01.05.2016 | Leserbriefe
Akademische Betrachtung der längenbezogenen Gewichtsschätzung darf die klinische Anwendung nicht aus den Augen verlieren
Erschienen in: Notfall + Rettungsmedizin | Ausgabe 3/2016
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Mit großem Interesse haben wir die vergleichende Untersuchung der längenbezogenen Gewichtsschätzung des Broselow®-Tape (BT) und des Pädiatrischen Notfalllineals® (PädNFL®) gelesen [7]. Alleine für die Beschäftigung mit diesem wichtigen Themenbereich gebührt den Autoren Dank. Mit beeindruckender akademischer Gründlichkeit ist von den Autoren der vorliegenden Arbeit die Gewichtsanalyse vollzogen worden. Jedoch haben die Autoren hierbei die Intention der beiden Lineale aus den Augen verloren. Weniger geht es um die alleinige Schätzung des Gewichts zum Selbstzweck, sondern vielmehr um die Verhinderung lebensbedrohlicher Dosierungsfehler bei der Versorgung pädiatrischer Notfallpatienten. Mit erschreckender Häufigkeit kommt es dabei zu lebensbedrohlichen Medikamentenfehlern bei pädiatrischen Notfallpatienten, denn alleine durch die falsche Positionierung eines Kommas entsteht ein Fehler in einer 10er-Potenz, das heißt, die verabreichte Dosis stellt 1000 % der empfohlenen Dosis dar. Selbst in einer spezialisierten Kindernotaufnahme kam es bei einer simulierten Reanimation durch Spezialisten für Kindernotfallmedizin in 3 % aller Verordnungen zu einem Fehler in einer 10er Potenz [8]. Bei der Gabe von Adrenalin ist solch ein Fehler lebensgefährlich. Eine Untersuchung, bei der eine Gruppe von Kindern unter Reanimation durchgehend Dosen von Adrenalin mit 10 µg/kg KG erhalten hatte und die Vergleichsgruppe auf eine „Hochdosis“ mit 100 µg/kg KG gesteigert wurde, hat von der letzteren Gruppe kein Kind überlebt [9]. Alle internationalen Reanimationsleitlinien warnen explizit davor, eine derartige Dosis zu verabreichen [3, 6], die in Bezug auf die empfohlene Dosis von 10 µg/kg einem Fehler in einer 10er-Potenz und entsprechend 1000 % der empfohlenen Dosis entspricht. Erschwerend muss berücksichtigt werden, dass präklinische Kindernotfälle üblicherweise nicht durch auf die Kinder(notfall)medizin speziell qualifizierte Experten versorgt werden können [3]. Es wundert daher nicht, dass durch wenig vertraute Anwender in der stressigen Umgebung und Notfallsituation Fehlerraten bei Medikationen in 56 % der nichtinhalierten Medikationen beobachtet wurden, wobei die durchschnittliche Überdosierung von Adrenalin bei 808 % der empfohlenen Dosis lag [4]. Hier gilt es also durch möglichst einfache Hilfsmittel, beispielsweise simple Tabellen, schwerwiegende Dosierungsfehler zu vermeiden. Beispielsweise wurde durch das Verwenden einer simplen Tabelle bei einem schriftlichen Test zur Verordnung von Adrenalin 9 von 10 10er-Potenz-Fehler vermieden – das heißt 9, von 10 potenziell lebensgefährlichen Dosierungsfehlern konnten durch dieses einfache Hilfsmittel vermieden werden [2]. …Anzeige