Um eine grenzüberschreitende Notfallversorgung zwischen Deutschland und Polen zu etablieren, ist die Einbeziehung aller Stakeholder notwendig. Diese Forschungsarbeit erfasste erstmalig die Akzeptanz zur Versorgung durch einen ausländischen Rettungsdienst aus Bevölkerungsperspektive.
An der qualitativen Befragung nahmen insgesamt 422 Personen aus Deutschland und Polen teil. Die strukturierten Interviews wurden mithilfe eines Befragungsleitfadens durchgeführt, elektronisch dokumentiert und für weitere Analysen kategorisiert.
99 % der deutschen Befragten und 97 % der polnischen Befragten waren dazu bereit, sich in einem medizinischen Notfall auch von einem Rettungsdienst des Nachbarlandes versorgen zu lassen, wenn dieser schneller bei ihnen sein kann als der heimische Rettungsdienst. Darüber hinaus konnten zahlreiche Herausforderungen erfasst werden, die die Interaktion zwischen dem Rettungsteam und den Betroffenen erschweren können. Hierbei wurden vor allem Sprachbarrieren, Unsicherheiten zur Finanzierung der Behandlungskosten und unterschiedliche medizinische Standards genannt. Um diesen Herausforderungen entgegenzuwirken, formulierte ein Großteil der Befragten mögliche Lösungsansätze.
Trotz der Herausforderungen, die mit einer grenzüberschreitenden Notfallversorgung einhergehen können, sind über 97 % der Befragten dazu bereit, sich auch von einem ausländischen Rettungsdienst versorgen zu lassen. Eine schnelle Versorgung wird von den Befragten deutlich höher priorisiert als die damit verbundenen Herausforderungen.
Die präklinische Versorgung zwischen Deutschland und Polen beschränkt sich derzeit auf das Umladen von Betroffenen an der Staatsgrenze. Ein Ziel der Europäischen Union ist die Freiheit und die Sicherheit der Bevölkerung in einem Raum ohne Binnengrenzen. Um dies zu erreichen, muss ebenso die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Rettungsdiensten analysiert und verbessert werden. Um die Akzeptanz zur grenzüberschreitenden Rettung aus Bevölkerungsperspektive zu erfassen, wurden Personen auf beiden Seiten der deutsch-polnischen Grenze befragt.
Hintergrund und Fragestellung
Bei der präklinischen Versorgung von Betroffenen sind lokale, nationale und internationale Leitlinien zu beachten. Zusätzlich können auch zwischenmenschliche Herausforderungen die Interaktion zwischen Rettungsteams und der zu behandelnden Person hemmen. Nur wenn Betroffene bei medizinischen Notfällen in der Grenzregion auch dazu bereit sind, sich von Rettungsteams des Nachbarstaats versorgen zu lassen, können Synergieeffekte genutzt werden. Aufgrund des demografischen Wandels, der zunehmenden Verflechtung der Gesellschaften über die Staatsgrenzen hinweg sowie des wachsenden Tourismus in der deutsch-polnischen Ostseeregion entwickeln sich zunehmend Herausforderungen für den Rettungsdienst [1, 2].
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Der Betrieb des polnischen Rettungsdiensts wird in einem Woiwodschaftsplan festgeschrieben. Er umfasst beispielsweise die Anzahl und die Verteilung von Einheiten des Rettungsdiensts, die Bestimmung der Einsatzgebiete sowie die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen der öffentlichen Verwaltung und Rettungsdiensten aus anderen Woiwodschaften. Insgesamt gibt es in Polen 16 Woiwodschaften (Verwaltungsbezirke), diese sind mit den Bundesländern in Deutschland vergleichbar. Eine Ausnahme stellen die fliegenden Einheiten des Rettungsdiensts dar, welche direkt mit dem Gesundheitsministerium verhandelt werden [3].
Während eines Einsatzes wird das Rettungsteam vom zuständigen Disponenten betreut. Voraussetzung für die Arbeit als Rettungssanitäter*in ist in Polen der Abschluss eines Bachelorstudiums. Falls eine medizinische Weiterversorgung notwendig ist, erfolgt der Transport der Betroffenen mit Krankenkraftwagen, deren Ausstattung durch die Europäische Norm EN 1789 vorgegeben wird [3].
