Hintergrund
Durch den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern aus dem Jahr 2018 haben sich viele Notaufnahmen in Deutschland zu eigenständigen, fachlich weitgehend autark operierenden Einheiten entwickelt [
1]. Obwohl der G‑BA-Beschluss eine „Aufnahmebereitschaft auch für beatmungspflichtige Intensivpatienten auf die Intensivstation innerhalb von 60 min nach Krankenhausaufnahme“ verpflichtend vorschreibt, kommt es im klinischen Alltag immer wieder vor, dass sich diese Verlegungen verzögern oder sogar unmöglich sind. Beatmete, aber auch anderweitig intensiv- oder überwachungspflichtige Patient:innen müssen dann zwangsläufig so lange in der Notaufnahme verbleiben, bis entweder ein Intensivbett frei wird oder sich eine geeignete externe Verlegungsoption findet. Der G‑BA-Beschluss fordert damit implizit, dass, zumindest in Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Versorgungsstufe, beatmungspflichtige und/oder kritisch kranke Patient:innen initial in der Notaufnahme versorgt werden können. Aus diesem Grund werden seit einiger Zeit Konzepte zur erweiterten notfallmedizinischen Versorgung kritisch kranker Patient:innen diskutiert [
2‐
4]. Dabei stellen sich viele praxisrelevante Fragen: Wie lange dauert die Schockraumversorgung? Gibt es tatsächlich einen relevanten „exit block“ in Richtung Intensivstation? Wie unterscheidet sich die Versorgung in der Notaufnahme von der Versorgung auf der Intensivstation? Geht ein verlängerter Aufenthalt in der Notaufnahme zulasten der Behandlungsqualität und des Behandlungsergebnisses? Welche Konzepte gibt es und was brauchen die Notfallzentren, um diese Konzepte umzusetzen? Dieser Übersichtsartikel soll Antworten auf einige dieser spannenden Fragen geben.
Der Schockraum – Eintrittspforte für kritisch kranke Patient:innen
Die Aufnahme kritisch kranker Patient:innen über die Notaufnahme ist im gesamten angloamerikanischen Raum, aber auch in vielen europäischen Ländern üblich [
5‐
7]. Je nach Krankenhausstruktur, interdisziplinären Absprachen und den lokalen Alarmierungskriterien machen kritisch kranke oder verletzte Patient:innen ungefähr 5–10 % des „caseload“ zentraler Notaufnahmen aus [
8‐
12]. Der überwiegende Teil der kritisch kranken oder verletzten Patient:innen wird über den Rettungsdienst und nach entsprechender digitaler und/oder telefonischer Voranmeldung in die Schockräume der zentralen Notaufnahmen eingeliefert [
8,
13]. Allerdings werden bis zu 5 % der Patienten mit einer Indikation zum nichttraumatologischen Schockraum aufgrund der prähospitalen Präsentation nicht vorangemeldet und etwa 3,5 % der Patienten mit einer Indikation stellen sich fußläufig in der Notaufnahme vor [
6,
9,
10,
14]. Diese Patienten werden in der Ersteinschätzung durch die Notfallpflegekraft identifiziert.
Ziel der Schockraumversorgung ist es, kritisch kranke Patienten barrierefrei und unmittelbar einer interdisziplinären, leitliniengerechten Versorgung und Diagnostik zuzuführen und damit eine zielgerichtete Allokation im Krankenhaus zu ermöglichen. Die in einigen Kliniken etablierte Praxis, die nichttraumatologische Schockraumversorgung der Intensivstation zuzuordnen, ist nicht nur hinsichtlich logistischer Voraussetzungen obsolet, sondern widerspricht dem Gedanken einer fundierten fachspezifischen Zuordnung nach vorgeschalteter zentraler Akutdiagnostik und -therapie. Genau aus diesem Grund lässt der G‑BA hier nur Ausnahmen in eng begrenztem Umfang und bei offensichtlich eindeutiger Zuständigkeit im Bereich der Geburtshilfe, der Pädiatrie, der Schlaganfallversorgung oder bei gesichertem Herzinfarkt zu.
Zahlreiche Studien belegen zudem die Bedeutung einer möglichst frühzeitigen und zielgerichteten Therapie (z. B. bei Sepsis, Herzinfarkt, Schlaganfall oder nach Reanimation; [
15‐
18]). Die Notwendigkeit einer erweiterten notfallmedizinischen Diagnostik und Therapie im Rahmen der Schockraumversorgung ist daher mittlerweile unumstritten.
