In diesem Kapitel kommen Untersuchungen zur Sprache, die belegen sollen, dass Willensfreiheit schlicht eine Illusion ist. Trifft dies zu, wovon namhafte Wissenschaftler durchaus überzeugt sind, würde das unser Leben dramatisch verändern. Doch kann der freie Wille tatsächlich bereits als widerlegt gelten? Wissenschaftliche Erkenntnisse widersprechen dieser Annahme. Bewusste Prozesse der Entscheidungsfindung sind also keineswegs vom Tisch ...
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Auszug aus der Antrittsvorlesung des russisch-britischen Philosophen Isaih Berlin vom 31.10.1958 an der University of Oxford, später veröffentlicht in Berlin 1969, S. 131.
Im Rückgriff auf die drei relevanten Merkmale der Willensfreiheit von Gottfried Seebaß (Freiheit, Willentlichkeit und Urheberschaft; Seebaß 1993, S. 25) benennt der Philosoph und Psychiater Henrik Walter das Anderskönnen, verständliche Gründe und die Urheberschaft als die drei Komponenten der Willensfreiheit (Walter 1998, S. 23 f.), schließt sich später allerdings der Auffassung des Philosophen Michael Pauen (2001) an, neben der Urheberschaft das Autonomieprinzip als Kriterium von Willensfreiheit anzuerkennen (2004, S. 170). Im Gegensatz zu Pauen, der in seiner Minimalkonzeption der Willensfreiheit auf das Kriterium des Anderskönnens verzichtet, behält Walter es jedoch bei. Inzwischen gilt in der Philosophie als weitgehend unumstritten, dass eine Entscheidung die Bedingungen des Anderskönnens, der Autonomie und der Urheberschaft zu erfüllen hat, um als frei zu gelten (vgl. Beckermann 2005).
Kompatibilisten stehen auf dem Standpunkt, dass der freie Wille mit dem Determinismus vereinbar ist. Ihrer Auffassung nach handelt der Mensch frei, wenn er seine Handlung will und auch anders handeln könnte, wenn er anders handeln wollte. Frühe, neuzeitliche Vertreter dieser Denkrichtung waren die Philosophen Thomas Hobbes und David Hume.
Streng genommen gehen Kompatibilisten nur davon aus, dass eine deterministische Welt mit Willensfreiheit zu vereinbaren ist. Ob wir tatsächlich in einer solchen leben, ist für ihre philosophische Position nicht zwingend erforderlich, auch wenn sie dies überwiegend annehmen.
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Erster Teil, 1. Buch, 3. Hauptstück, S. 171–172 der Erstauflage aus 1788. Dazu, dass Kant kein Kompatibilist war, auch wenn er heute von einigen Philosophen gern so betrachtet wird, s. Falkenburg 2012, S. 26 f.
Allerdings bestreiten einige Kompatibilisten, dass der Determinismus alternative Möglichkeiten und damit ein „Anderskönnen“ ausschließt. Ihrer Meinung nach erlaube er Entscheidungs- und Handlungsspielräume durchaus (Vgl. Walter 2018, S. 14). Zu diesen „Spielraumkompatibilisten“ gehören beispielsweise die Philosophen Alfred Ayer, Kadri Vihvelin, Helen Beebee und Alfred Mele. Ihre Beiträge zeigten aber auch, so der deutsche Philosoph Sven Walter, dass man sich bei dem Versuch das „Anderskönnen“ mit dem Determinismus zu vereinbaren, schnell in recht abstrakte metaphysische Fragen etwa zur Natur von Fähigkeiten oder Gesetzen verstricke (2018, S. 19).
