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18.02.2025 | Diversity | Interview | Online-Artikel

Mehr Awareness für LGBTQIA+-Personen

Einen sicheren Raum bieten

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Interviewt wurde:
Niklas Ditsch, Stationsleitung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Niklas Ditsch hat das Netzwerk queer@uke ins Leben gerufen, um queeren Mitarbeitenden einen geschützten Raum zu bieten. Mit seinem engagierten Einsatz für Vielfalt und Diversität überzeugte er die Jury und sicherte sich den 3. Platz beim Nachwuchs-Pflegemanagement Award 2025 in Berlin.

© Toni BorgersNiklas Ditsch, © Toni Borgers

Herr Ditsch, welche Erfahrungen oder Ereignisse haben Sie dazu bewogen, ein queeres Netzwerk zu gründen?

Ditsch: Durch Gespräche mit Kolleg*innen aus verschiedenen Bereichen des Konzerns und unserer Gleichstellungsbeauftragten entstand die Idee, einen Raum für Austausch zu schaffen und gemeinsam an queeren Themen zu arbeiten. Zeitgleich wählte ich das Thema für meine Abschlussarbeit im Rahmen der Weiterbildung zur Stationsleitung. Ich beschäftigte mich intensiv mit den Herausforderungen queerer Arbeitnehmender im Gesundheitswesen und der Rolle von Führungskräften. Dabei stieß ich auf mehrere Untersuchungen, darunter eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2020. Sie ergab, dass knapp 30 % der LGBTQI*-Personen im Arbeitsleben Benachteiligungen erfahren und fast ein Drittel nicht oder nur teilweise gegenüber ihren Kolleg*innen geoutet ist. Gleichzeitig gehört ein offenes Betriebsklima für viele zu den entscheidenden Kriterien bei der Wahl eines Arbeitgebers (de Vries et al. 2020). Gerade im Gesundheits- und Sozialwesen, wo der Anteil queerer Mitarbeitender überdurchschnittlich hoch ist, wurde mir durch diese Erkenntnisse noch deutlicher, wie groß der Bedarf an Austausch und Vernetzung ist. Die wissenschaftlichen Einsichten bestätigten unser Vorhaben und gaben zusätzliche Sicherheit für die Gründung.

Können Sie uns einen Einblick in die Vision und den Kern des Projekts „queer@uke“ geben? Was macht es so einzigartig?

Ditsch: Das UKE engagiert sich seit Jahren aktiv für Diversität. Bereits 2013 haben wir die Charta der Vielfalt unterzeichnet, seit 2020 haben wir eine Vorstandsbeauftragte für Migration, Integration und Anti-Rassismus und eine Diversity-Arbeitsgruppe. 2022 stellten wir uns erstmals dem Pride Audit der UHLALA Group, um die internen Rahmenbedingungen für LGBTQIA+-Personen zu überprüfen. Das Ergebnis: 2023 wurden wir mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Unsere Vision ist es, queeren Mitarbeitenden nicht nur eine Plattform zur Vernetzung zu bieten, sondern auch ihre Anliegen sichtbar zu machen und nachhaltige Veränderungen im UKE mitzugestalten. queer@uke ist einzigartig, da es eine enge Verbindung zu den Werten und der Kultur des UKE schafft: Akzeptanz, Sichtbarkeit und eine vorurteilsfreie Unternehmenskultur. Unser Netzwerk bietet queeren Mitarbeitenden und Allys einen sicheren Raum für Austausch, Unterstützung und Engagement.

Welche konkreten Maßnahmen und Projekte konnten dank „queer@uke“ bereits umgesetzt werden? 

Ditsch: Ein Highlight war die Teilnahme am Christopher Street Day 2024 in Hamburg, bei dem das UKE mit einem eigenen Truck vertreten war. Mit bedruckten T-Shirts, Caps und Beuteln konnten wir auch außerhalb des UKE sichtbar werden und unser Engagement für queere Themen zeigen. Aktuell planen wir mit einer gemeinnützigen Stiftung, die sich auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz spezialisiert hat, einen Workshop. Ziel ist es, unsere nächsten Handlungsschwerpunkte zu definieren und das Netzwerk strategisch weiterzuentwickeln. 2024 wurden wir mit dem 1. Platz des UKE-Gleichstellungspreises ausgezeichnet und konnten dadurch finanzielle Mittel erhalten, um unser Netzwerk weiter auszubauen.