Während die Schockraumversorgung traumatologischer Patient:innen in einer S3-Leitlinie geregelt ist, befindet sich die entsprechende Leitlinie für die strukturierte Schockraumversorgung nichttraumatologischer kritisch kranker Patient:innen derzeit noch in der Entwicklung [
19,
20]. Dies ist umso verwunderlicher, als nichttraumatologische Schockraumpatient:innen eine etwa dreimal so hohe innerklinische Mortalität von bis zu 36 % aufweisen und mit einer „ratio“ von vermutlich 4:1 deutlich häufiger sind als traumatologische Schockraumpatient:innen [
6,
8‐
12].
Bereits während der Schockraumversorgung werden verschiedene notfall- und intensivmedizinische Standardinterventionen wie Atemwegssicherung, nichtinvasive und invasive Beatmung, Anlage von Drainagen und zentralen Venenkathetern, Notfalltransfusion, Volumenmanagement, kontinuierliche Therapie mit vasoaktiven Substanzen, invasives hämodynamisches Monitoring und kardiopulmonale Reanimation regelhaft durchgeführt [
8,
10,
21]. Einige Zentren (u. a. Cardiac Arrest Center) haben sogar interdisziplinäre Protokolle für die extrakorporale kardiopulmonale Reanimation (eCPR) und die notfallmäßige Implantation lebenserhaltender extrakorporaler Membranoxygenierungsverfahren (VV-ECMO, VA-ECMO, Mini-HLM) im Schockraum implementiert [
22].
Wie lange dauert die Schockraumversorgung?
Laut Jahresbericht des TraumaRegisters DGU® beträgt für Traumapatient:innen die durchschnittliche Zeit von der Schockraumaufnahme bis zum Ganzkörper-CT ca. 26 (Min.–Max.: 1–120) Minuten. Etwa 65 % der Patient:innen benötigen (mindestens) eine operative Therapie, die im Mittel 71 (1–120) Minuten nach der Schockraumaufnahme beginnt [
23]. Im Kontext des Advanced-Trauma-Life-Support(ATLS)-Konzepts gilt die Schockraumversorgung mit Abschluss des sogenannten „secondary survey“ als beendet [
24].
Für nichttraumatologische kritisch kranke Patient:innen ist aus den prospektiven Studien OBSERvE‑1 und -2 bekannt, dass die mittlere Schockraumverweildauer bei 34 ± 24 bzw. 31 ± 22 min liegt. Daran schließt sich in ca. 50 % der Fälle eine Notfallcomputertomographie oder Kernspintomographie an, die je nach Situation und Verfügbarkeit etwa weitere 30 min in Anspruch nimmt [
8,
11]. Projiziert man diese Daten in den im Advanced-Critical-illness-Life-Support(ACiLS)-Konzept verwendeten (PR_E-)AUD2IT-Schockraumalgorithmus, sollte nach ca. 60 min im abschließenden Team-Time-out eine valide Arbeitshypothese formuliert und die eigentliche Schockraumphase beendet werden können [
25,
26]. Dieser Zeitraum entspricht im Übrigen auch ziemlich genau den im G‑BA-Beschluss festgelegten 60 min bis zur Übernahme intensivpflichtiger Patient:innen auf die Intensivstation.
Retrospektive Real-World-Daten aus der OBSERvE-DUS-Studie und einer weiteren Studie von Kreß et al. deuten jedoch auf eine doppelt so lange Verweildauer von nichttraumatologischen Schockraumpatient:innen in der Notaufnahme hin (von 120 ± 100 bzw. 148 ± 203 min; [
10,
12]). Auch wenn hierzu weitere Daten ausstehen, kann derzeit von einer durchschnittlichen Verweildauer von 60 ± 120 min im Anschluss an die Schockraumversorgung nichttraumatologischer Patient:innen ausgegangen werden.
Neben pflegerischen Engpässen und einem demografisch bedingten Mehrbedarf an Intensivbetten dürfte insbesondere bei nichttraumatologischen Schockraumpatient:innen die zunächst noch unklare Diagnose und entsprechend verzögerte Fachabteilungszuordnung eine wesentliche Rolle für die verzögerte Übernahme auf die Intensivstation spielen. Demgegenüber werden laut TraumaRegister DGU® etwa zwei Drittel der traumatologischen Schockraumpatient:innen nach der Schockraumphase zunächst im OP versorgt. Die anschließende Übernahme auf die Intensivstation erfolgt aufgrund der längeren Vorlaufzeit reibungsloser und mit klarer Zuordnung zur unfallchirurgischen Fachabteilung [
23].
