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01.03.2017 | Online-Artikel

Ist die Fahrtzeit in der ambulanten Pflege Arbeitszeit?

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Arbeitsweg (Symbolbild) © Armin Weigel / dpa / picture alliance

Frage: Zählt die Fahrtzeit der ambulanten Pflegekräfte eigentlich zur bezahlten Arbeitszeit?

Antwort von Martina Weber Volljuristin (Ass. jur.): Der Begriff Fahrtzeit wird – wie der Begriff der Wegezeit – im Arbeitsrecht nicht einheitlich verwendet. Deshalb ist bei der Frage zu unterscheiden, welche Strecke konkret mit der Fahrtzeit gemeint ist, bevor die Frage nach der Vergütung gestellt werden kann.

Die Zeit, die der Arbeitnehmer für den Weg von seiner Wohnung zum Betrieb benötigt, ist die Wegezeit. Die Wegezeit ist grundsätzlich nicht Teil der Arbeitsleistung und sie wird grundsätzlich nicht vergütet (BAG 21.12.2006, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2008, S. 136). Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die Wegezeit nicht vergütet wird, stellt die Rufbereitschaft dar: Bei der Rufbereitschaft zählt die Fahrt des Arbeitnehmers zum Betrieb zur Arbeitszeit (Arbeitsgericht Marburg 04.11.2003, 2 Ca 212/03).

Fährt eine ambulante Pflegekraft also mit ihrem Fahrrad von ihrer Wohnung zum Büro des Pflegedienstes, von dem aus sie dann die Kunden anfährt, zählt die Fahrt von zu Hause zum Pflegedienstbüro nicht zur Arbeitszeit und wird nicht vergütet.

Und wie steht es um die Fahrtzeiten vom Pflegebüro zu den pflegebedürftigen Kunden? Das BAG hat in einer Entscheidung vom 12.12.2012 klargestellt, dass Fahrtzeiten vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle als Arbeitszeit zu bewerten sind (5 AZR 355/12). Das BAG ergänzte, dass mit der Qualifizierung der Fahrtzeit als Arbeitszeit noch nichts über die Höhe der Vergütung ausgesagt ist. Durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann, so das BAG, geregelt werden, dass Fahrtzeiten vom Betrieb zur Einsatzstätte anders vergütet werden als die eigentliche Tätigkeit. Dabei ist jedoch das Mindestlohngesetz einzuhalten.

In seinem Urteil vom 10.09.2015 (C–266/14) hat der Europäische Gerichtshof die Rechtslage für eine weitere Fallkonstellation geklärt: Wenn ein Arbeitnehmer keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort hat, zählt bereits das Zurücklegen der Strecke von der Wohnung zum Einsatzort zur Arbeitszeit. Würde es für eine ambulante Pflegekraft also kein Büro des Pflegedienstes geben, das sie regelmäßig vor Beginn ihrer Pflegediensttour ansteuert, zählt die Fahrt von ihrer Wohnung zur Wohnung des ersten Kunden bereits zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Dies wirkt sich auch auf die gesetzlich zulässige Arbeitszeit aus.

Martina Weber
Volljuristin (Ass. jur.)

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