Das Ziel der vorliegenden Studie war es herauszufinden, inwieweit die in der Grenzregion lebende Bevölkerung bereit ist, sich in medizinischen Notfällen vom Rettungsdienst des jeweiligen Nachbarlandes versorgen zu lassen, wenn dieser schneller eintreffen kann als der heimische Rettungsdienst. Zusätzlich sollten Erfahrungen und Herausforderungen aus Bevölkerungsperspektive erfasst werden, die mit einer grenzüberschreitenden Notfallrettung einhergehen können.
Trotz der Kooperationsvereinbarung der Regionen Vorpommern-Greifswald und Westpommern aus dem Jahr 2020 ist zum jetzigen Zeitpunkt nur eine sehr eingeschränkte grenzüberschreitende Rettung zwischen Deutschland und Polen gegeben [4]. Eine unzureichende notfallmedizinische Versorgung kann für die Bevölkerung jedoch zu einem Wohlfahrtsverlust führen [5]. Dieser ist zum Teil vermeidbar und ließe sich durch die Verbesserung der grenzüberschreitenden Notfallversorgung vermindern. Aufgrund der Vielzahl von Stakeholdern in der Notfallmedizin gilt es, die jeweiligen Erwartungen der Anspruchsgruppen zu berücksichtigen [6].
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Die durchgeführte Befragung trägt einen Teil dazu bei, indem sie auf die Anspruchsgruppe der potenziellen Patienten und Patientinnen eingeht. Nur wenn die Behandlung durch Rettungsteams des Nachbarstaats in einem medizinischen Notfall von den Betroffenen akzeptiert und gewünscht ist, kann eine grenzüberschreitende Notfallrettung funktionieren.
Die Studie erfolgte im Rahmen des Forschungsprojekts Mehrschichtige Ansätze zur grenzüberschreitenden Kommunikation und Kooperation in der Notfallmedizin (GeKoM). Das Ziel liegt dabei in der Verbesserung der grenzüberschreitenden Notfallversorgung zwischen Deutschland und Polen [7]. Durch die Kooperationsvereinbarung sind die rechtlichen Voraussetzungen gegeben, allerdings sind weiterhin infrastrukturelle Anpassungen und die Vernetzung aller Stakeholder zur Umsetzung nötig.
Methodik
Datenerhebung
Als Datenerhebungstechnik wurde die mündliche Befragung angewandt. In dieser asymmetrischen Kommunikationssituation, die mit einer klaren Rollenverteilung einherging, konnten sowohl quantitative als auch qualitative Fragen gestellt werden [8]. Die Auswahl der Befragten erfolgte zufällig durch die Interviewer. Zur Durchführung wurden deutsche und polnische Befragungsleitfäden erarbeitet, die sowohl aus quantitativen als auch aus qualitativen Elementen bestanden.
Die Befragungen fanden in den Städten Greifswald, Wolgast (Deutschland) und Stettin (Polen) statt und zielten ausschließlich auf Laien ab, um deren persönliche Erfahrungen und Sichtweisen zu erfassen. Im deutschen Grenzgebiet erfolgte die Befragung von Mai bis Juni 2022. In der Stadt Stettin von Juni bis November 2022. Die Antworten der Teilnehmenden wurden dabei elektronisch dokumentiert.
Aufbau des Befragungsleitfadens
Die angesprochenen Personen wurden durch eine Begrüßung und eine kurze Einführung des Themas zur Teilnahme animiert. Des Weiteren wurden die Teilnehmenden über die voraussichtliche Bearbeitungszeit der Umfrage von drei Minuten informiert und darauf hingewiesen, dass die Daten anonym erhoben würden. Der Leitfaden lässt sich thematisch in drei Abschnitte unterteilen (s. Zusatzmaterial online).
Im ersten Abschnitt wurden sozioökonomische Daten erfasst: das Geschlecht, der Wohnort in Form des Bundeslandes beziehungsweise der Woiwodschaft und die Altersgruppe. Der zweite Abschnitt des Leitfadens erfragte die eigenen Erfahrungen mit einem Rettungsdienst des Nachbarlandes und die Bereitschaft, sich von diesem behandeln zu lassen.
