Die Folgen des durch den Menschen verursachten Klimawandels durch den kontinuierlichen Anstieg der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) werden immer offensichtlicher. Wissenschaftlicher Konsens besteht darüber, dass die Erderwärmung real ist, dass sie gefährlich und für viele Lebewesen, einschließlich den Menschen tödlich ist. Allerdings können, ja müssen wir etwas dagegen tun. Wenn man bedenkt, dass in westlichen Ländern fünf bis zehn Prozent der Treibhausgasemmissionen durch den Gesundheitssektor verursacht werden, sehen wir es als Verantwortliche und Mitarbeiter in einem großen Krankenhaus als unsere Aufgabe beziehungsweise moralische Verpflichtung an, Schwerpunkte zu setzen, um den sogenannten CO2-Fußabdruck in unserem Wirkungsbereich zu reduzieren.
Warnung von Weltklimarat und dem Papst
Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel of Climate Change) warnt in seinem aktuellen Bericht vom Februar 2022 vor Untätigkeit in Bezug auf die Erderwärmung. „Dieser Bericht ist eine eindringliche Warnung vor den Folgen der Untätigkeit“ — sagte Huesung Lee, Vorsitzender des IPCC. „Er zeigt, dass der Klimawandel eine ernsthafte und zunehmende Bedrohung für unser Wohlergehen und einen gesunden Planeten darstellt. Unser heutiges Handeln wird iStockprägen, wie sich Menschen anpassen und die Natur auf zunehmende Klimakrisen reagiert.“ Auch Papst Franziskus warnte in seiner Rede vom 3. April 2022: „Wenn es so weitergeht wie bisher, werden unsere Kinder nicht mehr auf unserem Planeten leben können.“ Sich nicht um das Klima zu kümmern, sei eine „Sünde gegen Gottes Geschenk — die Schöpfung“.
Besonders gefährlich bei weiterer Klimaerwärmung ist das Überschreiten der sogenannten Kippelelemente, wie das Schwinden des ewigen Eises, Auftauen der Permafrostböden, Verlust des Regenwaldes sowie die Erwärmung und Übersäuerung der Weltmeere. Abgesehen vom Artensterben sind bedingt durch Dürre, Stürme, Überschwemmungen und Hitzewellen die gesundheitlichen Auswirkungen katastrophal. Krankheiten wie Malaria oder Dengue Fieber breiten sich von den Tropen Richtung Mitteleuropa aus.
Außerdem kommt es derzeit wieder bedingt durch Pandemie, Krieg und Erderwärmung zu einem Anstieg der Hungerkatastrophen, von welchen insbesondere Frauen und Kinder betroffen sind.
Maßnahmen im LKH Villach
Um der Nachhaltigkeit in unserem Wirkungsbereich gerecht zu werden, gründeten wir im LKH Villach ein sogenanntes Green Team, bestehend aus Mitarbeitern im Bereich Medizin, Pflege und Verwaltung. Als eine der ersten Maßnahmen organisierten wir einen Ideenwettbewerb zum Thema Nachhaltigkeit mit der Fragestellung „Was können wir im LKH Villach für die Umwelt tun?“. Inkludiert in die Ideensammlung war ein vom Betriebsrat unterstütztes Preisausschreiben mit der Verlosung von fünf Preisen, wobei sich der Gewinner des Hauptpreises über ein City Bike freuen durfte. Unter den von Mitarbeitern vorgeschlagenen Maßnahmen sind folgende hervorzuheben:
Installationen von Photovoltaikanlagen, Begrünung von Dachflächen und Wänden, massive Reduktion des Plastikmülls, Verringerung des Lebensmittelverwurfes, Ermöglichen von mehr Homeoffice, gesunde Jause, Installation von Bewegungsmeldern, Etikettierung von Lichtschaltern mit dem Hinweis Strom zu sparen, Reduktion inhalativer Anästhetika durch Niedrigflussnarkosen und Etablierung von Recycling Systemen, verpflichtende Umweltschutz-Beratung ähnlich der Brandschutzunterweisung, Umstellung sämtlicher Drucker auf beidseitigen Druck, Einstellung eines „Klimaportiers“, Begrünung von Schotterflächen, Einmalmaterialen überdenken, Mülltrennung weiter forcieren, Errichtung eines Elektrofuhrparks, Reduktion des Ausdrucks von Befunden, Park & Ride Parkplätze, Beendigung des Aqua Pack zur Befeuchtung des Sauerstoffes, Motivation der Mitarbeiter zum Umstieg auf das Fahrrad, wann immer möglich, regelmäßiges Löschen von E-Mails, Papier nicht mehr in Plastiksäcken entsorgen, Umstellung der Dienstkleidung auf Global Organic Textile Standard (GOTS), Ankauf von Elektrofahrrädern für Mitarbeiter, Anlegung von Blumenwiesen — und noch einiges mehr.
Das Green Team trifft sich einmal pro Monat und versucht jeweils konkrete Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Fußabruckes des Landeskrankenhauses Villach umzusetzen.
