflegender entsprechen. Die Darstellung von Wissen, das die Grundlagen für die Auswahl und Durchführung von Pflegemaßnahmen bildet, kann nicht sinnvoll in eine einheitliche Struktur gefasst werden (Tab. 2). Hier bietet sich eine semantisch begründete fachdidaktische oder fachlich-logische Darstellung an. Für die Beschreibung von Pflegemaßnahmen (Tab. 3) ist folgende Struktur empfehlenswert:
Tab. 2
: OMW zu Grundlagenwissen
Titel
Zweck
Lernziele
Blutdruck Wissen (OMW 101-1)
Blutdruck, Hyper- und Hypotonie verstehen
Definitionen, Ursachen und Symptome für Hyper- und Hypotonie
Refeeding-Syndrom Theorie (OMW 69-9)
Das Refeeding-Syndrom verstehen
Ursachen, Risikogruppen, Prävalenz, Auswirkungen
Parenterale Ernährung (OMW 69-5)
Möglichkeiten parenteraler Ernährung kennen
Definition/Varianten, Indikation für periphervenöse und zentralvenöse Applikation
Tab. 3
: OMW zu Pflegemaßnahmen
Titel und übergreifendes Lernziel
Zweck
Lernziele
Blutdruck messen und Veränderungen erkennen (OMW 101-2)
Blutdruckmessung vorbereiten und durchführen, kritische Situationen erkennen
Vorbereitung und Voraussetzungen, Durchführung, kritische Ergebnisse
Pflege bei Hypertonie (OMW 101-3)
Pflegemaßnahmen auswählen und durchführen, kritische Situationen erkennen
Indikation, Pflegemaßnahmen, kritische Ergebnisse
Pflege bei Hypotonie (OMW 101-4)
Pflegemaßnahmen auswählen und durchführen, kritische Situationen erkennen
Indikation, Pflegemaßnahmen, kritische Ergebnisse
Anwendung 3-Kammer-Beutel (OMW 69-7)
3-Kammer-Beutel anwenden
Auswahloptionen, Zugabe von Medikamenten, Verabreichungsmöglichkeiten, Laufgeschwindigkeit
Refeeding-Syndrom: Praxis (OMW 69-10)
Refeeding-Syndrom erkennen und Maßnahmen ergreifen
Symptome, Screening, Behandlung
  • Indikation: Wann ist diese Maßnahme sinnvoll?
  • Vorbereitung und Voraussetzungen: Wie bereite ich die Maßnahme vor, welche Voraussetzungen gelten?
  • Durchführung: Bei der Beschreibung von Prozessen und Handlungen ist in der Regel eine chronologische Schritt-für-Schritt-Beschreibung sinnvoll. Kann die Durchführung als bekannt vorausgesetzt werden, genügen Hinweise zur korrekten Durchführung. Häufige Fehlerquellen werden aufgezählt.
  • Ergebnis: Das Ergebnis der Pflegemaßnahme wird beschrieben. Bei komplexen Handlungen sollten auch Zwischenergebnisse genannt werden.
  • Kritische Ergebnisse: Pflegemaßnahmen können kritische Gesundheitszustände offenbaren oder in ungünstigen Fällen bewirken. Dann sollten stichwortartig erforderliche Maßnahmen genannt werden.
Die Darstellung von Pflegemaßnahmen und Grundlagenwissen in getrennten, aufeinander abgestimmten OMW ermöglicht Pflegenden, situativ relevante Inhalte auszuwählen.

Qualität sichern

Die fachliche und didaktische Qualität von OMW sollte durch kollegiale Begutachtung gesichert werden. Die Koordination übernimmt im Idealfall ein Redaktionsteam. Bei der fachlichen Begutachtung ist die Überprüfung durch Kolleginnen einer anderen Station oder eines anderen Hauses sinnvoll, da andere Routinen und Pflegeverständnisse einen kritischen Blick ermöglichen. Auch Referenzen und Quellen sollten auf Wissenschaftlichkeit und Aktualität geprüft werden. Eine Checkliste kann die Begutachtung unterstützen. Aus didaktischer Sicht ist eine Überfrachtung mit Informationen zu vermeiden. Die enthaltenen Informationen sollten relevant und verständlich verfasst sein. Kolleginnen als Testnutzer können wertvolles Feedback geben. Die Qualität der OMW profitiert von Feedbackschleifen und iterativer Verbesserung.

Grenzen von OMW akzeptieren

Die ursprüngliche Idee, Wartezeiten zu füllen, hat eine negative Seite. Im verdichteten Pflegealltag dürften kurze Wartezeiten eine sinnvolle Atempause sein und einen kurzen Moment der Entspannung und Reflexion ermöglichen. Menschen können nicht ununterbrochen - ohne Pause - fokussiert denken und arbeiten.
Zudem kann Multitasking, also die Bearbeitung pflegerischer Aufgaben und das gleichzeitige Lernen neuer Inhalte, zu kognitiver Überforderung führen und Fehler begünstigen. Daher sollte der Einsatz von OMW immer maßvoll erfolgen. Komplexe Inhalte, beispielsweise die physiologischen Funktionen von Elektrolyten, sind in einzelnen OMW kaum darstellbar. Hier bietet sich eine Aufbereitung in aufeinander abgestimmten und aufbauenden OMW an.

OMW als Microlearning gestalten

Microlearning ist ein populäres Konzept, das auf OMW angewendet werden kann. OMW sind kleine Lerneinheiten, die ein spezifisches Thema vermitteln, in den Alltag integriert werden und Teil einer größeren Lernstrategie sein können. Ein entscheidendes Merkmal von Microlearning ist die Orientierung an definierten Zielen. Die Ausrichtung an diesen Zielen sollte OMW wertvoll und relevant für Pflegende machen.
Über das HEILBERUFE eMag und springerpflege.de finden Sie online:
OMW zu Grundlagenwissen
OMW zu Pflegemaßnahmen
Literaturliste

Pflege einfach machen

OMW können keine Fort- und Weiterbildung ersetzen, denn der Aufbau von Kompetenzen erfordert Zeit und Konzentration. OMW eignen sich jedoch als ergänzende Bausteine in der Fort- und Weiterbildung.
OMW bringen den größtmöglichen Nutzen, wenn Inhalte und Gestaltung auf Ziele und Einsatzzweck ausgerichtet werden.
Inhalte und didaktische Darstellung sollten im Team erarbeitet und die Qualität durch Rückmeldung von Kolleginnen gesichert werden.

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Metadaten
Titel
One Minute Wonder neu denken
verfasst von
Robert Palutke
Carsten Müssig
Publikationsdatum
01.05.2024
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Fortbildung
Erschienen in
Heilberufe / Ausgabe 5/2024
Print ISSN: 0017-9604
Elektronische ISSN: 1867-1535
DOI
https://doi.org/10.1007/s00058-024-3604-7