Im Mittelpunkt der Interviews stand die Erhebung, ob sich die Befragten in einem medizinischen Notfall auch von einem Rettungsdienst des Nachbarlandes versorgen lassen würden, wenn dieser schneller bei ihnen sein könnte als ein heimisches Rettungsteam. Weiterführend das Erkenntnisinteresse, ob sich die Teilnehmenden von dem Rettungsteam auch in ein Krankenhaus des Nachbarlandes bringen lassen würden, wenn dies schneller zu erreichen wäre als ein heimisches Krankenhaus. Die jeweiligen Antwortmöglichkeiten waren Ja und Nein.
Im letzten Abschnitt des Interviews wurden zwei Fragen offen formuliert, die mögliche Herausforderungen der grenzüberschreitenden Notfallversorgung thematisierten. Hier hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, individuelle Gedanken frei zu formulieren und gegebenenfalls zu erläutern. Falls die Teilnehmenden hierbei Herausforderungen äußerten, wurden sie zum Ende der Befragung ermutigt, Lösungsvorschläge zu geben, wie man diesen entgegenwirken könnte.
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Datenaufbereitung und Datenauswertung
Aufgrund der digitalen Dokumentation der Interviews war es möglich, die Daten zu exportieren und in die Softwareplattform IBM SPSS 25 zu integrieren. Zunächst erfolgte hierbei eine Bereinigung, Kategorisierung und Clusterung der quantitativen Ergebnisse anhand der Variablenübersicht. Daraufhin konnten die absoluten und relativen Häufigkeiten der Antworten in einer Auswertungsdatei zusammengefügt werden. Diese bildete die Grundlage für die spezifischen Auswertungen und Abbildungen zur Beantwortung der Forschungsfragen.
Die Umfrageergebnisse der qualitativen Fragen wurden getrennt ausgewertet. Dabei erfolgte die Kategorisierung der Antworten zur jeweiligen Fragestellung, wobei jegliche Antworten der Befragten beachtet wurden. Aufgrund des niedrigen Forschungsstands zum Thema der grenzüberschreitenden Notfallrettung erfolgte eine induktive Kategorisierung aus den gegebenen Antworten selbst. Dabei wurden die Antworten gesichtet und dazu passende Kategorien festgelegt. Die Kategoriebezeichnungen wurden so klar wie möglich formuliert, um eine sonst zusätzlich notwendige Definition der Kategorien zu vermeiden.
Im Prozess der Kategorisierung wurde die Antwort der Befragten gelesen und mindestens einer Kategorie zugeordnet. Aufgrund der bewusst im Plural gewählten Formulierungen gab es Personen, die mehrere Herausforderungen und Lösungsvorschläge nannten. In diesem Fall konnte die Antwort auch mehrfach kategorisiert werden.
Der letzte Schritt im Prozess der Datenaufbereitung war die Quantifizierung. Dabei wurde die Anzahl der Antworten jeder Kategorie durch eine Häufigkeitszählung ermittelt. Die Daten konnten anschließend mithilfe von quantitativen Verfahren, beispielsweise in Form einer Häufigkeitstabelle, und qualitativen Verfahren, mitunter durch einen qualitativ-interpretativen Blick auf die einzelnen Antworten in einer Kategorie, ausgewertet werden. Auf diese Weise können statistische Analysen auf Basis von Häufigkeiten durch eine interpretative Analyse der Antworten ergänzt werden.
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Ergebnisse
Sozioökonomische Daten
An der Befragung nahmen in beiden Ländern jeweils 211 Personen teil. Davon waren in Deutschland 93 Personen männlich und 118 Personen weiblich. In Polen waren es 74 männliche Personen und 112 weibliche Personen. 25 Personen wollten ihr Geschlecht nicht näher spezifizieren.