Anästhesie und Intensivmedizin
Von den hohen Treibhausgasemmissionen des Gesundheitssektors entfallen 50 Prozent auf den Intensiv- bzw. operativen Bereich und hiervon wiederum 35 Prozent auf die inhalativen Anästhetika. Die Narkosegase sind seit vielen Jahrzehnten bewährte und für unsere Patienten äußerst sichere Anästhetika. Sie sind allerdings Fluorkohlenwasserstoffe und dadurch hochpotente Treibhausgase. Im Kyoto-Protokoll von 2005 wurde eine Reduktion halogenierter Kohlenwasserstoffe vereinbart und in Kigali wurde 2016 ein weltweiter Verzicht bis zum Jahre 2035 unterzeichnet. Die volatilen Anästhetika wurden jedoch als medizinische Substanzen von diesem Protokoll ausgenommen. Die Narkosegase sind auch die einzigen halogenierten Kohlenwasserstoffe, die in der Atmosphäre in steigender Konzentration nachweisbar sind. Erstaunlicherweise sind sie sogar über der Antarktis nachweisbar.
„Wenn es so weitergeht wie bisher, werden unsere Kinder nicht mehr auf unserem Planeten leben können.“
Weltweit werden mit vereinzelten Ausnahmen, die während einer Operation von den Patienten ausgeatmeten Narkosegase, mit hohem Energieaufwand in die Atmosphäre emittiert. Problematisch ist hier die Verweildauer, so hat Sevofluran eine atmosphärische Verweildauer von 1,1 Jahren, Desfluran sogar von 14 Jahren, das bedeutet, der Treibhauseffekt bleibt für lange Zeit bestehen. Der Beitrag eines Treibhausgases zur Erderwärmung wird mittels Global Warming Potential (GWP) angegeben, wobei CO2 als Bezugsgröße dient. So beträgt die GWP für Sevofluran 130 und für Desfluran 2500. Özelsel et al. haben die erderwärmende Potenz über ein Jahr berechnet und als Kilometeräquivalent eines durchschnittlichen Autos angegeben. So entspricht eine siebenstündige Narkose mit einem eingestellten Frischgasfluss von einem Liter einer Fahrt von 1.500 Kilometern, bei einer Narkose mit Desfluran sind es knapp 8.000 Kilometer, bei einem Frischgasfluss von zwei Litern verdoppeln sich die Kilometeräquivalente und würden bei einer Desfluran-Anästhesie einer Fahrt vom Nordkap in Norwegen bis nach Kapstadt in Südafrika entsprechen.
„Die Etablierung eines Green Teams zur Forcierung der Nachhaltigkeit in Gesundheitseinrichtungen ist eine zeitgemäße, äußerst sinnvolle und für künftige Generationen auch überlebensnotwendige Maßnahme.“
Erst in jüngster Zeit ist in den Operationssälen das Umweltbewusstsein gestiegen. Es wird versucht, mittels Reduktion des Frischgasflusses und modernen Narkosemaschinen, die Menge der emittierten volatilen Anästhetika zu reduzieren. Neu ist die Möglichkeit, mittels Kohlefiltern die Narkosegase überhaupt nicht mehr mit hohem Energieaufwand in die Atmosphäre zu emittieren, sondern sie zu absorbieren und in weiterer Folge zu recyceln.
Unser Green Team im LKH Villach hat sich mit Unterstützung durch das Direktorium dieser sinnvollen Maßnahme angenommen und sie seit März diesen Jahres umgesetzt. Nach relativ einfachen Umbauarbeiten bei geringem Kostenaufwand wird das bei uns eingesetzte Sevofluran nicht mehr mit hohem Energieaufwand emittiert, sondern in einem Filter, bestehend aus Aktivkohle mit hoher Speicherkapazität, adsorbiert. In weiterer Folge kann das adsorbierte Narkosegas wiedergewonnen und recycelt werden.
Fazit
Die Etablierung eines Green Teams zur Forcierung der Nachhaltigkeit in Gesundheitseinrichtungen ist eine zeitgemäße, äußerst sinnvolle und für künftige Generationen auch überlebensnotwendige Maßnahme. Ein Spruch sagt „aus kleinen Schritten werden große Schritte“. Mit dem Recycling der Narkosegase ist uns ein relativ großer Schritt gelungen. Ebenso wichtig erscheint uns aber die Etablierung nachhaltigen Denkens und Handelns in unseren Gesundheitseinrichtungen. Empfehlenswert sind aus unserer Erfahrung Mitarbeiterbefragungen. Erstens wird dadurch das Bewusstsein für ein wichtiges Thema geschärft und außerdem kommen sehr viele gute und auch umsetzbare Ideen an das Tageslicht. Wesentlich erscheint ein aktives, interdisziplinäres Team, das Verbesserungsvorschläge umsetzt. So ist es uns in relativ kurzer Zeit gelungen, Vorschläge aus dem Ideenwettbewerb umzusetzen. Abgesehen von positiven Effekten für die Umwelt ist eine Gesundheitseinrichtung, die dem aktuellen Thema Nachhaltigkeit ein entsprechendes Gewicht widmet, insbesondere für junge Kollegen attraktiv und kann dadurch das Recruiting der so dringend benötigten Mitarbeiter verbessern.
Wir hoffen, dass in naher Zukunft möglichst viele Gesundheitseinrichtungen es als ethische Verpflichtung empfinden, den CO2-Fußabruck zu reduzieren.
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