„Exit block“ in Richtung Intensivstation
Eine aktuelle Studie aus der Notaufnahme des Universitätsklinikums Leipzig zeigt, dass 4,3 % aller Notaufnahmepatient:innen auf die Intensivstation aufgenommen werden mussten [
27]. Eine Punktprävalenzbefragung der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) vom 5. Juli 2022, an der 362 Krankenhäuser teilnahmen, ergab, dass es bei 48,3 % der Verlegungen auf Intermediate-care(IMC)-Stationen und bei 53,6 % der Verlegungen auf Intensivstationen zu signifikanten Verzögerungen aufgrund von Bettenmangel kam [
28]. Dieser sog. „exit block“ zeigte sich auch in der OBSERvE-1-Studie, in der es in rund 20 % der Fälle nach Abschluss der Schockraumversorgung aufgrund fehlender innerklinischer Ressourcen zu Verzögerungen kam. In 70 % der Fälle waren fehlende Intensivbetten der Grund für diese Verzögerungen, die mit einer verlängerten Verweildauer im Schockraum von durchschnittlich 56 ± 50 min zusätzlich einhergingen [
8].
In den USA stieg die Zahl der jährlichen Intensivverlegungen aus der Notaufnahme zwischen 2001 und 2009 um 79 % von 1,2 auf 2,2 Mio. Im gleichen Zeitraum stieg die mediane Verweildauer kritisch kranker Patient:innen in der Notaufnahme von 185 auf 245 min, und die durchschnittliche kumulative Verweildauer in der Notaufnahme verdreifachte sich von 1,8 auf 5,6 h pro Tag [
29]. Auch wenn vergleichende Daten aus dem deutschsprachigen Raum derzeit noch fehlen, ist aufgrund der demografischen Entwicklung und der stetig steigenden Fallzahlen in den Notaufnahmen davon auszugehen, dass der Anteil kritisch kranker Patient:innen auch in Deutschland weiter zunehmen wird. Gleichzeitig führt der Fachkräftemangel dazu, dass häufig nicht alle vorhandenen Intensivbetten belegt werden können. Selbst wenn entgegen diesem Trend die Intensivkapazitäten in den nächsten Jahren deutlich ausgebaut und vorrangig für Notfallpatient:innen vorgehalten würden, müssten sich die Notaufnahmen auf einen unweigerlich steigenden Anteil überwachungs- und intensivpflichtiger Patient:innen einstellen. Insofern gibt es keine Alternative zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema „verlängerte notfallmedizinische Versorgung kritisch kranker Patient:innen“.
Verzögerte Intensivaufnahme – Auswirkungen auf das Behandlungsergebnis?
Vor ca. 15 Jahren wurden die Gründe und Auswirkungen einer verzögerten Intensivaufnahme erstmals systematisch untersucht. In erster Näherung wurden dazu meist retrospektive Registerdaten herangezogen und Notfallpatient:innen mit rechtzeitiger vs. verzögerter Intensivaufnahme hinsichtlich klinisch relevanter Endpunkte miteinander verglichen. Die wesentliche Limitation all dieser Publikationen bestand jedoch darin, dass keinerlei Daten zur jeweiligen intensivmedizinischen Kompetenz der Studienzentren enthalten waren. Es ist anzunehmen, dass ein erheblicher Teil der Patienten, gemessen an intensivmedizinischen Standards, in den Notaufnahmen unterversorgt war. In diesen frühen Studien, in denen die Einteilung in die beiden Gruppen meist eher willkürlich erfolgte, zeigte sich fast ausnahmslos eine erhöhte Mortalität im Falle einer verzögerten Intensivaufnahme. So fanden Chalfin et al. [
30] in der amerikanischen Studie „
Impact of delayed transfer of critically ill patients from the emergency department to the intensive care unit“ (DELAY-ED) an 50.322 Notaufnahmepatient:innen eine signifikant höhere Intensiv- (10,7 vs. 8,4 %;
p < 0,01) sowie Krankenhausmortalität (17,4 vs. 12,9 %;
p < 0,001), wenn diese erst nach ≥ 6 h auf die Intensivstation übernommen werden konnten. Auch bei primär neurologischen Patient:innen ist eine Verzögerung der Intensivaufnahme von ≥ 6 h ein unabhängiger Risikofaktor für ein schlechtes neurologisches Behandlungsergebnis (Odds Ratio 3,8 [95 %-CI: 1,6–8,8]; [
31]). Hung et al. [
32] konnten in einer großen taiwanesischen monozentrischen Studie zeigen, dass eine Beatmungsdauer in der Notaufnahme von > 4 h einen unabhängigen Risikofaktor für die 21-Tages-Mortalität und einen verlängerten Intensivaufenthalt darstellt.