In Deutschland waren Befragte aus allen Bundesländern vertreten, wobei Personen aus Mecklenburg-Vorpommern mit 160 den größten Anteil ausgemacht haben. In Polen waren Personen aus zehn Woiwodschaften vertreten, am stärksten aus Westpommern (63 Personen).
Die Altersgruppen wurden in die vier Bereiche 18–29 Jahre, 30–49 Jahre, 50–65 Jahre sowie Personen über 65 Jahre unterteilt. In beiden Befragungen waren Personen jeder Altersgruppe vertreten (Tab. 1).
Tab. 1
Verteilung der Altersgruppen
Deutschland
Polen
Gesamt
Altersgruppe
18–29 Jahre
56
78
134
30–49 Jahre
54
72
126
50–65 Jahre
51
33
85
Über 65 Jahre
50
28
77
Gesamt
–
211
211
422
Bereitschaft zur Versorgung durch den polnischen Rettungsdienst
Die erste Frage zur grenzüberschreitenden Notfallversorgung stellt die Frage 4 des Leitfadens dar. Dabei sollten die Teilnehmenden beantworten, ob sie selbst schon einmal von einem Rettungsdienst des Nachbarlandes behandelt worden waren. Diese Frage wurde in Deutschland von einer Person und in Polen von elf Personen mit Ja beantwortet.
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Frage 5 thematisiert die medizinische Erstversorgung und erfragt, ob sich die Person in einem medizinischen Notfall von einem Rettungsdienst des Nachbarlandes versorgen lassen würde, wenn dieser schneller bei ihr sein kann als ein heimisches Rettungsteam. Diese Frage wurde auf deutscher Seite von 209 Personen und auf polnischer Seite von 205 Personen mit Ja beantwortet.
Frage 6 geht auf die weiterführende medizinische Versorgung ein und ermittelt, ob sich die Person in einem medizinischen Notfall auch in ein Krankenhaus des Nachbarlandes bringen lassen würde, wenn dieses schneller zu erreichen wäre als ein heimisches Krankenhaus. Diese Frage wurde von 158 Deutschen und 198 Polen mit Ja beantwortet.
Herausforderungen
Auf die Frage zu möglichen Herausforderungen, die sich bei der Versorgung durch ein Rettungsteam des Nachbarlandes ergeben können, wurden im deutschen Grenzgebiet vor allem Sprachbarrieren von 162 Personen als mögliche Herausforderung genannt. Die Übernahme der Behandlungskosten durch die heimische Krankenkasse stellt für 52 Personen eine mögliche Herausforderung dar. 35 Personen hingegen konnten keine Herausforderungen formulieren. 25 Personen gaben unterschiedliche medizinische Standards an. 43 Personen nannten sonstige Herausforderungen (Abb. 1). Insgesamt wurden 20 verschiedene Kategorien von möglichen Herausforderungen erfasst.
Abb. 1
Herausforderungen aus der Befragung nach Kategorien
×
Im polnischen Grenzgebiet wurden von 98 Personen Sprachbarrieren als mögliche Herausforderung genannt. 97 Personen konnten keine subjektiven Herausforderungen nennen. 32 Personen brachten die Kostenübernahme durch die Krankenkasse an. Fünf Personen nannten sonstige Herausforderungen (Abb. 1). Insgesamt wurden acht verschiedene Kategorien von möglichen Herausforderungen erfasst.
Mögliche Lösungsansätze, wie man den genannten Herausforderungen entgegenwirken kann, sehen die Befragten im deutschen Grenzgebiet mit jeweils 60 und 59 Personen im Ausbau der deutschen und englischen Sprachkenntnisse innerhalb des Rettungsteams. 58 Personen können keine Ideen zu möglichen Lösungsansätzen äußern. Zu diesen Personen zählen Befragte, welche keine Herausforderungen genannt haben oder zu ihren genannten Herausforderungen keine Lösungsansätze formulieren konnten (Abb. 2). Insgesamt wurden 27 verschiedene Kategorien von möglichen Lösungsansätzen erfasst.