Wie erleben die Projektmitglieder die Bedeutung von „Safe Spaces“?

Ditsch: Unsere Netzwerktreffen finden einmal im Quartal in externen Räumlichkeiten statt. Damit möchten wir insbesondere Menschen ansprechen, die sich vielleicht noch nicht geoutet haben, und ihnen einen geschützten Raum für offene Gespräche bieten. Das bedeutet nicht, dass das UKE kein Safe Space für queere Personen ist – ein Treffen auf dem UKE-Campus könnte aber dazu führen, dass Teilnehmende von Kolleg*innen gesehen werden, wie sie zum Netzwerktreffen gehen und darauf angesprochen werden. Um solche potenziell unangenehmen Situationen zu vermeiden, haben wir uns bewusst für einen externen Ort entschieden.

Wie wird „queer@uke“ von anderen Mitarbeitenden wahrgenommen und welche Rückmeldungen haben Sie von außen erhalten? 

Ditsch: Die Rückmeldungen der Mitarbeitenden sind durchweg positiv. Besonders freut mich, dass sich auch Allys aktiv engagieren wollen – ihre Unterstützung ist essenziell, um eine offene und inklusive Unternehmenskultur zu fördern. Besonders geschätzt wird, dass unsere Treffen in den Räumen einer queeren Organisation stattfinden, was offene Gespräche erleichtert. Dass Hamburg eine weltoffene Stadt ist, hilft zusätzlich – viele neue UKE-Mitarbeitende ziehen gezielt nach Hamburg und finden über unser Netzwerk schnell Anschluss.

Welche langfristigen Veränderungen erhoffen Sie sich durch „queer@uke“ innerhalb und außerhalb des UKE anzustoßen? 

Ditsch: Wir verstehen uns als zusätzliches Angebot und beraten auch gerne bei Themen, die im UKE zu Diversitätsthemen angegangen werden sollen. Es laden sich immer wieder Personen ein, die eine Idee haben und sich unsere Meinung dazu wünschen, genauso laden wir aber auch Gäste ein, wenn wir uns zu einem speziellen Thema austauschen möchten. Ich denke, so kommt man in den Austausch, was ja auch das Ziel eines Netzwerkes ist.

Ich bin gespannt auf unseren Workshop, bei dem wir sicher nochmal viel über uns als Netzwerk und die Weiterentwicklung lernen können. Wir sind auch immer offen, uns mit anderen queeren Netzwerken in Unternehmen auszutauschen und möchten das Thema im UKE noch sichtbarer machen.

Glauben Sie, dass ein queeres Netzwerk für jede Organisation wichtig sein könnte? 

Ditsch: Jede Organisation sollte prüfen, ob ein queeres Netzwerk für sie von Bedeutung ist. Die Initiative zur Gründung sollte idealerweise aus der Mitarbeiterschaft kommen, da ein solches Netzwerk Engagement erfordert. Es trägt nicht nur zur Inklusion bei, sondern stärkt auch die Loyalität der Mitarbeitenden. In einer Organisation wie dem UKE, in der Vielfalt aktiv gelebt wird, war die Gründung eines queeren Netzwerks ein logischer Schritt.

Sehen Sie Ihr Projekt eher als politisches Statement oder als innovativen Ansatz, um gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel zu begegnen? 

Ditsch: Ein queeres Netzwerk kann durchaus eine Magnetwirkung in Unternehmen entfalten. Wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, ist ein offenes Betriebsklima für LGBTQI-Menschen eines der wichtigsten Kriterien bei der Wahl eines Arbeitgebers (de Vries et al. 2020, p. 620). Ein solches Netzwerk sollte jedoch nicht als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel gegründet werden. Mitarbeitende würden schnell merken, wenn die Unternehmenswerte nicht authentisch gelebt werden. Unternehmen, die Vielfalt ernst nehmen, sind daher nicht nur innovativer, sondern auch attraktiver für Talente.

Das Interview führte Benjamin Berger

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Literatur

Vries Lisa de et al.(2020) LGBTQI*-Menschen am Arbeitsmarkt: hochgebildet und oftmals diskriminiert. In: DIW Wochenbericht 87 (36), S. 619-627