Erst eine sehr differenzierte niederländische Registerstudie an sechs Universitätskliniken mit insgesamt 14.788 Patient:innen aus den Jahren 2009 bis 2016 konnte zeigen, dass nur bei wirklich kritisch kranken Patient:innen (geschätzte APACHE-IV-Mortalität > 60 %) die Mortalität bei einer Verweildauer in der Notaufnahme von > 4 h signifikant ansteigt, während dies bei Patient:innen mit geringerer Erkrankungsschwere (geschätzte APACHE-IV-Mortalität < 26 %) auch bei einer längeren Verweildauer von bis zu 24 h nicht der Fall ist [
33]. Dieses Ergebnis verdeutlicht sehr gut, dass nicht alle Intensivverlegungen über einen (statistischen) Kamm geschoren werden dürfen. Denn die Indikation zur Intensivverlegung orientiert sich im Alltag nicht ausschließlich an der Schwere der Erkrankung, sondern wird auch von den zugrunde liegenden Diagnosen und den entsprechenden Leitlinienempfehlungen sowie der Expertise und den Ressourcen der Notaufnahme und Intensivstation bestimmt.
Es ist daher sinnvoll, sich auf einzelne Diagnosen und deren Therapie zu konzentrieren und – noch wichtiger – die Ergebnisse vor der individuellen Erfahrung der jeweiligen Notaufnahmen zu betrachten. Beispielsweise konnte in einer monozentrischen Studie an 287 Patient:innen mit Sepsis und septischem Schock in der Notaufnahme gezeigt werden, dass eine verzögerte Intensivverlegung (> 6 h) bei korrekter Durchführung des 3‑Stunden-Sepsis-Bündels keinen Einfluss auf die Mortalität und das Erreichen der Zielwerte hatte [
34]. Auch die multizentrische Australasian-Resuscitation-in-Sepsis-Evaluation(ARISE)-Studie, in der eine sehr stringente, protokollbasierte Sepsistherapie durchgeführt wurde, zeigte keine erhöhte Mortalität bei Notfallpatient:innen mit septischem Schock, die erst nach > 4 h auf die Intensivstation verlegt wurden [
35].
Eine Auswertung von 314.836 Intensivverlegungen (2007–2012) aus 118 Notaufnahmen in Kanada, einem Land mit eigenem Facharzt für Notfallmedizin, zeigt keine negativen Auswirkungen einer verzögerten Intensivverlegung, obwohl ca. 60 % der Fälle > 6 h und ca. 10 % sogar > 24 h in der Notaufnahme betreut werden mussten [
36]. Diese Daten lassen vermuten, dass die Qualität der Betreuung in der Notaufnahme einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis hat, nicht aber die rein faktische Aufenthaltsdauer.
Es macht zudem einen erheblichen Unterschied, ob man nur die
tatsächlichen Intensivverlegungen betrachtet, oder ob man die Fälle, die ursprünglich auf der Intensivstation
angemeldet waren, in die retrospektive Auswertung mit einbezieht. Garner et al. [
37] konnten hierzu an insgesamt 1268 Notfallpatient:innen zeigen, dass fast 50 % der zur Intensivverlegung angemeldeten Patient:innen mit einer späten Verweildauer ≥ 6 h in der Notaufnahme im Verlauf gar nicht mehr auf die Intensivstation verlegt werden mussten. Der A‑priori-Ausschluss solcher Patient:innen in Studien führt aber zwangsläufig zu einer Erhöhung bzw. Überschätzung der Mortalität in der „späten“ Gruppe (17,4 vs. 13,4 %; [
37]). Aus diesem Grund ist es wahrscheinlich, dass alle frühen retrospektiven Studien eine deutliche Verzerrung zugunsten der frühen Verlegung auf die Intensivstation aufweisen. Im Folgenden soll die Frage, ob langes Warten auf ein Intensivbett gefährlich ist, daher anhand von prospektiven Interventionsstudien dargelegt werden.
Etablierung von ECC – Anforderungen und Ressourcen
Aufgrund des „exit block“ werden viele kritisch kranke Patient:innen bereits
jetzt über die Schockraumphase hinaus in der Notaufnahme betreut (Tab.
2). Allerdings geschieht dies häufig ohne abgestimmtes Konzept und mit gemischten Gefühlen bei einigen Beteiligten. Im schlimmsten Fall können Patienten hierbei gefährdet werden. Es ist daher wichtig, aktiv über die Etablierung von ECC nachzudenken. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, welche Konzepte sind denkbar und in welchen Kliniken ist die Etablierung sinnvoll?