Abb. 2
Lösungsansätze aus der Befragung nach Kategorien
×
In der polnischen Befragung konnten 132 Personen keine Lösungsansätze nennen. 37 Personen äußerten polnische Sprachkenntnisse im Rettungsteam als Lösungsansatz. 24 Personen können sich die Nutzung digitaler Übersetzer vorstellen (Abb. 2). Insgesamt wurden 15 verschiedene Kategorien von möglichen Lösungsansätzen erfasst.
Diskussion
Aus den Interviews geht hervor, dass nur ein sehr kleiner Teil der befragten Personen in der Vergangenheit von einem ausländischen Rettungsdienst auf heimischem Staatsgebiet behandelt wurde. Jedoch gaben in Deutschland 99 % und in Polen 97 % der Befragten an, sich in einem medizinischen Notfall auch von einem ausländischen Rettungsdienst versorgen zu lassen, wenn dieser schneller bei ihnen sein kann als ein heimisches Rettungsteam.
Eine sehr häufig formulierte Herausforderung ist die Finanzierung der Behandlungskosten. Viele der Befragten waren sich dabei unsicher, ob diese durch die jeweilige Krankenversicherung auch übernommen wird, wenn die Betroffenen von einem ausländischen Rettungsdienst versorgt oder in ein Krankenhaus des Nachbarlandes gebracht werden. Tatsächlich stellt diese Unsicherheit bei den Befragten aufgrund der europäischen Krankenversicherung in der Realität keine Herausforderung dar [9]. Hierzu werden von einigen Befragten eine bessere Informationsvermittlung und mehr Transparenz gefordert.
Aus der Kooperationsvereinbarung zu grenzüberschreitenden Rettungseinsätzen geht nicht hervor, dass deutsche Betroffene nach einem Unfall auf deutschem Staatsgebiet auch in eine medizinische Einrichtung in Polen transportiert werden können, wenn diese schneller erreichbar ist. Dieses Szenario sollte jedoch zusätzliche Beachtung finden. Gerade in der Urlaubssaison kann der Weg in eine polnische Einrichtung unter Umständen schneller zurückgelegt werden als in eine medizinische Einrichtung in Deutschland. Unabhängig davon, ob die Person von deutschen oder von polnischen Rettungskräften transportiert wird, könnten zeitliche Ressourcen eingespart werden. Schließlich kann in der medizinischen Notfallversorgung die Zeitersparnis von wenigen Minuten bereits einen erheblichen Einfluss auf das Outcome der Behandlung des Betroffenen haben [4].
Die Ergebnisse der Befragung bestätigen die Erkenntnisse einer aktuellen Studie aus der Maas-Rhein-Region, in der die grenzüberschreitende medizinische Versorgung zum Teil seit 1994 auf kommunaler Ebene geregelt ist. Daraus geht unter anderem hervor, dass eine höhere Transparenz auf nationaler und eine Verbesserung der technischen Systemkompatibilität auf internationaler Ebene die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter verbessern können. Dies zeigt auf, dass auch nach der Etablierung einer Kooperation eine stetige Evaluation der Zusammenarbeit notwendig ist [10, 11].
Aus einer Anfrage beim Landkreis Vorpommern-Greifswald im Oktober 2022 zur bestehenden Kooperationsvereinbarung wird deutlich, dass es sich bei dieser bisher um ein bloßes Arbeitspapier handelt, für dessen Umsetzung noch infrastrukturelle Anpassungen notwendig sind. Beispielsweise wurden die Leitstellendisponenten, die sich in einer Schlüsselposition für kooperative Rettungseinsätze befinden, bisher nicht für diesen Einsatz geschult. Demnach kann keine in der Vereinbarung festgelegte grenzüberschreitende Kommunikation in der englischen Sprache erfolgen. Um die noch notwendigen infrastrukturellen Anpassungen zu koordinieren und umzusetzen, bestehe eine deutsch-polnische Arbeitsgruppe1.
Limitationen
Die Ergebnisse der Studie können durch verschiedene Faktoren beeinflusst worden sein.
Je größer die Studienpopulation ist, umso eher ist ein Repräsentativitätsschluss möglich. Bei der Stichprobengröße von 422 Personen kann zwar ein Meinungsbild erhoben werden, allerdings ist mit den Ergebnissen keine Generalisierung auf die Grundgesamtheit möglich. Um auf die Grundgesamtheit schließen zu können, sollte die Studienpopulation und das Befragungsgebiet innerhalb der Grenzregion vergrößert werden.