Allerdings verglichen die amerikanischen Psychologen William P. Banks und Eve A. Isham bei ansonsten übereinstimmender Versuchsanordnung digitale Uhren mit der „Libet-Uhr“ und stellten je nach Uhrentyp z. T. erhebliche Abweichungen fest. Während die Messung mit der Libet-Uhr einen den Libet-Experimenten entsprechenden Zeitpunkt für das Verspüren des Drangs zur Bewegung von −138 ms angab, lag dieser, sofern eine digitale Uhr mit numerischer Folge verwendet wurde, bei nur −30 s. Wurde hingegen der Zeitpunkt von einer radomisierten, digitalen Uhr abgelesen, betrug er −385 ms. (Vgl. Banks und Isham 2011, S. 56).
Der Begriff Dualismus taucht erstmals bei Christian Wolff in seiner Schrift Psychologia rationalis (1734) auf, um solche Philosophien zu benennen, die zur Erklärung der Welt, basierend auf Materiellem und Immatriellem, zwei fundamental unterschiedliche Grundelemente heranziehen.
Sind Nervenzellen aktiv, steigt ihr Sauerstoffbedarf. Die sie versorgenden Blutgefäße werden weitgestellt, die Blutzufuhr in ihre Umgebung steigt und damit auch der Sauerstoffgehalt des Blutes in dieser Region. Dadurch verändern sich dessen magnetische Eigenschaften, was wiederum in der Magnetresonanztomographie – kurz: MRT – sichtbar gemacht werden kann. Ein solches Bildsignal wird BOLD-Kontrast genannt. BOLD steht als Abkürzung für den englischsprachigen Ausdruck „blood oxygenation level dependent“, was übersetzt so viel wie „abhängig vom Grad der Sauerstoffsättigung“ bedeutet.
Die Informationsphilosophie – Information Philosophy (I-Phi) – bietet für Probleme der Philosophie neue Lösungen an, indem sie Erkenntnisse der modernen Physik, Biologie, Neurowissenschaften und Informationswissenschaften einbezieht. (Quelle: http://www.informationphilosopher.com. Zugegriffen am 28.01.2015).
Hier werden nicht wie beim EEG die elektrischen Hirnströme, sondern die mit ihnen verbundenen Magnetfelder gemessen. Das hat Vor- und Nachteile: Verglichen mit dem EEG erlaubt die Magnetenzephalographie (MEG) eine deutlich bessere räumliche Auflösung bei gleichermaßen vortrefflicher zeitlicher Auflösung, erfordert allerdings kompliziertere und finanziell aufwendigere Messgeräte.
Die Abkürzung LRP leitet sich von „lateralized readiness potential“ ab, dem englischen Begriff für die lateralisierte Komponente des Bereitschaftspotenzials.
Dieser Befund stimmt interessanterweise mit Ergebnissen aus Untersuchungen der beiden Wissenschaftler Judy Trevena und Jeff Miller von der University of Otago, New Zealand, überein, die berichteten, dass bei ihnen sogar viele der Entscheidungszeitpunkte, die von den Versuchsteilnehmern angegeben worden waren, zeitlich vor dem Beginn des LRP lagen. (Trevena und Miller 2002, S. 162).
In einem späteren Experiment untersuchten Schlegel und seine Kollegen am Dartmouth College Versuchsteilnehmer, die sich in Hypnose befanden. Diese führten im Anschluss an eine posthypnotische Suggestion Bewegungen durch, ohne dass ihnen bewusst wurde, selbst eine Entscheidung dazu getroffen zu haben. Sie waren, so die Autoren, „without subsequent feeling of conscious will“. Nichtsdestotrotz ging ihren Bewegungen beides, sowohl ein typisches Bereitschaftspotenzial als auch dessen lateralisierte Komponente, voraus. Dieses Ergebnis mache, so Schlegel und Mitarbeiter, ebenfalls deutlich, dass sich beide Potenziale, tatsächlich unabhängig von „W“ ereigneten (Schlegel et al. 2015, S. 199).
Hierbei handelt es sich um das Modell eines wiederaufladbaren Speichers für elektrische Energie, dessen Ladeverhalten über einen stochastischen Prozess gestaltet wird, der nicht genau vorhersagbar ist, sondern auf einer gewissen Wahrscheinlichkeit beruht.