Tab. 2
Beispiele für ECC in der Notaufnahme
Allgemeinchirurgie | Ileus oder Perforation vor Op. |
Dermatologie | Anaphylaxie |
Gefäßchirurgie | Aortensyndrom oder Extremitätenischämie vor Op. |
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde | Angioödem |
Innere Medizin | Respiratorische Insuffizienz, Kreislaufinstabilität bei gastrointestinaler Blutung oder Sepsis, metabolische Entgleisungen oder Elektrolytstörungen, höhergradige Herzrhythmusstörungen und kardiale Dekompensation |
Neurologie | „Stroke“ (± Lyse), Krampfanfall |
Neurochirurgie | SDH, SAB, ICB |
Psychiatrie | Intoxikationen, Suizidversuche |
Unfallchirurgie | Polytrauma „light“ nach Schockraum |
Eine rezente Online-Befragung [
21] zur nichttraumatologischen Schockraumversorgung ergab, dass deutsche Notaufnahmen unabhängig von der jeweiligen Versorgungsstufe die apparative Grundausstattung für ECC vorhalten. Ob diese Ausstattung auch in der vom G‑BA geforderten Observationsstation regelhaft vorgehalten wird, ist derzeit unklar. Falls eine Observationsstation als Intermediate-care(IMC)-analoge Station betrieben [
48] wird, sollte dort zumindest bei nichtintubierten Patient:innen ECC grundsätzlich möglich sein.
Anders sieht es bei den personellen Anforderungen aus. Hier erscheinen die eingeschränkte Verfügbarkeit von Fach- und Oberärzt:innen im Spät- (35–76 %) und Nachtdienst (37–48 %) sowie der geringe Anteil weitergebildeter Notfallpflegender (35–55 %) für die Implementierung von ECC in der Fläche nicht ausreichend [
21]. Die Curricula der Zusatzweiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ und der Fachweiterbildung für Notfallpflege beinhalten sehr viele ECC-relevante Aspekte. Zusätzliche Schulungs- und Rotationskonzepte für Pflegende und Ärzt:innen sind notwendig, damit sich ECC in der Notaufnahme nachhaltig etablieren kann. Das hierzu vorgeschlagene Akronym „OSKARinED“ bündelt erstmals alle ECC-relevanten Aspekte in einer praxisrelevanten Checkliste [
49]. In den USA bieten viele große Zentren bereits 2‑jährige „ECC fellowships“ an, in denen Fachärzt:innen für Notfallmedizin u. a. auf ED-ICU und fachspezifische Intensivstationen rotieren. Eine erste Erhebung zeigt, dass der Großteil der Ärzt:innen mit doppelter Facharztausbildung („emergency medicine/critical care“) ursprünglich aus der Notfallmedizin kommt und ganz überwiegend (~ 80 %) an akademischen Zentren angestellt ist [
50]. Es ist daher gut vorstellbar, dass sich ECC auch in Deutschland zuerst in universitären Notaufnahmen und umfassenden Notfallversorgern etablieren wird.
Zusammenfassung und Ausblick
ECC ist ein innovatives Konzept zur frühestmöglichen Versorgung kritisch kranker Patient:innen auf intensivmedizinischem Niveau bereits in der Notaufnahme. Auch wenn noch keine Daten aus Deutschland zu diesem Thema vorliegen, spricht aus unserer Sicht vieles für die Etablierung von ECC in großen Notfallzentren mit entsprechendem Bedarf. Ein wesentlicher Effekt von vollumfänglichem ECC bzw. ECCU ist vermutlich, dass mehr und besser qualifiziertes Personal ausreichend Zeit hat, sich intensiv und vor allem kontinuierlich um (wenige) kritisch kranke Patient:innen zu kümmern. Obwohl ECC mit hoher Wahrscheinlichkeit „unnötige“ Intensivaufnahmen verhindern und die Zahl der Kurzlieger auf herkömmlichen Intensivstationen reduzieren kann, bleiben viele Fragen unbeantwortet: Kann sich das „restliche“ Notaufnahmeteam stärker auf die Versorgung der anderen Notfälle konzentrieren und lässt sich so die Mortalität senken? Bieten ECCU einen signifikanten Mehrwert im Vergleich zu einer Erhöhung der Bettenzahl auf der Intensivstation? Ist ECC im Konsilsystem möglicherweise genauso effektiv und effizient wie die vollumfängliche Einrichtung einer ECCU? Weitere Studien sind erforderlich, um ECC im Hinblick auf Patientenergebnisse, Ressourcennutzung und Nachhaltigkeit zu untersuchen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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