Die geschlossenen Fragen begründen ihr Defizit durch die einhergehende Verzerrung aufgrund von vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Die Teilnehmenden konnten nur zwischen den Antwortmöglichkeiten wählen, die vorhanden waren. Das vereinfacht die Auswertung, kann aber die Befragten unter Druck setzen.
Die offenen Fragen sollen die Teilnehmenden zur freien Beantwortung animieren. Um die vielschichtigen Antworten anschließend statistisch auswerten zu können, ist eine Kategorisierung notwendig. Dies führt unter Umständen zu einem Informationsverlust, da die individuellen Antworten festen Kategorien zugeteilt werden. Dieser Informationsverlust wurde gering gehalten, indem jeder Antwort, die aus verschiedenen inhaltlichen Aspekten bestand, auch mehrere Kategorien zugeteilt wurden.
Ein Interviewereffekt kann zur Verzerrung der Befragung führen, indem die Befragungsperson durch Merkmale des Interviewers beeinflusst wird [12]. Zusätzlich zu diesem Effekt nimmt die durchführende Person die schlussendliche Auswahl der Befragten vor. Letztendlich handelt es sich dementsprechend um keine reine Zufallsauswahl von Personen für die Befragung.
Ausblick
Die Rettungsdienste beider Staaten kooperierten in den letzten Jahren zwar miteinander, allerdings nur in Form einer Übergabe und Übernahme der Betroffenen an der Grenze. Um die grenzüberschreitende Notfallrettung wie in der Kooperationsvereinbarung umsetzen zu können, müssen zeitnah die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden. Hierzu zählen beispielsweise die Abschlüsse im Grenzgebiet gültiger Haftpflichtversicherungen der Leistungserbringer, die Bereitstellung grenzüberschreitender Telekommunikationsmittel und die Standardisierung der in der Vereinbarung definierten Durchführung der Rettungseinsätze. Das Ziel sollte dabei eine dauerhafte und funktionsfähige Vernetzung der Rettungsdienststrukturen sein, um medizinische und ökonomische Synergieeffekte zu nutzen.
Das Projekt GeKoM vereint mit interkulturellen Sprach- und Simulationstrainings bereits Ansätze, die von Befragten als Lösungsvorschläge für Sprachbarrieren genannt wurden [7]. Diese Trainings gilt es weiterhin auszubauen und die Kompetenzen der Teilnehmer in den unterschiedlichen Sprachen zu stärken. Damit dies auch nachhaltig einen Nutzen bringt, müssen die erworbenen Kompetenzen in realen Einsätzen geübt und wiederholt werden. Nur wenn für die Mitarbeiter ein praktischer Nutzen des Lernens ersichtlich ist, kann die Motivation zum Ausbau der Ressourcen aufrechterhalten werden [13].
Nur durch weitere Forschung, die Einbeziehung aller Stakeholder und eine intensive Zusammenarbeit kann sich nachhaltig eine funktionstüchtige präklinische Notfallversorgung grenzüberschreitend etablieren und der Wohlfahrtsverlust verringert werden.
Fazit für die Praxis
Die Akzeptanz zur Versorgung durch einen Rettungsdienst des Nachbarlandes ist in der Studienpopulation sehr hoch.
Aus Bevölkerungsperspektive können insbesondere Sprachbarrieren zwischen dem Rettungsteam und den Betroffenen während der Behandlung eine Herausforderung darstellen.
Die Etablierung der grenzüberschreitenden Notfallversorgung zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Polen ist von notwendigen infrastrukturellen Anpassungen abhängig, die es schnellstmöglich umzusetzen gilt.
In der bestehenden Kooperationsvereinbarung ist die grenzüberschreitende Luftrettung gänzlich unbeachtet. Diese ist für eine ganzheitliche Notfallrettung jedoch elementar und muss zukünftig ebenfalls koordiniert werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J. Bäßler, J. Orsson, J. Kuntosch und S. Fleßa geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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